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lv-wikis-oeffentlich:pda19:aerzt_innen [2021/07/27 11:57] – [Analyse und Auswertung] ag512 | lv-wikis-oeffentlich:pda19:aerzt_innen [2021/07/27 12:00] (aktuell) – [Fazit] ag512 |
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Aus dem ausgewerteten Datenmaterial wird deutlich, dass der wirkmächtigste Faktor zur Beeinflussung der persönlichen Beweggründe für oder gegen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen, die **moralische Normierung von Schwangerschaftsabbrüchen** ist. Diejenigen, die sich aktiv für die Durchführung entschieden haben argumentieren insbesondere mit der Verwirklichung der **körperlichen Selbstbestimmung von Frauen**, was als essentieller politischer und praktischer Beitrag zur Gesellschaft verstanden wird. Zudem wird moralisch im Bezug an die "Aufgaben als Gynäkolog_in" an die Kolleg_innen apelliert, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. | Aus dem ausgewerteten Datenmaterial wird deutlich, dass der wirkmächtigste Faktor zur Beeinflussung der persönlichen Beweggründe für oder gegen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen, die **moralische Normierung von Schwangerschaftsabbrüchen** ist. Diejenigen, die sich aktiv für die Durchführung entschieden haben argumentieren insbesondere mit der Verwirklichung der **körperlichen Selbstbestimmung von Frauen**, was als essentieller politischer und praktischer Beitrag zur Gesellschaft verstanden wird. Zudem wird moralisch im Bezug an die "Aufgaben als Gynäkolog_in" an die Kolleg_innen apelliert, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. |
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Darüber hinaus gibt es unter den Interviewten Ärzt_innen zudem Sprecher_innen, die sich nicht aktiv für die Durchführung entschieden haben, sondern durch ihren Arbeitsalltag in der Chirurgie und oder Gynäkologie, durch ihren Arbeitgeber "gezwungen"((Interessanterweise entsteht dieser "Zwang" nicht anhand rechtlicher Gesetzesnormen, durch welche die Ärzt_innen in Form einer bindenden Arbeitszuweisung zur Durchführung verpflichtet wären, sondern einerseits durch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der sozialen Sanktionierung durch Kolleg_innen)) waren. Die Darstellungen dieser Tatsache, liest sich entweder sehr nüchtern und sachlich, oder als starke Rechtfertigung mit Hinweis auf die Konsequenz den Arbeitgeber zu wechseln. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass die moralische Argumentation insbesondere nach außen gerichtet ist, um die aktive Entscheidung, unabhängig ihres Ausgangs, **nach außen zu rechtfertigen**. | Darüber hinaus gibt es unter den Interviewten Ärzt_innen zudem Sprecher_innen, die sich nicht aktiv für die Durchführung entschieden haben, sondern durch ihren Arbeitsalltag in der Chirurgie und oder Gynäkologie, durch ihren Arbeitgeber "gezwungen"((Interessanterweise entsteht dieser "Zwang" nicht anhand rechtlicher Gesetzesnormen, durch welche die Ärzt_innen in Form einer bindenden Arbeitszuweisung zur Durchführung verpflichtet wären, sondern einerseits durch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der sozialen Sanktionierung durch Kolleg_innen.)) waren. Die Darstellungen dieser Tatsache, liest sich entweder sehr nüchtern und sachlich, oder als starke Rechtfertigung mit Hinweis auf die Konsequenz den Arbeitgeber zu wechseln. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass die moralische Argumentation insbesondere nach außen gerichtet ist, um die aktive Entscheidung, unabhängig ihres Ausgangs, **nach außen zu rechtfertigen**. |
