Sitzung 9: 15.07.2021

Kapitel: Conclusion: Now Let's Multiply (S. 203-214)

Σ Dieses Kapitel beschäftigt sich anhand eines Rückblicks auf die vorherigen Kapitel, und darüber hinaus anhand von praktischen Beispielen aus der Tech-Branche, mit der Frage: Wie kann die Matrix of Domination herausgefordert werden?

Themen und Thesen des Kapitels

:?: Frage: Wie können sich Betroffene gegen Formen von Unterdrückung wehren und wie können reale Veränderungen angestoßen werden? (203-205)

Thesen

  • Die Nähe zu Machtzentren kann auch von marginalisierten Personen für Veränderungen genutzt werden (vgl. 204).
  • Gemeinschaftliche Organisation ist weitaus effektiver, als das Wirken einzelner Personen (vgl. 204). ⇒ „[…] [C]ollective organizing around data and technology has already taken a range of powerful forms“ (205).
  • Die Macht der Tech-Industrie ergibt sich u.a. aus ihren Fähigkeiten zu messen („to scale“). Gleichezeitig ergeben sich für Mitarbeitende dieser Industrien, so Moira Weigel, verschiedene Machtpotenziale: Bargaining Power, Messaging Power, Interruption Power, Subversion Power (vgl. 205). [Ich, Laura, bin mir nicht sicher, ob „messen“ hier die Bedeutung von „scale“ passend wiedergibt, ich habe selbst aber auch noch keine passendere Übersetzung gefunden. Evtl. können wir das in der Sitzung kurz diskutieren.]


Diskussionsfrage: Angenommen, wir verstehen den universitären Raum als Machtzentrum. Wie kann die Nähe dazu genutzt werden, um die Matrix of Domination herauszufordern? Wo seht ihr Gefahren, die Matrix of Domination zu reproduzieren? Würdet ihr der Aussage, dass der universitäre Raum, ein Raum für Einzelkämpfer*innen ist, zustimmen?
Diskussionsfrage: In Bezug auf die verschiedenen Machtpotenziale innerhalb der „Tech-Branche“, die Moira Weigel aufzählt: Was genau meint sie damit und inwiefern können diese auch auf den akademischen Bereich ausgeweitet werden?

:?: Frage: Wie können Daten, Datenzugänge, die digitale Infrastruktur und die Nähe zur Tech-Branche genutzt werden, um reale Veränderungen anzustoßen, die zu einer gerechteren Gesellschaft führen können? (206-208)

Thesen:

  • Daten sind nicht per se „gut“ oder „schlecht“. Daten können Schaden anrichten, den es gilt sichtbar zu machen oder zu verhindern. Daten können aber auch genutzt werden, um Einfluss für eine gerechtere Gesellschaft zu nehmen (vgl. 206).

Beispiel: „4BL organizes annual conferences, runs online communities, and helps connect people in its network. The group pursues two simultaneous strategies: pushing back against the harmful impacts of data as they are currently deployed, and creating new spaces for organizers, data scientists, and engineers to come together to generate meaningful research questions. The group’s emphasis on abolition and liberation, rather than a generic form of social good, leads it to design projects that actively work to overturn the data-driven discrimination experienced in Black communities (206)“.

  • Jeder Arbeitsschritt der Datenarbeit benötigt eine reflexive Überarbeitung (vgl. 208).

Beispiele von Organisationen, Aktionen und Kampagnen aus dem Kapitel, die die Matrix of Domination herausfordern:
- Google Walk Out for Real Change
- Tech Workers Coalition (#TechWontBuildIt)
- Lerna JavaScript librabry
- Design Action Collectve (Points of Unity)
- Toronto Declaration
- Coworker
- Data for Black Lives (D4BL)

Diskussionsfrage: Die genannten Projekte aus dem Buch sind größten Teils aus dem US-amerikanischen Raum. Kennt ihr andere Projekte, Organisationen oder Kampagnen?

