Diversität beschreibt im Personalmanagement die vielfältige sozio-demografische Zusammensetzung der Belegschaft eines Unternehmens oder einer Institution.1)
Eine diverse Belegschaft wird zum einen als ‚Herausforderung‘ betrachtet. Die Betriebswirtschaftswissenschaftler Bernd-Friedrich Voigt und Dieter Wagner erklären, dass es zu „Koordinations- und Konfliktverlusten durch die Integration von Heterogenität“2) käme. Diese Annahme wird auch als Prozesshypothese beschrieben.
Zum anderen soll ein Unternehmen durch eine diverse Belegschaft einen Wettbewerbsvorteil bekommen. Diese Annahme wird als value-in-diversity Hypothese bezeichnet.3)
Die Arbeitgeber:inneninitative Charta der Vielfalt listet drei Bereiche auf, in denen Diversität als Wettbewerbsvorteil wirkt:
Die Charta der Vielfalt ist eine von Arbeitgeber:innen im Dezember 2006 gegründet deutsche Initiative, die die „Vielfalt in Unternehmen und Institutionen“7) fördern möchte. Bislang haben 4700 Unternehmen und Institutionen die Selbstverpflichtung unterzeichnet.
Ein Kritikpunkt an der Initiative ist die Freiwilligkeit. Unternehmen könnten die Charta unterschreiben, um ihr Image zu verbessern, ohne dabei tatsächlich etwas zu verändern.8) Des Weiteren ist auch die unklar, wie viel die Charta der Vielfalt bewirkt und ob sie über die unterzeichnenden Unternehmen und Institutionen hinweg tatsächlich zu „Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Diversity“9) führt, da es bisher keine unabhängige Untersuchung gibt.
Diversität im Personalmanagement hatte nicht immer eine kapitalistische Fokussierung.
Ihr Ursprung liegt in der US-Amerikanischen Bürger:innenrechtsbewegung, die die Gleichberechtigung von Afroamerikaner:innen forderten.
Der Kommunikationswissenschaftler Florian Feuser erklärt die Umbewertung als Ergebnis „einer komplexen Gemengelage aus sich verändernden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So konnten Unternehmen, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen übertrafen, öffentlichkeitswirksam Reputation gewinnen, die insbesondere vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Marktverständnisses zunehmend an Bedeutung gewann. Mit dem Paradigmenwechsel hin zu einem Käufermarkt gelangten auch die Ansprüche und Bedürfnisse von Randgruppen als interessante Zielgruppen in den Fokus. Gleichzeitig führte zunehmende Internationalisierung zu einer Veränderung der Sichtweisen. Unternehmen wurden hinsichtlich der Bedeutung interkultureller Unterschiede sensibilisiert, womit potenzielle Vorteile von Diversität in den Fokus rückten.“10)
An der Konzeption von Diversität im Personalmanagement gibt es verschiedene Kritikpunkte.
Ein Kritikpunkt ist, dass ein ethisches Gerechtigkeitsverständnis hier in eine unpolitische Form und eine neue kapitalistische Verwertungslogik verwandelt wird.
Vor allem Diversität als Forschungsansatz kritisiert dieses Art der Verwendung.Auch weil die Produktion von Differenzierungslinien und Ungerechtigkeiten durch den Kapitalismus in diesem Modell unterhinterfragt bleiben.11)
Außerdem wird vom Standpunkt der Diversität als Forschungsansatz kritisiert, dass Diversität im Personalmanagement als etwas Neues betrachtet wird.12)
Damit werden die Entstehungsprozesse von Homogenität, Machtstrukturen und Hierarchisierungen übersehen, denn der Forschungsansatz betrachtet Diversität als ‚Normalzustand‘ und Homogenität als Ergebnis von gesellschaftlichen Prozessen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Makrostrukturen, zum Beispiel soziale oder politische Kräfte, ignoriert werden.
Die Organisationswissenschaftlerin Deborah Litvin erklärt, dass gerade diese Makrostrukturen Einfluss auf die individuelle Lebensgestaltung nehmen. Ihre Ignoranz „verleugnet den übergreifenden Einfluss von Makro-Kräften und produziert eine einseitig fokussierte, ahistorische und dekontextualisierte Sichtweise von […] Individuen.“ 13) (Eigene Übersetzung.)
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Diversität im Personalmanagement über Gruppenzugehörigkeit definiert wird.
Diese Konzeption führt dazu, dass Unterschiede zwischen Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu einer Kategorie erklärt werden.14) Das führt, ähnlich wie beim
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu einer Essentialisierung.
Ein Beispiel für die Essentialisierung ist ein Online-Beitrag auf der Webseite Personal-Wissen.de, die zu der Marketingunternehmensberatung B2B Insider gehört.
Hier heißt es:
„Im Grunde genommen führen Frauen ähnlich wie Männer: Sie wenden dieselben Techniken und Führungsstile an. Dennoch gibt es Unterschiede, die im persönlichen Wertesystem begründet liegen und vor allem bei der Prioritätensetzung zu Tage treten. Männliche Führungskräfte arbeiten eher zahlenorientiert, legen Wert auf Investitionen und Finanzen und bauen ihre Instrumente zur Mitarbeitermotivation auf Statussymbolen und monetären Anreizen auf. Weibliche Führungskräfte legen den Fokus eher auf eine hohe Mitarbeitermotivation [sic!] und wenden hierfür abweichende Instrumente an, beispielsweise indem sie ihren Mitarbeitenden Verantwortung übertragen und Karrierechancen eröffnen.
Doch wer führt nun besser, Frauen oder Männer? Auf dem Hintergrund der Gender Diversity spielt das keine Rolle. Sie will nämlich die Stärken beider Geschlechter nutzbar machen. Die Führungskräfte können gegenseitig voneinander lernen und so die Führungskultur bereichern.“15)
Abgesehen davon, dass dieser Beitrag Heteronormativität reproduziert, legt er nahe, dass das Geschlecht einer Person über ihren Führungsstil entscheidet. Die Ausbildung und der berufliche Werdegang, Vorbilder, der Charakter einer Person, Erfahrungen, die Unternehmensbedingungen etc. produzieren demnach nicht den Führungsstil, sondern allein das Geschlecht.
Dass dies nicht haltbar ist, zeigt sich zum Beispiel, wenn man den Führungsstil der ehemaligen rbb Intendantin Patricia Schlesinger anschaut. Sie setzte auf Statussymbole und monetäre Anreize - Ein Führungsstil, den sie laut dieser Beschreibung aufgrund ihres Geschlechts, nicht haben könnte.16)
Aus diesen Ausführungen lassen sich folgende Merkmale des Diversitätsbegriffs im Personalmanagement ableiten: