Das Forschungsprojekt „Männliche Positionierungen“ widmet sich der Fragestellung: Wie definieren Männer 1) ihre Rolle innerhalb des Abtreibungsdiskurses? Dazu wurden vier Kommentare und Kolumnen, die in den Online-Angeboten überregionaler deutscher Medienhäuser erschienen sind analysiert. Die mithilfe des ‚integrativen Basisverfahrens‘ erarbeiteten Ergebnisse der Analyse sind vielfältig. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass die Autoren der Untersuchten Beiträge sich selbst eine normendefinierende Handlungsmacht innerhalb des Abtreibungsdiskurses zuschreiben, während sie sich gleichzeitig eine Handlungsmacht bei der Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch absprechen.
Die Frage, wie Männer ihre Rolle innerhalb des Abtreibungsdiskurses definieren, entstand aus der Feststellung, dass bei dem Themengebiet Schwangerschaftsabbruch oft nur Frauen adressiert werden. Dies geschieht beispielsweise in den Paragraphen 218und 219, in denen die rechtlichen Bedingungen eines Schwangerschaftsabbruchs definiert werden. In diesen werden die Rechte der Schwangeren und des potenziellen Kindes festgelegt, nicht aber die eines potenziellen Vaters. Da Abtreibungen in der Regel, an Frauen vorgenommen werden, ist die Rolle von Männern im Entscheidungsprozess oft sehr unklar. Rechtlich wird ihnen kaum Entscheidungsgewalt zugesprochen. Dies könnte sich auch auf ihre Stellung innerhalb von Diskursen, um das Thema Schwangerschaftsabbrüche im Allgemeinen oder Debatten über mögliche Änderungen der Paragraphen 218 und 219 im speziellen, auswirken.
Die Grundannahmen der Diskursanalyse, die für dieses Forschungsprojekt durchgeführt wurde, orientieren sich an den konzeptionellen Stufen des Forschungsprozesses von Reiner Keller (vgl. 2011: 86 ff.). Die für dieses Forschungsprojekt besonders relevanten Schritte sind die Sondierung des Untersuchungsfeldes, die Datenauswahl, die Korpusbildung, die Analyse der Daten und die Formulierung der Ergebnisse, die im Folgenden dargestellt werden. Die forschungspraktischen Entscheidungen, die innerhalb dieses Forschungsprojektes getroffen wurden, werden parallel zur Beschreibung der Methode dargestellt und reflektiert. Dadurch sollen die Entscheidungsprozesse, die für die Diskursanalyse und den Analyseprozess des integrativen Basisverfahrens im speziellen, transparent gemacht werden, sind sie doch, wie bei vielen empirischen Methoden auch, maßbeglich für die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse (vgl. Kruse 2004: 14).
Es lassen sich zahlreiche Diskursanalysen finden, die sich mit dem Thema ‚Abtreibung‘ auseinandersetzen (vgl. Busch/Hahn 2015; Gerhards 2004). Dabei wird in der Regel jedoch eher die normative Wahrnehmung von Abtreibungen oder der Entscheidungsprozess von Frauen in den Blick genommen. Werden in Studien explizit Männer erforscht, richtet sich das Augenmerk meist auf ihren Umgang mit einer Abtreibung ihres potenziellen Kindes (vgl. Shostak/ MacLouth 1984). Auch viele Medien beschäftigen sich mit der Frage, welche Folgen Abtreibungen für Männer haben können. Dazu werden die Erfahrungen von Betroffenen geschildert und ihr Anteil an der Entscheidungsfindung dargestellt (vgl. Schröder 2018; Böcker 2018).
Diskursanalysen, die sich mit der Positionierung oder der Rolle von Männern im deutschen Abtreibungsdiskurs befassen, konnten hingegen nicht ausfindig gemacht werden. Um den derzeitigen Abtreibungsdiskurs besser überblicken zu können, wurde in Anlehnung an Adele Clarkes Methode zur Diskursanalyse eine ‚Situationsmap‘ erstellt (vgl. Clarke 2012: 124 ff). Dazu flossen Vorannahmen und Rechercheergebnisse ‚mindmap-artig‘ zusammen. Eine geordnete Darstellung dessen bildet die Tabelle 1.