Rückblick

:?: Frage: How to challenge the matrix of domination?

Rückblick der Autorinnen

  • In this book, we have described intersectional feminism — a vibrant body of knowledge and action that challenges the unequal distribution of power - and how it can be applied to the field of data science today. […] We hope that you, our readers, will use this work in order to reflect on your own identities, as well as to examine how power and privilege operate in data science and in the world..“ (207)

Seven Principles of Data Feminism

  1. Examine Power: „Examining power means naming and explaining the forces of oppression that are so baked into our daily lives - and into our datasets, our databases, and our algorithms - that we often don’t even see them. Seeing oppression is especially hard for those of us who occupy positions of privilege“ (24)
  2. Challenge Power: „Data feminism commits to challenging unequal power structures and working toward justice“ (49)
  3. Elevate Emotion and Embodiment: „Data feminism teaches us to value multiple forms of knowledge, including the knowledge that comes from people as living, feeling bodies in the world“(73)
  4. Rethink Binaries and Hierarchies: „Data feminism requires us to challenge the gender binary, along with other systems of counting and classification that perpetuate oppression“ (97)
  5. Embrace Pluralism: „Data feminism insists that the most complete knowledge comes from synthesizing multiple perspectives, with priority given to local, Indigenous, and experiential ways of knowing“ (125)
  6. Consider Context: „Data feminism asserts that data are not neutral or objective. They are the products of unequal social relations, and this context is essential for conducting accurate, ethical analysis“ (149)
  7. Make Labor Visible: „The work of data science, like all work in the world, is the work of many hands. Data feminism makes this labor visible so that it can be recognized and valued“ (173)
  • Σ „We derived these principles from the major ideas that have emerged in the past several decades of intersectional feminist activism and critical thought. At the same time, we welcome the notion that there are many other possible starting points that share the end goal of using data (or refusing data) in order to end oppression.“ (213)

Weitere Ausgangaspunkte: Kunst, Aktivismus, Community, Organisation, Sensibilisierungen, etc. (vgl. 213)

Diskussionsfrage: Wie überzeugend/inspirierend fandet ihr die 7 Prinzipien? Fehlt euch etwas? Seht ihr jetzt schon Möglichkeiten, bei aktuellen oder bevorstehenden Projekten, wie ihr diese Prinzipien anwenden möchtet/könnt?

Matrix of domination (24-25) ⇒ (Power Chapter)


Die Matrix of domination, inspiriert durch Partricia Hill Collins, soll erklären, wie sich Machtsysteme formieren und wie sie wirken, bzw. erlebt werden (24f).

Kapitel: Our Values and our Metrics for Holding Ourselves Accountable (S. 215-222)

Σ Dieses Kapitel beschäftigt sich reflexiv mit den angestrebten Werteansprüchen und Messwerten der Autorinnen und analysiert deren praktische Umsetzung und aufgetretene Hürden hierbei.

Motivation der Autorinnen: „From these projects, we saw how statements of shared values can become important orientation points,
guiding internal decisions at challenging junctures and making ethical commitments public and transparent
“ (215).

Catherine D'Ignazios und Lauren F. Kleins Werteansprüche

  • We insist on Intersectionality
  • We Advocate for Equity
  • We Prioritize Proximity
  • We Acknowledge the Humanity of Data
  • We are Reflexive, Transparent, and Accountable
  • About Us

Catherine D'Ignazios und Lauren F. Kleins angestrebte Messwerge

Kagegorien:

  • Racism
  • Patriarchy
  • Cissexism
  • Heteronormativity
  • Ableism
  • Colonialism
  • Classism
  • Proximity


:?: Frage:Wie kommt es zu den starken Abweichungen von den ursprünglich gesteckten Zielen, dem ersten Entwurf und der Endversion? (vgl. 220ff)

