====== Diversität im Personalmanagement: ======
**Diversität** im **Personalmanagement** beschreibt eine **vielfältige** **sozio-demografische Zusammensetzung** der **Belegschaft** eines Unternehmens oder einer Institution.((Bernd-Friedrich Voigt und Dieter Wagner, „Numerische und alternative Darstellungsformen von Heterogenität in der Diversity Forschung“, in //Diversity Management: Impulse aus der Personalforschung// herausgegeben von Gertraude Krell und Hartmut Wächter (München ; Mering : Hampp, 2006), 111.))\\
Eine **diverse Belegschaft** wird zum einen als **‚Herausforderung‘** betrachtet. Die Betriebswirtschaftswissenschaftler Bernd-Friedrich Voigt und Dieter Wagner erklären, dass es zu „**Koordinations-** und **Konfliktverlusten** durch die **Integration** von **Heterogenität**“((Bernd-Friedrich Voigt und Dieter Wagner, „Numerische und alternative Darstellungsformen von Heterogenität in der Diversity Forschung“, in //Diversity Management: Impulse aus der Personalforschung// herausgegeben von Gertraude Krell und Hartmut Wächter (München ; Mering : Hampp, 2006), 112.)) käme. Diese Annahme wird auch als **Prozesshypothese** beschrieben.\\
Zum anderen soll ein Unternehmen durch eine **diverse Belegschaft** einen **Wettbewerbsvorteil** bekommen. Diese Annahme wird als **value-in-diversity Hypothese** bezeichnet.((Bernd-Friedrich Voigt und Dieter Wagner, „Numerische und alternative Darstellungsformen von Heterogenität in der Diversity Forschung“, in //Diversity Management: Impulse aus der Personalforschung// herausgegeben von Gertraude Krell und Hartmut Wächter (München ; Mering : Hampp, 2006), 112.))\\
Die Arbeitgeber:inneninitative **[[https://www.charta-der-vielfalt.de/|Charta der Vielfalt]]** listet **drei Bereiche** auf, in denen **Diversität** als **Wettbewerbsvorteil** wirkt:
- Diversität hilft „den **Fachkräftemangel auszugleichen**.“((„Charta der Vielfalt - Für Diversity in der Arbeitswelt“, Charta der Vielfalt, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.charta-der-vielfalt.de/.))
- Sie erschließt „**neue Zielgruppen** und **Märkte**.“((„Charta der Vielfalt - Für Diversity in der Arbeitswelt“, Charta der Vielfalt, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.charta-der-vielfalt.de/.))
- Diversität produziert „**bessere Lösungen** und **innovativere Produkte**.“((„Charta der Vielfalt - Für Diversity in der Arbeitswelt“, Charta der Vielfalt, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.charta-der-vielfalt.de/.))
**Charta der Vielfalt:**
Die Charta der Vielfalt ist eine **von Arbeitgeber:innen** im **Dezember 2006** **gegründet** deutsche **Initiative**, die die „**Vielfalt in Unternehmen** und **Institutionen**“((„Die Initiative Charta der Vielfalt“, Charta der Vielfalt, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.charta-der-vielfalt.de/ueber-uns/ueber-die-initiative/.)) fördern möchte. Bislang haben **[[https://www.charta-der-vielfalt.de/ueber-uns/die-unterzeichner-innen/|4700 Unternehmen und Institutionen]]** die **Selbstverpflichtung** unterzeichnet.\\
Die **Freiwilligkeit** ist auch einer der **Kritikpunkte** an der Initiative. Unternehmen könnten die Initiative **unterschreiben**, um ihr **Image** zu **verbessern**, **ohne** dabei tatsächlich etwas zu **verändern**.((S. H. Nitz, „Vielfaltsetiketten statt Vielfaltsetikette“, //Der Freitag//, 1. Dezember 2017, https://web.archive.org/web/20180722155708/https://www.freitag.de/autoren/shnitz/vielfaltsetiketten-statt-vielfaltsetikette.)) Des Weiteren ist auch die **Frage**, **wie viel** die Charta der Vielfalt **bewirkt** und ob sie über die unterzeichnenden Unternehmen und Institutionen hinweg **tatsächlich** zu „**Anerkennung, Wertschätzung** und **Einbeziehung** von **Diversity**“((„Charta der Vielfalt - Für Diversity in der Arbeitswelt“, Charta der Vielfalt, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.charta-der-vielfalt.de/.)) führt. Dazu gibt es bisher **keine unabhängigen Untersuchungen**.