Teilbereich des Diskurses | Element |
---|---|
Individuelle menschliche Elemente/Akteure | Betroffene Männer (vor, nach und während einer Abtreibungsentscheidung); Betroffene Frauen (vor, nach und während einer Abtreibungsentscheidung); Politiker*innen; Journalist*innen; Jurist*innen; Ärzt*innen; Berater*innen in Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen |
Nichtmenschliche Elemente/ Aktanten | Gesetzestexte; Medizinische Technologien, die Abtreibungen Ermöglichen; Mediale, soziale Plattformen (Zeitungen, Foren, Soziale-Medien…) |
Kollektive menschliche Elemente/ Akteure | Paare (vor, nach und während einer Abtreibungsentscheidung); Gruppen von Abtreibungsgegner*innen; Gruppen von Abtreibungsbefürworter*innen; Religiöse Gruppen; Parteien; Beratungsstellen; Redaktionen, Gruppen in sozialen Medien; Krankenkassen |
Implizierte/ Stumme Akteure/ Aktanten | Betroffene Männer, Frauen und deren Umfeld (Freund*innen, Familie) |
Diskursive Konstruktionen individueller und/ oder kollektiver menschlicher Akteure | Begriffskonzepte Abtreibung: Schwangerschaftsabbruch, Schwangerschaftsunterbrechung, Mord, Auftragsmord, medizinischer Eingriff, Menschenrecht…; Wann beginnt das Leben?; Mutter vs. Kind-Thematik; Beratung als notwendig/ Zwang; Rolle der Frau bei der Abtreibungsentscheidung: Entscheidungsträgerin (auch juristisch), Leid und Verantwortung Tragende, aktiv Handelnde…; Rolle des Mannes bei der Abtreibungsentscheidung: Entscheidungs-mit-tragender, passiv, drängend; Rolle der Frau in der Debatte um Abtreibung: ?; Rolle des Mannes in der Debatte: ? (zentrale Frage) |
Diskursive Konstruktionen nicht-menschlicher Aktanten | Technologische Machbarkeit von Abtreibungen, Diagnosen, Lebenserhaltung… |
Politisch/ Wirtschaftliche Elemente | Rechtliche Grundlage (§ 218, § 219 a): Kriminalisierung mit Auflagenbedingter Straffreiheit; Kosten der Abtreibung/ Abtreibung als Einnahmequelle für Ärzt*innen und Unternehmen |
Sozio-kulturelle/ symbolische Elemente | Wert ungeboren Lebens; Stellung der Frau in der Gesellschaft; Aufgeschlossenheit gegenüber dem medizinisch Machbaren; Rolle des Mannes (in Abgrenzung zur Frau) innerhalb der Familie, bei der Schwangerschaft, Kindeserziehung |
Zeitliche Elemente | Veränderung der Rolle des Mannes im Zeitverlauf (soll bei dieser Forschungsfrage untergeordnete Rolle spielen) |
Räumliche Elemente | Gesetzeslage und gesellschaftliche Stimmung in anderen Ländern als Teil der deutschen Debatte |
Hauptthemen, Debatten | Wann beginnt Leben, Rechte der Frau, Rechte des Kindes; Abschaffung, Beibehaltung, Änderung des Gesetzes |
Verwandte Diskurse | Rolle des Mannes bei der Kindererziehung; Selbstbestimmtheit der Frau, Bevormundung durch Männer |
Tabelle 1: Situationsmap des Aktuellen Abtreibungsdiskurses
Wie der Situationsmap zu entnehmen ist, kommt es im Abtreibungsdiskurs häufig zu einer Dichotomisierung von Männern und Frauen. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass ein starkes Ungleichgewicht in der Betroffenheit von einer Schwangerschaft angenommen wird. Frauen sind dabei nicht nur direkt durch das Heranwachsen eines Kindes in ihrem Körper stärker betroffen, ihnen wird auch eine größere Verantwortung für das geborene Kind zugewiesen. Politische und juristische Entscheidungen über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs wirken sich demnach auch stärker auf die Rechte von Frauen aus, als auf die Rechte von Männern, weswegen in diesem Zusammenhang auch oft von den Selbstbestimmungsrechten von Frauen die Rede ist (vgl. Busch 2013: 14).
Aus dieser Betrachtung des Untersuchungsfeldes, also des deutschen, aktuellen Diskurses über Abtreibungen und mögliche Änderungen der abtreibungsdefinierenden Paragraphen, ergibt sich die Forschungsfrage: Wie definieren Männer ihre Rolle innerhalb des Abtreibungsdiskurses? Dem liegen die Annahmen zugrunde, dass die Rolle, die sich Männer im Abtreibungsdiskurs zuschreiben keinesfalls klar umrissen ist. Es wird angenommen, dass es sich dabei um einen komplexen Aushandlungsprozess handelt, der sich anhand von Beiträgen von Männern zur öffentlichen Debatte analysieren lässt. Zweitens wird angenommen, dass sich diese Rollenvorstellungen voneinander unterscheiden, sodass verschiedene Positionierungen im Diskurs ausfindig gemacht werden können.
Für die Diskursanalyse wurden als Datenform Kolumnen und Kommentare gewählt. Dahinter stehen eine Reihe von forschungstheoretischen, aber auch pragmatischen Überlegungen. Zum einen bietet das Format der Kolumnen und Kommentare eine gute ‚Passung‘ zur Forschungsfrage. Ihre Urheber*innenschaft lässt sich in der Regel sehr präzise bestimmen. Außerdem sind diese Formen der journalistischen Arbeit, anders als beispielsweise Berichte, stark von der persönlichen Haltung des*der Autor*in geprägt. Dies ist wichtig, um die Position, die sich der Autor der jeweiligen Kolumne implizit oder explizit zuschreibt, deuten und vergleichen zu können.
