====== Intersektionalität und Kunst ====== Eine entscheidende Motivation für die Auseinandersetzung mit Intersektionalität ist die Schaffung von Sichtbarkeit für Mehrfachdiskriminierung, wo mindestens eine Betroffenheitsperspektive häufig hinten runterfällt. Zu klären ist daher, welche Medien neben der Wissenschaft eine Plattform zur Bearbeitung intersektionaler Themen bieten können. Eine Möglichkeit dafür liegt in der Kunst. Denn sowohl diese als auch Intersektionalität haben einen engen Bezug zur Arbeit mit Metaphern, weswegen sich darüber entsprechende Brücken schlagen lassen. Der Begriff der Intersektionalität ist sehr eng mit dem Stilmittel der Metapher verbunden. Möglicherweise lässt sich Intersektionalität ohne den Gebrauch von Metaphern gar nicht erklären. Jedenfalls geht der Intersektionalitätsbegriff selbst auf einer Metapher zurück. Kimberlé Crenshaw nutzte die Metapher mit dem Bild der „intersection“, was sich mit den Wörtern „Überschneidung“, „Kreuzung“ oder „Schnittpunkt“ übersetzen lässt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass soziale Kategorien nicht getrennt voneinander auftreten, sondern dass es bei diesen zu Überschneidungen kommen kann. Intersektionalität soll also Phänomene und Eigendynamiken aufgrund von Mehrfachdiskriminierung zu veranschaulichen. Die Metapher ist mehr als nur ein Austausch vereinzelter Wörter und steht immer in Relationen, ohne diese sie gar nicht erst zustande käme. Insofern handelt es sich um ein Begriffspaar, zwischen denen eine Übertragung stattfindet. Sie kann den wörtlichen Sinn des gewohnten Sprachgebrauchs um einen bis dahin unbekannten metaphorischen Sinn erweitern. Dabei verbindet sie zwei kategorial unterschiedliche Bereiche, indem sie diese miteinander in Beziehung setzt, und verstößt damit gegen die bekannte Ordnung. Diese Störung der Ordnung ist in der Lage, einen neuen Sinn zu schaffen und eine neue Perspektive der Wirklichkeitsbeschreibung zu eröffnen. Aufgrund dieser Sinn- und Kontextgebundenheit ist die Metapher diskursiv. Über ihren diskursiven Charakter kann sie Identität herstellen. Bei dem Satz ‚Achilles stürzt los wie ein Löwe‘, handelt es sich noch um einen Vergleich. Der Satz ‚Achilles ist ein Löwe‘ konstruiert hingegen Identität. Bei der Metapher handelt es sich folglich um einen Vergleich, der zudem noch Bilder erzeugen kann, die Abstraktes konkret darstellen und damit überzeugen können (vgl. Steinbach 2020: 298-301). Crenshaw macht sich den diskursiven Charakter und die damit einhergehende Fähigkeit der Identitätsbildung der Metapher zu nutze. Sie zeigt auf, wie Sprach- und Identitätspolitik den Eindruck erwecken, dass Unterdrückungssysteme monokategorial wären. Dem entsprechend soll Intersektionalität als Metapher nicht nur aufdecken, dass Unterdrückungssysteme sich überschneiden und Menschen damit marginalisiert werden, sondern auch widerlegen, dass diese Unterdrückungssysteme monokategorial sind (vgl. Hill Collins 2023: 42). Die Verbindung zwischen Metapher und Intersektionalität bewegt sich somit auf zwei Ebenen: Einerseits nutzt Intersektionalität eine Metapher der Straßenkreuzung zur Veranschaulichung der Wirkweisen multipler Diskriminierung auf eine Person. Andererseits arbeiten beide über denselben Mechanismus, indem sie zwei sich eigentlich unterscheidende Aspekte zusammenbringen und darüber eine neue Identität konstruieren. Hill Collins zufolge hat sich der Intersektionalitätsbegriff durchgesetzt, gerade weil er als Metapher genutzt wird. Metaphern spielen eine wichtige Rolle in der Gestaltung und dem Verständnis menschlicher Beziehungen. Sie dienen als Grundlage für Denken und Handeln. Oft sind Metaphern zudem mit sozialem Wandel verbunden, da sie die Möglichkeit bieten, menschliche Vorstellungen von Vertrautem auf Unbekanntes zu richten. Als Metapher ermöglicht es der Intersektionalitätsbegriff, Verständnis zu schaffen, indem beispielsweise von einer vertrauen Form von Unterdrückung und Diskriminierung auf eine andere weniger vertraute Form geschlossen werden kann (vgl. ebd.: 45 f.). Hill Collins stellt fest, dass Intersektionalität als Metapher einen analytischen Wert hat, dabei ergebnisoffen bleiben kann und unterschiedliche Interpretationen erlaubt. Weiterhin nimmt die Intersektionalität als Metapher die Rolle des Bindeglieds zwischen Wissenschaft und Aktivismus ein, um oppositionelles und widerständiges Wissen zu vermitteln .