Wenn der Begriff der Solidarität untersucht wird, gibt es meist unterschiedliche Ansätze und Theorien. Solidarität gibt es dabei nicht im Singular, sondern wird im Plural verwendet. Die folgenden drei Arten der Solidaritäten haben alle unterschiedliche „Gewichtungen und Schattierungen“ (Bargetz et al. 2019: 11) über das Verständnis von Solidarität (vgl. Bargetz et al. 2019: 11).
In den letzten Jahren stiegen die Fragen mach der Bedeutung der politischen Solidarität. Dies lässt sich vor allem auf die weltweiten Transformationsprozesse zurückführen. Hierbei gibt es sowohl Bewegungen, die sich auf Solidarität berufen, wie zum Beispiel rechtsextreme Gruppierungen, als auch Bewegungen wie #MeToo oder #BlackLivesMatter. Das eine zielt auf Exklusion ab, das andere auf Inklusion.
Die Vorstellung ist, dass bei der transnationalen feministischen Solidarität alles einheitlich ist. Es gibt „einen gemeinsamen Kampf für eine gemeinsame Sache“ (vgl. Bargetz et al. 2019: 10). Denn Solidarität sollte unter dem Punkt betrachtet werden, dass es immer unterschiedliche politische Positionen geben wird und diese sich dann in Kontaktzonen treffen. Außerdem muss erkannt werden, dass Solidarität nur im Plural möglich ist. Denn jede Frau hat andere Bedingungen, mit der sie arbeiten kann (vgl. Bargetz et al. 2019: 10f.).
Laut bell hooks ist „Solidarität mit Konflikt, Verantwortung und dem Willen zum wechselseitigen Verständnis verbunden“ (vgl. Bargetz et al. 2019: 11). Jedoch ist der Kampf gegen das Patriarchat und den Sexismus gerichtet. Dabei will man sich nicht auf einen Feind beschränken, sondern eher auf eine gemeinsame Sache fokussieren (vgl. Bargetz et al. 2019: 11f.).
Ein Merkmal, welches die politische Solidarität auch aus macht ist, ist die Freiwilligkeit (vgl. Bargetz et al. 2019: 12).
Allumfassend lässt sich sagen, dass politische Solidarität bedeutet: „Forderungen nicht aus den besonderen Eigenschaften der Anderen oder besonderen Erfahrungen mit ihnen abzuleiten, sondern aus dem, was wir mit ihnen teilen, ohne dass es uns oder ihnen alleine gehört“ (Hark et al. 2015: 99) .
Auch die Solidarität hat eine affektive Dimension. Mit den Vorurteilen, dass Gefühle eine Gefahr für das Handeln der Feministin:innen weltweit ist, kann aber die Affektivität auch eine Grundlage für die Solidarität sein (vgl. Bargetz et al.: 19)
Missverständnisse können dabei auf der Identität oder durch das Vergessen der eigenen Macht von zum Beispiel von „westlichen“ Feminist:innen basieren. Doch durch Dialog kann dies gelöst werden. Zudem können sich Gefühle sich positiv auf solch eine Bewegung auswirken. Zum Beispiel durch das Gefühl der Unzufriedenheit oder der „Sehnsucht nach Veränderung“ (Bargetz et al. 2019: 20). Diese Gefühle können zur Grundlage der feministischen Solidarität werden und durch Kommunikation hat es Potenzial für feministische Zusammenschlüsse (vgl. Bargetz et al.: 2019: 19f.):
Es soll betont werden, dass eine Romantisierung der Gefühle verhindert werden muss. Denn die Absicherung der privilegierten Menschen durch das Gefühl „Mitleid“ ist kontraproduktiv. Eine feministische Solidarität wird gefährdet durch Mittäter der Herrschaftsstrukturen, die vom Eurozentrismus ausgehen. Durch die Gefühle geben sie nur vor, solidarisch gegenüber Frauen im globalen Süden zu sein (vgl. Bargetz et al. 2021: 5).