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Die Darstellungen der Beweggründe keine Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen lassen sich auf verschiedene Arten lesen. Die eine spricht die** Emotionen der Lesenden** an, indem der Abbruch mithilfe einer bildlichen Darstellung, sowie der dabei empfundenen Emotionen beschrieben wird. Zentrale begriffliche Elemente sind im Bezug auf den Fötus// "Embryo / Kind / kleiner Mensch"// als etwas //"Lebendes / Lebendiges / sich in Entwicklung Befindendes"//, sowie die aktive Handlung des //"Absaugens"//. Gleichzeitig beziehen sich die Ärzt_innen auf ihre **individuelle Entscheidungsfreiheit** durch den Bezug auf "ihr Gewissen", sowie die Wahrung der eigenen "Grenzen". Die Sprechenden betonen zudem, dass dieser Eingriff für niemanden "leicht" ist, oder nehmen sogar auf ein "schlechtes Gewissen" gegenüber den durchführenden Kolleg_innen Bezug und positionieren sich ebenfalls positiv gegenüber der freien Wahl von Schwangeren für einen Schwangerschaftsabbruch. Die nicht-durchführenden Ärzt_innen wirken emotional zerrissen und spielen auf das eigene Gewissen an. Ihr **innerer Widerspruch** wird sehr deutlich in der Art und Weise wie der Text aufgebaut und wie stark emotional argumentiert wird. Es scheint, als hätten sie ein **schlechtes Gewissen den Schwangeren und ihren Kolleg_innen gegenüber**, weil sie Abtreibungen einerseits politisch befürworten, die nicht-durchführung jedoch nur anhand der eigenen „emotionalen Schwäche“ begründen können. | Die Darstellungen der Beweggründe keine Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen lassen sich auf verschiedene Arten lesen. Die eine spricht die** Emotionen der Lesenden** an, indem der Abbruch mithilfe einer bildlichen Darstellung, sowie der dabei empfundenen Emotionen beschrieben wird. Zentrale begriffliche Elemente sind im Bezug auf den Fötus// "Embryo / Kind / kleiner Mensch"// als etwas //"Lebendes / Lebendiges / sich in Entwicklung Befindendes"//, sowie die aktive Handlung des //"Absaugens"//. Gleichzeitig beziehen sich die Ärzt_innen auf ihre **individuelle Entscheidungsfreiheit** durch den Bezug auf "ihr Gewissen", sowie die Wahrung der eigenen "Grenzen". Die Sprechenden betonen zudem, dass dieser Eingriff für niemanden "leicht" ist, oder nehmen sogar auf ein "schlechtes Gewissen" gegenüber den durchführenden Kolleg_innen Bezug und positionieren sich ebenfalls positiv gegenüber der freien Wahl von Schwangeren für einen Schwangerschaftsabbruch. Die nicht-durchführenden Ärzt_innen wirken emotional zerrissen und spielen auf das eigene Gewissen an. Ihr **innerer Widerspruch** wird sehr deutlich in der Art und Weise wie der Text aufgebaut und wie stark emotional argumentiert wird. Es scheint, als hätten sie ein **schlechtes Gewissen den Schwangeren und ihren Kolleg_innen gegenüber**, weil sie Abtreibungen einerseits politisch befürworten, die nicht-durchführung jedoch nur anhand der eigenen „emotionalen Schwäche“ begründen können. |
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== 4. Reproduktive Rechte von potentiell Gebärenden, eine lange Geschichte == | == 4. Reproduktive Rechte von potentiell Gebärenden, eine lange Geschichte == |
In der Frage um die reproduktiven Rechte von Gebärenden ((Mit der Bezeichnung sollen alle Menschen, unabhängig ihrer Geschlechtsidentität gemeint sein, die aufgrund eines vorhandenen Uterus in der Lage sind Kinder zu gebären. Potentiell deshalb, weil gesellschaftliche Normen, rechtliche Einschränkungen und Rollenzuschreibungen alle weiblich gelesenen Menschen betreffen, diese jedoch nicht zwangsläufig auch den gesellschaftlichen Erwartungen nachkommen wollen oder können)) sind sich die befragten Ärzt_innen einig und positionieren sich auch öffentlich dazu: Die betroffene schwangere Person, sollte die volle Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper haben. Die durchführenden Ärzt_innen argumentieren insbesondere auf politischer Ebene, um die langwierige feministische Forderung nach der gesetzlichen Selbstbestimmung über den Schwangerschaftsabbruch zu unterstützen. Dabei wird sich sowohl auf den historischen Verlauf der gesetzlichen Regelungen, insbesondere innerhalb des deutschen Faschismus, als auch auf eine dahinter stehende patriarchale Ideologie bezogen, welche die Grundlage für die staatliche "Bevormundung" und Einschränkung von reproduktiven Rechten ist. Hierbei werden die Regelungen in Deutschland und Österreich als besonders restriktiv eingeschätzt und