Pragmatische Gründe, die in die Wahl des Formats flossen, sind vor allem solche des Rechercheaufwandes und der Verfügbarkeit. Sämtliche der in die Feinanalyse einfließenden Beiträge sind in den Online-Portalen der jeweiligen Medien frei verfügbar und dadurch leicht zugänglich. Einige von ihnen sind jedoch auch in den jeweiligen Print-Ausgaben erschienen. Durch diese Verfügbarkeit im Internet konnte auch das Finden der Daten durch verschiedene Suchmasken einfach und zeitsparend erfolgen.
Um die Kolumnen und Kommentare für den Datenkorpus auszuwählen wurden einige Kriterien definiert. Zunächst wurde der Zeitraum, in dem die Beiträge erschienen auf die Jahre 2018 und 2019 beschränkt. Damit ist ein Bezug auf den aktuellen Abtreibungsdiskurs zumindest sehr wahrscheinlich und die Beiträge bieten eine bessere Vergleichbarkeit. Zweitens wurden lediglich textbasierte Kolumnen und Kommentare einbezogen, also keine audiovisuellen Beiträge, sodass eine einheitliche Auswertung möglich ist. Drittens wurden die veröffentlichenden Medienhäuser auf überregional agierende Medien beschränkt. Dies geschah aufgrund der Annahme, das lokalere Medien auch einen lokaleren Bezug aufweisen. Durch den Ausschluss dieser Medien konnte das Einfließen von Beiträgen, die Spezialdiskurse behandeln, eher verhindert werden. Auch überregionale Randmedien mit einer geringen Nutzer*innenzahl wurden nicht berücksichtigt. Dadurch sollen ‚extreme Haltungen‘ aus dem Datenkorpus ausgeschlossen werden, die eher in Zeitungen, Zeitschriften und Medien mit einer geringen Reichweite vermutet werden. Diese extremen Haltungen, sind zwar ebenfalls Teil des Diskurses, aufgrund der beschränkten zeitlichen und personellen Ressourcen dieses Forschungsprojektes beschränkt sich die Analyse jedoch auf einen Teil des Diskurses. Ein letztes Kriterium bildet die inhaltliche Kongruenz zur Forschungsfrage. Bedingung für die Aufnahme in den Datenkorpus ist dabei, dass sich die Beiträge zumindest in großen Teilen dem Themenfeld Schwangerschaftsabbruch widmen. Dies konnte zunächst mithilfe der Überschriften der Beiträge, in einem weiteren Schritt dann mit den Lesen und stichpunktartigem Festhalten der Inhalte gewährleistet werden.
Die Suche nach den Beiträgen erfolgte nach der Kriterien-Definition mithilfe einer Internetrecherche. Dazu wurden einerseits Suchmaschinen, anderseits Suchmasken in Online-Portalen großer deutscher Zeitungen und Zeitschriften herangezogen. Durch Suchbegriffe wie ‚Abtreibung‘, ‚Schwangerschaftsabbruch‘ oder ‚Paragraph 219a‘ zusammen mit dem Stichwort ‚Kolumne‘ oder ‚Kommentar‘ konnten eine Reihe von Beiträgen ausgewählt werden, die nach Überprüfung der Kriterien auf acht beschränkt wurden. Die Suche lässt sich damit als eher unsystematisch beschreiben, da nicht alle Kolumnen und Kommentaren von Medien mit einer fest definierten Reichweite in dem vorgegebenen Zeitraum betrachtet wurden. Da jedoch nicht der Anspruch besteht, den gesamten Diskurs abbilden zu wollen und ohnehin nur eine sehr beschränkte Auswahl an Beiträgen in die Feinanalyse einfließen kann, beschränkt sich die Auswirkung auf die Ergebnisse der Analyse durch diese ‚wilde Recherche‘ auf eine Beeinflussung durch die verwendeten Suchbegriffe. Diese Beeinflussung ließe sich jedoch nur mit erheblichem Mehraufwand reduzieren, jedoch nie ganz ausschließen.
Nach der Eingrenzung des Datenkorpus auf acht Beiträge wurden diese in einer ersten Analyse unter inhaltlichen Gesichtspunkten betrachtet. Daraufhin wurde die Forschungsfrage erneut verändert, sodass lediglich die Frage nach der Eigenpositionierung im Diskurs durch Männer selbst im Zentrum des Forschungsprojektes steht. Vier Beiträge, die von Frauen verfasst wurden, wurden somit für die weitere Feinanalyse ausgeschlossen. Die vier verbleibenden Beiträge wurden alle von Männern geschrieben. Die Annahme ihres Geschlechts speist sich dabei einerseits aus ihrem Namen, andererseits aus der Selbstbeschreibung im Inhalt der Beiträge, wodurch davon ausgegangen werden kann, dass sich die Autoren der analysierten Beiträge als männlich definieren. Die Tabelle 2 bildet eine Liste der verwendeten Beiträge.