==== Ursprung: ====
**Diversität** im **Personalmanagement** hatte **nicht immer** diese **kapitalistische Fokussierung**.\\
Ihr **Ursprung** liegt in den **[[https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/B%C3%BCrgerrechtsbewegungen|US-Amerikanischen Bürger:innenrechtsbewegungen]]**, die die **Gleichberechtigung** von **Afroamerikaner:innen** forderten.\\
Der Kommunikationswissenschaftler Florian Feuser erklärt die **Umbewertung** als **Ergebnis** „einer **komplexen Gemengelage** aus sich **verändernden** sozialen, politischen und wirtschaftlichen **Rahmenbedingungen**. So konnten **Unternehmen**, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen übertrafen, öffentlichkeitswirksam **Reputation gewinnen**, die insbesondere vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Marktverständnisses zunehmend an Bedeutung gewann. Mit dem Paradigmenwechsel hin zu einem **Käufermarkt** gelangten auch die **Ansprüche** und **Bedürfnisse** von **Randgruppen** als interessante Zielgruppen in den Fokus. Gleichzeitig führte zunehmende **Internationalisierung** zu einer **Veränderung** der **Sichtweisen**. **Unternehmen** wurden hinsichtlich der Bedeutung **interkultureller Unterschiede sensibilisiert**, womit potenzielle Vorteile von Diversität in den Fokus rückten.“((Florian Feuser, „Diversität und Diversitätsmanagement“ in //War for Talents. Erfolgsfaktoren im Kampf um die Besten// herausgegeben von Matthias Busold (Berlin; Heidelberg: Springer Gabler, 2019), 76.))
===== Kritik an Diversität im Personalmanagement: =====
An der **Konzeption** von **Diversität** im **Personalmanagement** gibt es **verschiedene Kritikpunkte**.\\
==== Gerechtigkeit vs. kapitalistische Verwertung: ====
Ein **Kritikpunkt** ist, dass ein **ethisches Gerechtigkeitsverständnis** hier in eine **unpolitische Form** und eine neue **kapitalistische Verwertungslogik verwandelt** wird.\\ Vor allem **[[lv-wikis:divtheo22:diversitaet_als_forschungsansatz|Diversität als Forschungsansatz]]** **kritisiert** dieses Art der **Verwendung**.Auch weil die **Produktion** von **Differenzlinien** und **Ungerechtigkeiten** durch den **Kapitalismus** in diesem Modell **unterhinterfragt** bleiben.((Maureen Eggers, „Diversity/Diversität“, in //Wie Rassismus aus Wörtern spricht// herausgegeben von Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Münster: Unrast-Verlag, 2011), 258.))
==== Diversität als etwas Neues: ====
Außerdem wird vom Standpunkt der **[[lv-wikis:divtheo22:diversitaet_als_forschungsansatz|Diversität als Forschungsansatz]]** **kritisiert**, dass **Diversität** im **Personalmanagement** als etwas Neues betrachtet wird.((Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ //Organization// 4, 2 (1997): 198.))\\
Damit werden die **Entstehungsprozesse** von **Homogenität**, **Machtstrukturen** und **Hierarchisierungen übersehen**. Der **Forschungsansatz** betrachtet **Diversität** als **‚Normalzustand‘** und **Homogenität** als E**rgebnis** von **gesellschaftlichen Prozessen**.
==== Keine Beachtung von Makrostrukturen: ====
Ein weiterer **Kritikpunkt** ist, dass **Makrostrukturen**, zum Beispiel soziale oder politische Kräfte, **ignoriert** werden.\\
Die Organisationswissenschaftlerin Deborah Litvin erklärt, dass gerade diese **Makrostrukturen** **Einfluss** auf die **individuelle Lebensgestaltung** nehmen. Ihre **Ignoranz** „**denies** the overarching **influence** of macro-level […] forces, and **fosteres** a **narrowly focused**, **ahistorical** and **decontextualized assessment** of […] **individuals**.“((Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ //Organization// 4, 2 (1997): 204.))
==== Fördert Essentialisierungen: ====
Ein weiterer **Kritikpunkt** ist, dass **Diversität** im **Personalmanagement** über **Gruppenzugehörigkeit** definiert wird.\\
Diese **Konzeption** führt dazu, dass **Unterschiede** zwischen **Menschen** **durch** ihre **Zugehörigkeit** zu einer **Kategorie** erklärt werden.((Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ //Organization// 4, 2 (1997): 187.)) Das führt, **ähnlich** wie beim
**[[lv-wikis:divtheo22:diversitaet_im_allgemeinen_gleichbehandlungsgesetz|Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz]]** zu einer **Essentialisierung**.\\
=== Beispiel ===
Ein **Beispiel** dafür ist ein **Online-Beitrag** auf der Webseite **[[https://www.personal-wissen.de/|Personal-Wissen.de]]**, die zu der **Marketingunternehmensberatung** **[[https://b2b-insider.com/|B2B Insider]] gehört**.\\
Hier heißt es:
„Im Grunde genommen **führen Frauen ähnlich** wie **Männer**: Sie wenden **dieselben Techniken** und **Führungsstile** an. Dennoch gibt es **Unterschiede**, die im **persönlichen Wertesystem** begründet liegen und vor allem bei der **Prioritätensetzung** zu Tage treten. **Männliche Führungskräfte** arbeiten eher zahlenorientiert, legen Wert auf Investitionen und Finanzen und bauen ihre Instrumente zur Mitarbeitermotivation auf Statussymbolen und monetären Anreizen auf. Weibliche Führungskräfte legen den Fokus eher auf eine hohe Mitarbeitermotivation und wenden hierfür abweichende Instrumente an, beispielsweise indem sie ihren Mitarbeitenden Verantwortung übertragen und Karrierechancen eröffnen.