positive Gegenbeispiele wie Regelungen in Frankreich oder Kanada benannt. Eine zentrale Frage innerhalb des Diskurses ist dabei, in wie weit sich der Staat mit seinen gesetzlichen Regelungen in die reproduktive Selbstbestimmung von potentiell Gebärenden einmischen sollte, da dies als Form der bevölkerungspolitischen Kontrolle unmittelbar am Individuum gesehen werden kann. In wie weit, dies als kritisches Unterfangen eingeschätzt werden kann, zeigt sich historisch immer dann, wenn über gesetzliche Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen versucht wurde bevölkerungspolitische Maßnahmen ((Als Beispiel lässt sich hier die Zeit des deutschen Faschismus nennen, wo einerseits durch das strikte Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und propaghandistischer Maßnahmen "arische Frauen" zur Geburt von Kindern gezwunden werden sollten und gleichzeitig durch Zwangssterilisationen und Zwangsabbrüche inhaftierte und Zwangsarbeiter_innen einer gesellschaftlichen Vielfalt entgegengewirkt werden sollte)) durchzusetzen. | In der Frage um die reproduktiven Rechte von Gebärenden ((Mit der Bezeichnung sollen alle Menschen, unabhängig ihrer Geschlechtsidentität gemeint sein, die aufgrund eines vorhandenen Uterus in der Lage sind Kinder zu gebären. Potentiell deshalb, weil gesellschaftliche Normen, rechtliche Einschränkungen und Rollenzuschreibungen alle weiblich gelesenen Menschen betreffen, diese jedoch nicht zwangsläufig auch den gesellschaftlichen Erwartungen nachkommen wollen oder können.)) sind sich die befragten Ärzt_innen einig und positionieren sich auch öffentlich dazu: Die betroffene schwangere Person, sollte die volle Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper haben. Die durchführenden Ärzt_innen argumentieren insbesondere auf politischer Ebene, um die langwierige feministische Forderung nach der gesetzlichen Selbstbestimmung über den Schwangerschaftsabbruch zu unterstützen. Dabei wird sich sowohl auf den historischen Verlauf der gesetzlichen Regelungen, insbesondere innerhalb des deutschen Faschismus, als auch auf eine dahinter stehende patriarchale Ideologie bezogen, welche die Grundlage für die staatliche "Bevormundung" und Einschränkung von reproduktiven Rechten ist. Hierbei werden die Regelungen in Deutschland und Österreich als besonders restriktiv eingeschätzt und positive Gegenbeispiele wie Regelungen in Frankreich oder Kanada benannt. Eine zentrale Frage innerhalb des Diskurses ist dabei, in wie weit sich der Staat mit seinen gesetzlichen Regelungen in die reproduktive Selbstbestimmung von potentiell Gebärenden einmischen sollte, da dies als Form der bevölkerungspolitischen Kontrolle unmittelbar am Individuum gesehen werden kann. In wie weit, dies als kritisches Unterfangen eingeschätzt werden kann, zeigt sich historisch immer dann, wenn über gesetzliche Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen versucht wurde bevölkerungspolitische Maßnahmen ((Als Beispiel lässt sich hier die Zeit des deutschen Faschismus nennen, wo einerseits durch das strikte Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und propaghandistischer Maßnahmen "arische Frauen" zur Geburt von Kindern gezwunden werden sollten und gleichzeitig durch Zwangssterilisationen und Zwangsabbrüche inhaftierte und Zwangsarbeiter_innen einer gesellschaftlichen Vielfalt entgegengewirkt werden sollte.)) durchzusetzen. |
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==== Fazit ==== | ==== Fazit ==== |
