In der Einleitung zum Buch „Data Feminism“ führen die beiden Autorinnen in ihre Hauptthesen ein und stellen ihr Konzept eines Data Feminism vor. Data Feminism ist verortet im Intersektionalen Feminismus und legt den Fokus nicht auf eine Untersuchung des Verhältnisses von gender und sex, sondern legt allen Betrachtungen den Blick auf Machtverhältnisse und Machthierarchien zugrunde.
Data Feminism untersucht diese Machtverhältnisse und schaut darauf, wie diese Machtverhältnisse durch Daten (re)produziert werden, wie sie in Daten zu sehen sind und wie sich aber auch Daten benutzen lassen können, genau diese Machtverhältnisse zu offenbaren und zu verändern.
Data Feminism dient so als ein methodologischer Rahmen für empirische Forschungsmethoden, die sich neben den herkömmlichen Fakten auf Datenbasis auf direkte Erfahrungen beziehen und die sich einem Handlungsauftrag verpflichtet fühlen.
Data Feminism bezieht seine Einflüsse einerseits aus akademischen Konzepten, aber auch aus aktivistischen Arbeiten, die sich auf die Veränderung bestehender Ungleichheiten beziehen. Damit beinhaltet Data Feminsim nicht nur die Daten, sondern auch die Handlungen, die sich aus diesen schließen lassen.
1. Zusammenhang statistischer Daten mit persönlicher Erfahrung
Die Autorinnen verbinden zu direkt persönliche Erfahrung und statistische Daten
“Darden herself didn't need any more evidence of the problem she faced; she was already living it every day.” (8,2)
“a way of thinking about data (…) that is informed by direct experience” (8,3)
“The process of converting life experience into data always necessarily entails a reduction of that experience” 10 (Hervorh. ds)
anders: “The data confirmed Darden's direct experience” (6, 2)
Das ist m.E. nicht passend (vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor und die Autorinnen stellen eine indirekte Verbindung zwischen beiden Aspekten her, aber die Ausführungen weiter oben legen nahe, dass es kein Missverständnis ist).
Die These, dass es für Darden keiner Beweise bedurfte, ist diskussionswürdig. Diskriminierung wird häufig nicht erkannt (und auf der anderen Seite kann eine Diskriminierung auch empfunden werden, wo keine ist). Das ist die Funktion der „Daten“, hier Zusammenhänge und Strukturen aufzuzeigen bzw. überhaupt zu entdecken.
2. Spannungsverhältnis zwischen Daten und Machthierarchien
„…data collection has long been employed as a technique of consolidating knowledge about the people whose data are collected, and therefore consolidating power over their lives.“ (S.12)
„Data are part of the problem, to be sure. But they are also part of the solution“ (S.17)
Ich finde das von den Autorinnen beschriebene Spannungsfeld von Daten und Machthierarchien spannend. Einerseits festigen und erhalten Datensammlung bzw. Datengewinnung vorherrschende Machtstrukturen, andererseits können sie auch als Mittel zum Kampf gegen genau diese Strukturen eingesetzt werden. Welche Gefahren birgt der Umgang mit Daten aus einer feministischen Perspektive beziehungsweise was sollte im Umgang mit Daten dahingehend beachtet werden?
Mich beschäftigt dieses Spannungsfeld auch und unter Anderem folgende Fragen: Wer generiert welche Daten mit welchen Zielen? Ist dieser Prozess nachvollziehbar? In welchen Kontexten kommen diese Daten zum Tragen? Was für „Lebenswege“ haben Daten bzw. welche Prozesse stoßen sie an, auch unabhängig von den Intentionen der Urheber*innen? Gibt es mächtigere und weniger mächtige Daten und wie hängt dies mit den Urheber*innen zusammen? etc..
Die Autorinnen verweisen auf einen TED-Talk von Kimberlé Crenshaw (Fußnote 15: 237) mit einer beeindruckenden Demonstration in der ersten knapp zwei Minuten.
Eine gute Einführung in den theoretischen Rahmen und den Ethos des Buches liefert ein Talk von Lauren Klein, der gerade diese Woche (21.04.2021) veröffentlicht wurde: "What is feminist Data Science" by Lauren Klein
Für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz: EU-Kommission legt weltweit ersten Rechtsrahmen vor. 21.4.2021
Erläuterungen und Dokumente
Crenshaw, Kimberly 1993. Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence against Women of Color. In: Stanford Law Review, Vol. 43, No. 6 (Jul., 1991), pp. 1241-1299. DOI: https://doi.org/10.2307/1229039