Doch wer führt nun besser, Frauen oder Männer? Auf dem Hintergrund der Gender Diversity spielt das keine Rolle. Sie will nämlich die Stärken beider Geschlechter nutzbar machen. Die Führungskräfte können gegenseitig voneinander lernen und so die Führungskultur bereichern.“((„Diversity im HR: Erfolgsfaktor für das Performance Management“, Personal-Wissen.de, letzter Abruf 20. August 2022, https://www.personal-wissen.de/11309/diversity-im-hr-erfolgsfaktor-fuer-das-performance-management/.))\\
Abgesehen davon, dass dieser **Beitrag [[https://www.gender-glossar.de/post/heteronormativitaet|Heteronormativität]]** **reproduziert**, **legt** er **nahe**, dass das **Geschlecht** einer Person über ihren **Führungsstil entscheidet**. Die **Ausbildung** und der **berufliche Werdegang**, **Vorbilder**, der **Charakter** einer Person, **Erfahrungen**, die **Unternehmensbedingungen** etc. produzieren demnach **nicht** den **Führungsstil**, sondern **allein** das **Geschlecht**.\\
Dass dies **nicht haltbar** ist, zeigt sich **zum Beispiel**, wenn man den Führungsstil der **ehemaligen rbb Intendantin Patricia Schlesinger** anschaut. Sie **setzte** auf **Statussymbole** und **monetäre Anreize** - Ein **Führungsstil**, den sie **laut** dieser **Beschreibung** aufgrund ihres Geschlechts, **nicht haben könnte**.((René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst, „Wahre Höhe von Top-Gehältern verschwiegen“, //tagesschau.de//, 17. August 2022, https://www.tagesschau.de/investigativ/schlesinger-rbb-bonuszahlungen-101.html.))
===== Merkmale des Diversitätsverständnisses: =====
Aus diesen Ausführungen lassen sich folgende **Merkmale** des **Diversitätsbegriffs** im **Personalmanagement** ableiten:
- Diversität ist eine **verwertbare Ressource**.
- Diversität trägt zum **Erfolg eines Unternehmens** bei.
- Diversität ist **etwas Gutes**, kann aber auch zu Konflikten führen.
Der Eintrag **‚Diversität in der Arbeitswelt‘** ist einer von **vier Beiträgen**, die sich mit den **Definitionen von Diversität** in **unterschiedlichen Bereichen** beschäftigen.\\
Eine **Übersicht** über **alle Beiträge** finden Sie hier: **[[lv-wikis:divtheo22:definitionen_von_diversitaet|Was ist Diversität?]]**
//von Lara Wehler//
===== Quellen: =====
* Althammer, René, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst. „Wahre Höhe von Top-Gehältern verschwiegen“. //tagesschau.de//, 17. August 2022. https://www.tagesschau.de/investigativ/schlesinger-rbb-bonuszahlungen-101.html.
* Charta der Vielfalt. „Charta der Vielfalt - Für Diversity in der Arbeitswelt“. Letzter Abruf 20. August 2022. https://www.charta-der-vielfalt.de/.
* Charta der Vielfalt. „Die Initiative Charta der Vielfalt“. Letzter Abruf 20. August 2022. https://www.charta-der-vielfalt.de/ueber-uns/ueber-die-initiative/.
* Eggers, Maureen.„Diversity/Diversität“. In //Wie Rassismus aus Wörtern spricht// herausgegeben von Susan Arndt und Nadja Ofua tey-Alazard, 256 - 263. Münster: Unrast-Verlag, 2011.
* Feuser, Florian. „Diversität und Diversitätsmanagement“. In //War for Talents. Erfolgsfaktoren im Kampf um die Besten// herausgegeben von Matthias Busold, 75 - 86. Berlin; Heidelberg: Springer Gabler, 2019.
* Litvin, Deborah. „The Discourse of Diversity: From Biology to Management“. //Organization// 4, 2 (1997): 187 - 209.
* Nitz, S.H.. „Vielfaltsetiketten statt Vielfaltsetikette“. //Der Freitag//. 1. Dezember 2017. https://web.archive.org/web/20180722155708/https://www.freitag.de/autoren/shnitz/vielfaltsetiketten-statt-vielfaltsetikette.
* Personal-Wissen.de. „Diversity im HR: Erfolgsfaktor für das Performance Management“. Letzter Abruf 20. August 2022. https://www.personal-wissen.de/11309/diversity-im-hr-erfolgsfaktor-fuer-das-performance-management/.
* Voigt, Bernd-Friedrich und Dieter Wagner. „Numerische und alternative Darstellungsformen von Heterogenität in der Diversity Forschung“. In //Diversity Management: Impulse aus der Personalforschung// herausgegeben von Gertraude Krell und Hartmut Wächter, 109 - 133. München ; Mering : Hampp, 2006.