Es lässt sich feststellen, dass die Entscheidung von Ärzt_innen für oder gegen die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs enorm davon abhängig ist, durch welche gesellschaftlichen Diskurse sie politisch und beruflich geprägt werden. Die Bilder und Normen, die insbesondere auf den Fötus / Embryo produziert werden und die persönliche Annahme durch die Ärzt_innen sind ausschlaggebend für deren individuelle Entscheidung. Unabhängig davon wie der Komplex des Schwangerschaftsabbruchs politisch eingeschätzt wird, basieren die Argumente der nicht-durchführenden Ärzt_innen in der Öffentlichkeit auf den eigenen Emotionen und der moralischen Vorstellung davon zur Täter_in zu werden, in dem ein "menschliches Leben" beendet wird. Die Argumentation der durchführenden Ärzt_innen basieren wiederum ausschließlich auf politischer Ebene. Der Diskurs über Schwangerschaftsabbrüche durch in der Gynäkologie tätige Ärzt_innen erscheint nicht als politisches Kampffeld, sondern als grundlegende Auseinandersetzung mit den individuellen Grenzen in der medizinischen Tätigkeit, die durch gesellschaftliche Normierungen und die individuelle und berufliche Sozialisation geprägt ist. Aufgrund der moralischen, philosophischen und politischen Diskurse, die sich im Hintergrund des gesamten Themenkomplexes bewegen, kommt es auch zu massiven Widersprüchen innerhalb der öffentlichen Positionierungen der nicht-durchführenden Ärzt_innen. Die massive Verantwortung und Idealisierung des Berufes, die gesellschaftlich an Ärzt_innen übertragen wird, sowie der Kampf um die Deutungshoheit im Diskurs zu Schwangerschaftsabbrüchen zeigt sich auch an der breiten Anonymisierung der Sprecher_innen. Deutlich wird, dass die Diskurse und deren reale Konsequenzen für Ärzt_innen, die Basis für die individuelle Entscheidung zur Durchführung bilden. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass unabhängig der verschiedensten beteiligten Akteur_innen, die Durchsetzung des momentan eingeschränkten Rechts ((Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nicht legal, aber strafffrei, wenn die Bedingungen des [[https://dejure.org/gesetze/StGB/218a.html|§ 218 StGB]] erfüllt sind)) auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung von potentiell Gebärenden mit der Entscheidung von Ärzt_innen steht und fällt. | Es lässt sich feststellen, dass die Entscheidung von Ärzt_innen für oder gegen die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs enorm davon abhängig ist, durch welche gesellschaftlichen Diskurse sie politisch und beruflich geprägt werden. Die Bilder und Normen, die insbesondere auf den Fötus / Embryo produziert werden und die persönliche Annahme durch die Ärzt_innen sind ausschlaggebend für deren individuelle Entscheidung. Unabhängig davon wie der Komplex des Schwangerschaftsabbruchs politisch eingeschätzt wird, basieren die Argumente der nicht-durchführenden Ärzt_innen in der Öffentlichkeit auf den eigenen Emotionen und der moralischen Vorstellung davon zur Täter_in zu werden, in dem ein "menschliches Leben" beendet wird. Die Argumentation der durchführenden Ärzt_innen basieren wiederum ausschließlich auf politischer Ebene. Der Diskurs über Schwangerschaftsabbrüche durch in der Gynäkologie tätige Ärzt_innen erscheint nicht als politisches Kampffeld, sondern als grundlegende Auseinandersetzung mit den individuellen Grenzen in der medizinischen Tätigkeit, die durch gesellschaftliche Normierungen und die individuelle und berufliche Sozialisation geprägt ist. Aufgrund der moralischen, philosophischen und politischen Diskurse, die sich im Hintergrund des gesamten Themenkomplexes bewegen, kommt es auch zu massiven Widersprüchen innerhalb der öffentlichen Positionierungen der nicht-durchführenden Ärzt_innen. Die massive Verantwortung und Idealisierung des Berufes, die gesellschaftlich an Ärzt_innen übertragen wird, sowie der Kampf um die Deutungshoheit im Diskurs zu Schwangerschaftsabbrüchen zeigt sich auch an der breiten Anonymisierung der Sprecher_innen. Deutlich wird, dass die Diskurse und deren reale Konsequenzen für Ärzt_innen, die Basis für die individuelle Entscheidung zur Durchführung bilden. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass unabhängig der verschiedensten beteiligten Akteur_innen, die Durchsetzung des momentan eingeschränkten Rechts ((Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nicht legal, aber strafffrei, wenn die Bedingungen des [[https://dejure.org/gesetze/StGB/218a.html|§ 218 StGB]] erfüllt sind.)) auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung von potentiell Gebärenden mit der Entscheidung von Ärzt_innen steht und fällt. |