Titel | Autor | Textart | Datei |
---|---|---|---|
Liebe Männer, warum sind wir so leise? | Till Schwarze | Kolumne | Schwarze |
Ein Apell FÜR das Leben - Auch das Ungeborene | Daniel Böcking | Kommentar | Böcking |
Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte | Jan Fleischhauer | Kolumne | Fleischhauer |
Paragraf 219a - Ein reiner Symbolstreit | Christoph Strack | Kommentar | Strack |
Tabelle 2: Liste der analysierten Beiträge
Die Feinanalyse der vier ausgewählten Artikel erfolgte mithilfe des ‚integrativen Basisverfahrens‘, welches von Jan Kruse entwickelt wurde. Diese qualitativ-rekonstruktive Methode zielt darauf ab, sozialen Sinn anhand von Versprachlichungsprozessen zu rekonstruieren (vgl. Kruse 2015: 462). Der komplexe methodische Aufbau lässt sich in drei Schritte einteilen: Segmentieren, mikrosprachliche Analyse und zentrale Thematisierungsregeln und Motive bündeln.
Die Segmentierung eines jeden Textes dient der konsequenten Betrachtung einzelner Teile, ohne auf weiter hinten liegende Textstellen vorzugreifen. Da sich die Segmentierung, also die Einteilung des Textes in kleinere Bereiche, am Erzeugenden des Textes orientieren soll, wurden die Beiträge dieses Forschungsprojektes mithilfe der Absätze, die in den einzelnen Beiträgen gemacht wurden, untergliedert (vgl. Kruse 2015: 487). Dadurch entstehen zwar je nach Autor unterschiedlich große Segmente, diese orientieren sich jedoch klar an den Gedanken der Urheber der Texte und werden nicht vom Forschenden künstlich geschaffen.
Ziel der mikrosprachlichen Analyse ist die Deskription sprachlich-kommunikativer Phänomene. Dies geschieht auf den Ebenen Pragmatik/Interaktion, Syntaktik und Semantik. Dadurch werden textdynamische Merkmale, sprachlich-grammatikalische Besonderheiten und Besonderheiten in der Wortwahl in einem ersten Analyseschritt parallel zueinander betrachtet und in Memos festgehalten. Dieser Prozess soll die Analyse ‚verlangsamen‘ und die Bedeutung des Textes nicht nur auf der inhaltlichen ‚was‘-Ebene, sondern auch auf der sprachlichen ‚wie‘-Ebene betrachten (vgl. Kruse 2015: 488 f).
In einem weiteren Schritt werden Muster in den sprachlich-kommunikativen Phänomenen gesucht. Dazu werden zunächst segmentweise die inhaltlichen und sprachlichen Auffälligkeiten betrachtet. Diese werden in Motive und Thematisierungsregeln eingeteilt, die die jeweiligen Konzepte des Textes auf der ‚was‘- und ‚wie‘- Ebene zusammenfassen. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die in der Fragestellung aufgeworfenen Positionierungen der Stellung im Abtreibungsdiskurs berücksichtigt. Durch den Vergleich verschiedener Textstellen in verschiedenen Beiträgen werden so zentrale Motive und Thematisierungsregeln erarbeitet, die sich in den verschiedenen Quellen unterscheiden oder gleichen. Dabei handelt es sich nicht um einen linearen Prozess, stattdessen wird die Ebene der mikrosprachlichen Analyse wird immer wieder herangezogen um auf spezifische Thematisierungsregeln und Motive Bezug zu nehmen (vgl. Kruse 2015: 534 f.).
Die Analyse wurde mithilfe der Analysesoftware ‚f4analyse‘ durchgeführt. Zudem wurden die Interpretationen der mikrosprachlichen Analyse in einem Team von Forschenden diskutiert, um eine intersubjektive Betrachtung der Beiträge zu ermöglichen.
In allen vier Kommentaren und Kolumnen steht das Themenfeld Schwangerschaftsabbruch zwar im Zentrum, dennoch wurden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Trotz dieser unterschiedlichen inhaltlichen Fokusse lassen sich gemeinsame Motive in den Beiträgen finden. Als zentrales Motiv kann die Verortung der eigenen Wirk- und Handlungsmacht der Autoren auf die Definierung von Normen im Abtreibungsdiskurs gefunden werden. Um dieses Motiv näher zu erläutern, wird zunächst der Begriff der ‚Agency‘ eingeführt. Anschließend wird das zentrale Motiv anhand einzelner Textstellen beschrieben. Abschließend werden einige wiederkehrende Thematisierungsregeln vorgestellt.
