Intersektionalität als kritische Sozialtheorie?


Machtbeziehungen und Herrschaftsverhältnisse sind zentraler Bestandteil intersektionaler Perspektiven und Analysen – das ist zumindest der Standpunkt wichtiger Vertreter:innen des intersektionalen Forschungsparadigmas. Aber nicht für alle und nicht immer wird die theoretische und empirische Analyse von Intersektionalität mit Fragen der Macht verknüpft, geht es gar um Gesellschaftsveränderung. So gibt es inbesondere im Bereich empirischer Intersektionalitätsforschung Analysen, für die die Begrenzung auf zentrale Achsen der Ungleichheit und die Annahme der Asymmetrie kategorialer Zuschreibungen (die lautet, nicht alle, sondern nur entsprechend „markierte“ Personen können Ziel zum Beispiel sexistischer oder rassistischer Benachteiligung sein) nicht gilt. Auf der anderen Seite betonen wichtige Vertreter:innen der Intersektionalitätsforschung die Analyse und Bekämpfung sozialer Ungleichheit als Grundlage. Entsprechend versteht zum Beispiel Patricia Hill Collins Intersektionalität(sanalyse) als „critical social theory“, als kritische Sozialtheorie. Damit ist ebenfalls, wenn auch im Seminar nur am Rande, die Frage verbunden, was Forschung (nicht) darf und was sie (nicht) soll – in welchem Bereich zwischen (selbst-)kritischer Reflexion der (eigenen) Positionalität und dem Anspruch und Auftrag der Gesellschaftsveränderung (Haraway, K'Ignazio/Klein, Clarke) sich dieser Ansatz befindet. Wie ist eine „kritische Sozialtheorie der Intersektionalität“ zu fassen? Welche Rolle spielt die empirische bzw. methodische Fassbarkeit bzw. in welchem Verhältnis stehen Theorie und Empirie / Methoden?

Wir befassen uns im Seminar mit zentralen Texten und Theorie der kritischen Perspektiven, darunter auch mit den deutschsprachigen Debatten sowie mit Ansätzen, die vor der Etablierung des Konzeptes der Intersektionalität durch Kimberlé Crenshaw diskutiert und diese teilweise mitgeprägt haben.