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Überflussgesellschaft (Galbraith)

Der Ökonom John Kenneth Galbraith zeichnet in seinen Schriften „Gesellschaft im Überfluß“ (Orig. The Affluent Society) und „Die moderne Industriegesellschaft“ (Orig. The new industrial state) die Grundzüge einer Gesellschaft, die geprägt ist durch wirtschaftlichen Überfluss. Galbraiths Fokus liegt dabei auf der Bedeutung dieser Wirtschaft des Überflusses für die amerikanische Wirtschaftspolicy.

"Gesellschaft im Überfluß" (1958)

Galbraith geht in „Gesellschaft im Überfluß“ davon aus, dass die gegenwärtige amerikanische Gesellschaft eine Gesellschaft sei, die die Armut im Wesentlichen besiegt habe. Der Sieg über die Armut sei demnach aber weder, wie von zahlreichen Theoretiker*innen erwartet, durch eine proletarische Revolution im Sinne Marx' noch durch die aktive Bekämpfung von Ungleichheitslagen erzielt worden, sondern durch einen Anstieg des Wirtschaftswachstums. Paradox sei dabei die Frage, warum sich neben der Erhöhung der Produktion auch die Vorbehalte gegen dieselbe erhöht haben (Parker 2005: 282). Die Antwort darauf, so Galbraith, läge zum einen in der Vorrangstellung der Produktion und zum anderen im Wandel der Natur des Konsums: Nicht die Konsument*innen bestimmten die Nachfrage, sondern die Produzierenden.

Galbraith kritisiert hier die klassische Theorie der Verbraucher*innennachfrage, die aus zwei Thesen besteht:

  1. „Die Dringlichkeit der Nachfrage nimmt nicht merklich mit dem Grad ihrer Befriedigung ab“ (Galbraith 1970: 152) und
  2. „Die Bedürfnisse entspringen der Persönlichkeit des Verbrauchers“ (Galbraith 1970: 152).

Explizit äußert sich Galbraith zur ersten These:

„Die Vorstellung, daß die Bedürfnisse des Menschen nicht weniger dringend werden, wenn er reichlicher versorgt ist, verstößt rundweg gegen den gesunden Menschenverstand“ (Galbraith 1970: 158).

Da das steigende Wirtschaftswachstum eine Steigerung der Güterproduktion bewirke, enstünde, so Galbraith, eine Überproduktion, die ihre Ursache eben nicht in einer gesteigerten Verbraucher*innennachfrage habe. Daher müsse diese aktiv gesteigert werden, um das Wirtschaftswachstum zu erhalten:

„Die Produktion schafft die Bedürfnisse, die sie befriedigen will, nicht nur passiv, durch das konkurrierende Angebot, sondern auch aktiv, durch Werbung und verwandte Praktiken“ (Galbraith 1970: 162).

Daraus schließt Galbraith:

„Man kann nicht die Produktion damit rechtfertigen, daß sie vorhandene Bedürfnisse befriedige, wenn die gleiche Produktion selbst erst die Bedürfnisse weckt“ (Galbraith 1970: 159).

Hier rechtfertige schließlich die Dringlichkeit des Bedarfs nicht die Dringlichkeit der Produktion. Und er fasst zusammen:

„Man darf nicht mehr annehmen, daß bei einem durchweg höheren Produktionsniveau der Wohlstand größer sei als bei einem niedrigeren. Er mag gleich groß sein. Das höhere Produktionsniveau bedeutet lediglich ein höheres Niveau der Bedarfsschöpfungm das seinerseits ein höheres Niveau der Bedürfnisbefriedigung erzwingt“ (Galbraith 1970: 164).

Dieses Phänomen nennt Galbraith den Abhängigkeitseffekt.

"Die moderne Industriegesellschaft" (1967)

Seine Gedanken aus „Gesellschaft im Überfluß“ erweiterte Galbraith in „Die moderne Industriegesellschaft“ zu einem ausgereiften Theoriegebilde. Laut eigener Aussage verhielten sich beide Werke wie Fenster zu Haus (Galbraith 1973: 6). Im Hinblick auf das Konzept einer Überflussgesellschaft ist besonders das relevant, was Galbraith den revidierten Ablauf nennt.

Der Glaube, dass die Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten den Markt und die Produktion beeinflussen nennt Galbraith zunächst den anerkannten Ablauf. Dieser jedoch werde allmählich dadurch manipuliert, dass Produzent*innen Marktstudien und psychologische Erkenntnisse dazu nützten, den Markt und das Marktverhalten zu ihren Gunsten zu verändern (Galbraith 1973: 203). Die Ordnung, in der die Produzierenden die Nachfrage auf diese Art und Weise bestimmten, nennt Galbraith entsprechend den revidierten Ablauf. Allerdings, so Galbraith, habe der revidierte Ablauf, den anerkannten Ablauf (noch) nicht gänzlich ersetzt. Dieser sei vorallem in Großbetrieben zu finden, während kleinere und mittlere Betriebe weiter nach dem Prinzip des anerkannten Ablaufs arbeiteten. Interessanterweise geht dieser davon aus, dass Einmischung in das Kaufverhalten zu weniger Befrieidigung beim*bei der Kund*in führte.

Kritik

Die Ausgangsthese von „Gesellschaft im Überfluß“ der gemäß, die Armut in den USA nahezu besiegt sei, erfuhrt zeitgemäß bereits viel Kritik. Diese Kritik wurde empirisch unterstrichen als die Regierungen Kennedy und Johnson feststellen mussten, dass die Zahlen, der in Armut lebenden Menschen, wieder stiegen (Parker 2005: 291). Dennoch wurde das Buch außerordentlich gut aufgenommen und wertgeschätzt. Auch Jean Baudrillard kritisierte Galbraith ausführlich, konnte er ihn doch als Ausgangspunkt für sein Konzept der Konsumgesellschaft verwenden. Baudrillard warf Galbraith unter anderem vor, in der Logik des Systems verhaftet zu sein, das auch er kritisiere. So habe Galbraith nicht verstanden, dass die Form des Konsumierens dazu diene, das System der Produktion zu stärken.

Literatur