Der Begriff Agency wird in den Sozialwissenschaften auf unterschiedliche Weise definiert. Viele Definitionen stimmen jedoch dahingehend überein, dass es sich um eine Beschreibung von Handlungs- und Wirkmacht handelt, die in Texten anhand linguistischer Kriterien rekonstruiert werden kann (Lucius Hoene/Deppermann 2002: 59). Um den Begriff für diese Forschungsarbeit nutzbar zu machen, werden im Folgenden vor allem die Termini ‚Agentivierung‘ und ‚Agentivität‘ verwendet. Agentivierung beschreibt den Vorgang des Zuschreibens einer Urheberschaft für bestimmte Ereignisse, also das Zu- oder Absprechen von Wirk- und Handlungsmacht als kognitive Leistung des jeweiligen Autors. Agentivität ist demgegenüber eine Eigenschaft, die ein Wesen, eine Idee oder eine Anonyme Instanz besitzt, die also bereits zugeschrieben wurde (Deppermann 2015: 64 ff.).
Um das, vor dem Hintergrund der Forschungsfrage, wichtige, zentrale Motiv der Wirk- und Handlungsmacht zu beschreiben, werden im Folgenden wiederkehrende sprachlich-kommunikative Phänomene, die sich in den Kolumnen und Kommentaren finden lassen, dargestellt. Obwohl bei der Betrachtung des zentralen Motivs, vor allem die ‚was‘-Ebene im Vordergrund steht, also was inhaltlich dargestellt wird, kann die Deutung dessen niemals ohne die ‚wie‘-Ebene also die sprachlichen Mittel geschehen. Eine scharfe Trennung dieser Elemente wäre dem Verstehen der in den Texten liegenden Bedeutung abträglich und wird darum auch in dieser Ergebnisdarstellung nicht vorgenommen. Bei der Darstellung der Ergebnisse können aus Platzgründen nicht alle Textstellen, die einem sprachlich-kommunikativen Phänomene zugeordnet werden können, dargestellt werden. Darum werden hier lediglich einzelne Ankerbeispiele beschrieben, in denen die Phänomene besonders deutlich zur Geltung kommen. Auch bei diesen Beispielen kann nicht zu jedem Wort eine mikrosprachliche Deutung erschöpfend dargestellt werden. Der Fokus auf die Eigenzuschreibung der Stellung im Diskurs durch die Autoren bleibt darum auch hier bestehen.
Die deutlichste Form der Zuschreibung von Wirk- und Handlungsmacht geschieht durch Agentivierung. In Bezug auf den in der Forschungsfrage aufgemachten Fokus auf die Eigenpositionierung von Männern wurde in besonderem Maße nach Selbst-Agentivierungen der Autoren gesucht. Eine direkte Form der Zuschreibung von Handlungsmacht lässt sich im Artikel „Ein Apell FÜR das Leben – auch das ungeborene“ finden. Darin schreibt der Autor: „Aber ich kann für das Geschenk des Lebens eintreten.“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 4) Durch das Modalverb ‚kann‘ in Kombination mit dem Pronomen ‚ich‘ schreibt er sich die Fähigkeit zu ‚für das Geschenk des Lebens‘ einzutreten. Mit dem Verb ‚eintreten‘ wird eine Form der Partizipation in einem Konflikt beschrieben, bei der sich der Autor als Verteidiger ‚für das Geschenk des Lebens‘ versteht. Mit dem Wort „kann“ agentiviert sich der Autor in diesem Satz selbst. Er schreibt sich die Handlungsmacht zu, im Abtreibungsdiskurs Haltung zu beziehen. Gleichzeitig verleiht er sich Wirkmacht, in Form der Verteidigung des „ungeborenen Lebens“, dem er keine Agentivität zuspricht.
Dieser direkten Form der Agentivierung stehen auch indirekte Formen gegenüber. Im Artikel „Liebe Männer, sind wir zu leise?“ schreibt der Autor beispielsweise: „Ich finde die Begründung für das Werbeverbot absurd […]“ (Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 3). Durch die Wendung „ich finde“ wird deutlich, dass sich der Autor ermächtigt sieht, eine Haltung im Abtreibungsdiskurs, in diesem Fall bezüglich des „Werbeverbots“ zu formulieren. Er tut dies ohne ein Modalverb, wie im ersten Beispiel, schreibt sich jedoch implizit durch die Äußerung einer Meinung auch eine handlungsmächtige Position im Abtreibungsdiskurs zu, die sich in Form seiner öffentlichen konstituiert.
Ähnliche weitere Formen der Agentivierung lassen sich in allen vier Texten finden. Alle Autoren schreiben sich damit selbst die Handlungsmacht zu, ihre Haltung im Diskurs öffentlich zu äußern.