Marisol de la Cadana betont die Aufgabe der Kosmopolitik.
Die Welt ist in unterschiedliche Teile unterteilt, die sich stark unterscheiden können. Sie sind sie miteinander verknüpft. Man sollte dennoch die Unterschiede erkennen und sie annehmen, wie sie sind (vgl. Leinius 2019: 83)
Leinius (vgl. 2019: 84ff.) gibt drei Voraussetzungen für die kosmopolitische Solidarität an. Dabei soll auf die Haltung gegenüber anderen Gruppen geachtet werden. Diese Argumentation geschieht aus der Perspektive des postkolonialen Feminismus.
Die Ziehung von Grenzen bei globalen feministischen Kämpfen scheint wie ein Anachronismus in postkolonialen feministischen Schriften. Denn die postkolonialen Feminist:innen kritisieren die Aspekte der Grenzen. Jedoch betonen sie, dass die Solidarität eine Entscheidung ist. Den Ausgangspunkt für das gemeinsame Kämpfen und der Solidarität definieren die postkolonialen Feminist:innen anders. Geteilte Motivation und geteilte Erfahrung von Ausgrenzung sind nur ein Teil der genannten Punkte (vgl. Leinius 2019: 84f.).
Insgesamt geht es nicht um die Grenzen gegenüber eines gemeinsamen Feindes, sondern um die „Interdependenz emanzipatorischer Kämpfe“ (Leinius 2019: 85).
Kosmopolitische Solidarität basiert auf einem gemeinsamen Grund. Dieser wird durch den Dialog miteinander verbunden. Man muss dabei erkennen, dass das eigene Wissen nur partiell ist. Seine eigenen Erfahrungen und das Streben nach einer Dezentrierung soll einem bewusst werden (vgl. Leinius 2019: 86f.).
Das Ziel der kosmopolitischen Solidarität ist es nicht nur mit dem Verstehen der anderen Gruppen verbunden, sondern die Dinge, die einen trennen, zu überwinden. Vorausgesetzt muss hierbei sein, die Interdependenz anzuerkennen. Das bedeutet aber nicht gleich, dass die Differenz damit überwunden wird. Eine Möglichkeit, dies aber zu erreichen ist, die Imagination. Sie hilft dabei, die Kluft zu unterschiedlichen Gruppen vielleicht nicht zu bewältigen, sie kann jedoch der „Inkommensurabilität“ (Leinius 2019: 88) hinzugefügt werden (vgl. Leinius 2019: 88). Man muss erkennen, dass die Kluft zwischen den Menschen nicht überwunden werden kann. Durch die Imagination ist eine Annäherung möglich.
Selbst wenn alle Punkte erreicht werden könne, gibt es immer noch keine Garantie dafür, dass ein Ausschluss gesichert ist. Ein Grund dafür ist, dass bestimmte Machtkonstruktionen immer noch wirken können und Binarität und Hierarchisierungen bestehen bleiben. Deswegen ist es entscheidend, solche Strukturen zu hinterfragen und sich den Differenzen hinwegzusetzen (vgl. Lenius 2019: 84).
Bargetz, B., Scheele, A., & Schneider, S. (2019). Umkämpfte Solidaritäten. Einleitung. Femina Politica–Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 28(2), 9-25.
Bargetz, B., Scheele, A., & Schneider, S. (2021). Feministische Solidaritäten als dynamische Prozesse. Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020, 1-9.
Hark, S., Jaeggi, R., Kerner, I., Meißner, H., & Saar, M. (2015). Das umkämpfte Allgemeine und das neue Gemeinsame. Solidarität ohne Identität. feministische studien, 33(1), 99-103.
Leinius, J. (2019). Feministische Solidarität als Kosmopolitik. Femina Politica–Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 28(2), 81-94.
Lorde, A. (1984). The Uses of Anger. In: Lorde, Audre: Sister Outsider: Essays and Speeches. Berkeley, 124-133.