Wird der Inhalt dieser Haltungsäußerungen betrachtet, fällt auf, dass sie sich in der Regel auf moralische Komponenten des Abtreibungsdiskurses beziehen. Im Beitrag „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“ schreibt der Autor: „ Ich würde immer sagen, dass ein schlechtes Gewissen ein vergleichsweise kleiner Preis ist, den man zu entrichten hat, wenn man sich zu einer Abtreibung entscheidet, das sollte übrigens für beide Geschlechter gelten.“ (Artikel 3 „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“, Absatz 12). Durch das Personalpronomen ‚ich‘ und die Wendung ‚würde immer sagen‘ wird deutlich, dass der Autor sich eine Deutungsmacht zuschreibt. Diese bezieht sich auf die Handlung des ‚Entscheidens‘ für eine Abtreibung. Diese Entscheidung sollte laut dem Autor mit einem ‚schlechten Gewissen‘ verbunden sein. Der Begriff des ‚schlechten Gewissens‘ lässt sich als negative Emotion deuten, die durch eigenes Handeln entsteht. Durch die Metapher des ‚Preises‘, den man zu ‚entrichten‘ habe, wird deutlich, dass dies als eine Art der Sanktion für die Abtreibung zu verstehen ist. Mit dem Adjektiv ‚klein‘, bezogen auf diesen Preis, in Kombination mit dem Adverb ‚vergleichsweise‘ macht der Autor deutlich, dass die Sanktion durch die negativen Emotionen niedrig ist und eine Art Mindestmaß an Ausgleich für eine Abtreibung darstellt. Durch den Nebensatz ‚das sollte übrigens für beide Geschlechter gelten‘ werden Männer und Frauen in diese Form der Sanktionierung eingeschlossen. Mit dem Adverb ‚übrigens‘ wird deutlich, dass dies im sonstigen Diskurs nicht zwingend der Fall ist. Dessen ist sich der Autor bewusst, was er durch dieses Wort anzeigt.
Das Beispiel zeigt, wie der Autor gesellschaftliche Normen für eine Abtreibungsentscheidung zu konstituieren sucht. Er sagt anderen, was sie nach einer Abtreibung zu fühlen haben, unabhängig von den Gründen der Entscheidung und ihren eigenen Emotionen. Dabei schließt er Männer und Frauen ein, ist sich aber dessen bewusst, dass dies eher ungewöhnlich ist. Auch andere Autoren laden den Begriff Abtreibung normativ auf. Im Text „Paragraf 219 a – Ein reiner Symbolstreit“ schreibt der Autor, dass Frauen „[…] keine andere Alternative sahen […] “ (Artikel 4: „Paragraf 219a - Ein reiner Symbolstreit“, Absatz 11), als abzutreiben. Dies impliziert, dass es sich bei der Entscheidung einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen um ein negatives Verhalten handle, dem viele bessere Alternativen gegenüberstehen. Eine Abtreibung wird damit nicht als berechtigte Handlung infolge einer Schwangerschaft gesehen. Auch dies lässt sich als normativer Deutungsversuch einordnen. Ebenso die Aussage, dass eine Entscheidung für eine Abtreibung „grausam und schwer“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 3) sein müsse, vom Autor des Textes „Ein Apell FÜR das Leben – auch das ungeborene“. Lediglich im Text „Liebe Männer, warum sind wir so leise?“ konnte keine normendefinierende Aussage zu Schwangerschaftsabbrüchen gefunden werden, die ähnlich direkt ist, wie in den Beispielen der anderen Texte.
Mit der Selbst-Agentivierung in Bezug auf normative Deutungsmuster geht oft eine Deagentivierung einher, die sich auf Abtreibungsentscheidungen bezieht. Eingeleitet wird diese eigene Absprache von Handlungs- und Wirkmacht in zwei Fällen mit dem Verweis auf die fehlende Fähigkeit, sich in die Lage einer schwangeren Frau hineinversetzen zu können. So steht im Beitrag „Liebe Männer, sind wir zu leise?“: „Ich will mir nicht anmaßen, die Situation von Schwangeren wirklich beurteilen zu können.“ (Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 10). Durch das Verb ‚beurteilen‘ beschreibt der Autor einen empathischen Vorgang, zu dem er sich nicht in der Lage sieht, was er mit den Worten ‚nicht anmaßen‘ ausdrückt. Das Wort ‚anmaßen‘ ist eine Respekt ausdrückende Form der Selbst-Deagentivierung. Durch das Wort ‚will‘ drückt der Autor aus, dass es sich bei dieser Absprache von Deutungsmacht um eine bewusste Entscheidung handelt. Die Bedeutung der Wörter ‚Situation von Schwangeren‘ ergibt sich aus dem Kontext und beschreibt den Prozess des Abwägens bei einer Abtreibungsentscheidung.
In ähnlicher Weise umschreibt auch der Autor des Textes „Ein Apell FÜR das Leben – auch das ungeborene“ die Gründe für seine selbst-Deagentivierung. Mit dem Satz „Ich war nie in solch einer Situation und kann mir nicht vorstellen, wie grausam und schwer es sein muss, die Entscheidung für eine Abtreibung zu treffen.“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 3) beschreibt auch er seine fehlende Fähigkeit, das einer Abtreibungsentscheidung nachzuempfinden. Zentral ist bei dieser Aussage das Verb ‚vorstellen‘, welches die Fähigkeit zu Imagination ausdrückt, die sich der Autor abstreitet. Er begründet dies damit, dass er ‚nie in einer solchen Situation‘ gewesen sei. Beide Autoren beschreiben also die fehlende Fähigkeit, sich in schwangere Frauen hineinzuversetzen.
Aus dieser Aussage heraus speist sich die Deagentivierung von Männern in Bezug auf eine Abtreibungsentscheidung. Frauen wird mit Aussagen wie „Keine Frau sollte sich mit so einer Entscheidung allein gelassen fühlen, auch wenn es am Ende ihre Entscheidung bleibt.“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 7) die Handlungsmacht zugeschrieben. Mit dem besitzanzeigenden Wort ‚ihre‘ macht der Autor deutlich, dass der ‚Frau‘ die Entscheidungsgewalt eigen ist.
Auch bei den anderen Autoren lässt sich diese Agentivität der Frau finden. So schreibt der Autor des Textes „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“: „Die Frau muss ihre Entscheidung innerhalb der ersten zwölf Wochen auch nicht weiter erklären.“ (Artikel 3 „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“, Absatz 11) Auch hier wird durch das besitzanzeigende Wort ‚ihre‘ ‚die Frau‘ agentiviert. Auch im vierten Text spricht der Autor von „Frauen“, die eine „Abtreibung vornehmen […] lassen“ (Artikel 4: „Paragraf 219a - Ein reiner Symbolstreit“, Absatz 11). Männer werden somit von allen Autoren in Bezug auf eine Abtreibungsentscheidung deagentiviert, indem die Entscheidungsmacht über einen Schwangerschaftsabbruch allein Frauen zugeschrieben wird.
In den vier Beiträgen lassen sich eine Fülle an unterschiedlichen sprachlich-kommunikativen Phänomenen finden, die auf der ‚wie‘-Ebene zur Bedeutung der Inhalte beitragen. Aus Platzgründen können hier nur einzelne dieser Thematisierungsregeln beschrieben werden.
Eine wiederkehrende Darstellungsform ist die Verwendung von Metaphern zur Beschreibung des Abtreibungsdiskurses. Diese lassen sich oft einer Kampfsport- oder Kriegsthematik zuordnen. So wird in einem Beitrag geschrieben: „Die Koalition ringt um eine Lösung […]“ (Artikel 4: „Paragraf 219a - Ein reiner Symbolstreit“, Absatz 4). In einem anderen Artikel wird der Abtreibungsdiskurs als „Kampf“ (Artikel 3 „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“, Absatz 6) beschrieben. Ein weiterer Autor schreibt, dass es sich für die Perspektive des ungeborenen Lebens „zu kämpfen“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 7) lohne. Im vierten Text wird die Debatte als ‚aufgeheizt‘ beschrieben (vgl. Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 7).
Diese Metaphern erzeugen in allen Beiträgen den Eindruck, dass der Diskurs von Aggressivität geprägt ist. Um die Deutungshoheit im Diskurs zu erlangen verwenden verschiedene Akteur*innen demnach viel Kraft. Kompromisse scheinen in einem Kampf ausgeschlossen.
Eine weitere Thematisierungsregel ist der häufige Wechsel des verwendeten Pronomens der Autoren. So wechselt der Autor des Beitrags „Liebe Männer, sind wir zu leise?“ häufig zwischen den Formen ‚ich‘ und ‚wir‘. Wie bereits anhand der Überschrift des Artikels zu erkennen ist. Mit der Frage „Liebe Männer, sind wir zu leise? “ (Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 1), werden einerseits Männer adressiert, andererseits findet eine Kollektivierung aller Männer statt, in die sich der Autor selber einschließt. Im Verlauf des Textes wechselt er häufig zwischen der ‚ich‘ und ‚wir‘ Form. So stellt er beispielsweise fest: „Ich finde die Begründung für das Werbeverbot absurd […]“ (Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 3), und beschreibt somit seine eigene Haltung ohne andere Männer direkt einzuschließen. Später spricht er jedoch wiederrum vom der „Verantwortung von uns Männern“ (Artikel 1 „Liebe Männer, sind wir zu leise?“, Absatz 5), womit erneut alle Männer eingeschlossen werden.
Ein weiterer Autor wechselt ebenfalls die Perspektive. Dabei verwendet er hauptsächlich das Pronomen ‚ich‘ spricht jedoch in dem Satz „Dabei tragen wir alle Verantwortung.“ (Artikel 2 „Ein Apell FÜR das Leben - auch das ungeborene, Absatz 7) einem unbestimmten Kollektiv Verantwortung zu, zu dem er sich selbst ebenfalls zählt.
Der Autor des Artikels „Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“ verwendet hingegen lediglich das ‚ich‘ als Pronomen, während der Autor des Textes „Paragraf 219a – Eine reine Scheindebatte“ keine Personalpronomen als Erzählperspektive verwendet.
Diese zwei unterschiedlichen Arten der Verwendung von Perspektiven, also der Wechsel zwischen einer ‚ich‘- und ‚wir‘- Perspektive und einer kontinuierlichen Perspektive geht mit weiteren Merkmalen der Beiträge einher. So werden in den Texten mit einem Perspektivwechsel die Leser*innen direkt angesprochen. Dies geschieht durch die Einbeziehung der Leser*innen mithilfe der ‚wir‘-Perspektive. Diese Form der Textgestaltung hat eine emotionalisierende Wirkung. Gerade der Text „Paragraph 291a – eine reine Symboldebatte“, in welchem der Autor keine Personalpronomen verwendet wirkt demgegenüber sachlich.
In den vier zur Analyse herangezogenen Beiträgen konnten trotz großer inhaltlicher Unterschiede und verschiedener Standpunkte parallele Motive und Thematisierungsregeln gefunden werden. Ein zentrales Motiv bildet dabei die selbst-Agentivierung der Autoren in Bezug auf eine normendefinierende Handlungsmacht im Abtreibungsdiskurs bei gleichzeitiger Deagentivierung im Hinblick auf die Entscheidungen bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs. Vor dem Hintergrund der Forschungsfrage lässt sich darum sagen, dass sich die vier Autoren eine normendefinierende Rolle im Abtreibungsdiskurs zusprechen. Dies geschieht losgelöst von Abtreibungsentscheidungen selbst, da die Agentivität dort Frauen zugesprochen wird.
Die herausgearbeitete Thematisierungsregel der wechselnden Perspektive in Form der Pronomen ‚ich‘ und ‚wir‘ belegen, dass einige Autoren diese normative Handlungsmacht auch anderen Männern zusprechen. Eine Entscheidungsmacht für oder gegen eine Abtreibung wurde in keinem der Texte einen Mann zugesprochen. Außerdem wird der Diskurs in allen Beiträgen durch die Verwendung von Metaphern als aggressiv und die Akteur*innen als eher wenig kompromissbereit dargestellt.
Aussagekräftige Zusammenhänge zwischen der Art der Normen, die mithilfe der Beiträge konstruiert wurden und sprachlicher Mittel lassen sich aufgrund der geringen Fallzahl nicht finden. Es ist jedoch erstaunlich, dass die männlichen Autoren in ihren Beiträgen eine sehr homogene Vorstellung ihrer Rolle im Abtreibungsdiskurs darstellen, liegen sie inhaltlich doch weit auseinander.
Weitergehende Untersuchungen könnten an dieser Stelle erforschen, worin sich dieses Verständnis der männlichen Rolle als normendefinierend bei gleichzeitiger Entscheidungsunmächtigkeit begründet. Außerdem könnten in weiteren Studien die unterschiedlichen Macht- und Verantwortungsbereiche von Männern und Frauen bezüglich reproduktiver Entscheidungen auf Grundlage dieses Forschungsprojektes untersucht werden.
Die Methode des integrativen Basisverfahrens hat sich als fruchtbar für die Analyse der Kolumnen und Kommentare erwiesen. Aufgrund des komplexen Aufbaus und dem hohen Zeitaufwand konnte jedoch mit vier Beiträgen nur eine geringe Zahl an Fällen in die Analyse aufgenommen werden. Die Aussagekraft des Forschungspraktikums beschränkt sich darum lediglich auf einen sehr kleinen Bereich des Diskurses. Durch die Aufnahme weiterer beispielsweise weiblicher Autor*innen hätte sich Aussagekraft auf weitere Bereiche des Diskurses erweitern lassen und so eine tiefergehende Beantwortung der Forschungsfrage ermöglicht.
Einige Bereiche der von Keller vorgeschlagenen Diskursanalyse konnten in diesem Forschungsprojekt nicht betrachtet werden. Vor allem die Kontextdimensionen, in denen die Beiträge entstanden wurden nicht in die Analyse einbezogen (vgl. Keller 2011: 100). Die Untersuchung dieser hätten Informationen zu Zusammenhängen zwischen den Autoren, den Medien in denen ihre Beiträge erschienen und ihren Positionierungen liefern können.
Trotz der genannten Limitierungen konnten mithilfe der Diskursanalyse erste Rollenvorstellungen von Männern im Abtreibungsdiskurs erarbeitet werden. Durch weitere Forschungsarbeit kann dieses Wissen ausgebaut werden.