Reflexion der Autorinnen

  • Die Autorinnen wollten den angestrebten Werten während des Überarbeitungsprozesses nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken und Projekte nicht nur aufgrund der Situiertheit der Akteure auswählen. Zudem wurde während des Arbeitsprozesses keine Statistik geführt.(vgl. 220).
  • Eigene Situiertheit als Wissenschaftlerinnen in einer Welt, die durch weiße Männer dominiert ist (vgl. 220).
  • Während des Überarbeitungsprozesses wurde das Buch durch zusätzliche Fußnoten und Referenzen akademisiert. Somit spiegelt das Buch den akademischen Bias der Autorinnen wieder (vgl. 221).

Schlussfolgerung der Autorinnen

  • […][O]ur final metrics offer a quantified reminder that “legitimate knowledge” has a race and a gender, as well as a class and a geographic location. These characteristics are inherited from the matrix of domination, and sustained by the matrix of domination as well. Although we challenge that fact in our writing, we readily admit that we fell back on learned habits in our citational practices, particularly when we felt that our scholarly credibility was on the line “ (221).
Diskussionsfrage: Die Frage kam in einem vorherigen Kapitel bereits auf: Wie genau kannn community begriffen werden, wie definiert sie sich? Sie ist ja auch keine homogene Gruppe. Wie können wir praktisch mit diesem Konzept umgehen und was können wir davon lernen?
Diskussionsfrage: Wie ordnet ihr die angestrebten Werte und Messwerte in Bezug auf deren Wirksamkeit und Umsetzbarkeit ein? Könnt ihr euch vorstellen etwas ähnliches für eigene Arbeiten umzusetzen? Wenn ja, was würdet ihr eventuell anders machen? Wenn nein, wieso nicht? Was können wir von den beschriebenen Hürden der Autorinnen lernen?
Diskussionsfrage: Die Autorinnen sprechen von Legitimate Knowledge und Scholarly Credibility (vgl. 221). Inwiefern stützen diese die Matrix of Domination? Wie haben diese euch selbst in euren Arbeiten beeinflusst und wie können wir damit umgehen?

Kapitel: Auditing Data Feminism, by Isabel Carter (S. 223-224)

Fragen nach Identifikation und Klassifikation

  • Was konstituiert eine zu klassifizierende Einheit („Reference“)? (Individuen, Projekte, Unternehmen…)
  • Welche Kategorien werden für die jeweilige Einheit benannt und eingeordnet?
  • Welche Relevanz kommt den Einheiten zu?
  • Problem bei der Klassifikation: „We tried to confirm these categorizations through online research, but without the self-identification of the referenced individuals, these categories are obviously subject to further inquiry“(224).
Diskussionsfrage: Wie bewertet ihr das von Isabel Carter beschriebene Vorgehen bzgl. der Identifikation und Klassifikation von Organisationen und Individuen? Seht ihr darin noch weitere Probleme, die nicht genannt wurden?

Kapitel: Acknowledgement of Community Organizations (S. 225-226)

Organisationen, die die Prinzipien von Data Feminism bereits umsetzen

  • Indigenous Women Rising

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  • Charis Circle

Homepage

Weitere Verweise

Hintergund: Ich habe folgende Beispiele größtenteils ausgewählt, da sich die Beispiele aus dem Buch oftmals auf den amerikanischen Raum beziehen. Ich habe explizit nach Beispielen gesucht, die sich eher im europäischen und/oder deutschen Kontext verorten lassen.

Sichtbarmachung problematischer Daten

Macht Wissen Kontrolle „Die inhaltliche und institutionelle Verstrickung von Migrationsforschung in die staatliche Migrationskontrolle ist selten zum Gegenstand politischer (Selbst-) Kritik und systematischer Analyse gemacht worden. Dies verwundert, da die Notwendigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse über Migration für ihre effektive staatliche Kontrolle immer wieder betont wurde“. Fabian Georgi und Fabian Wagner 2009
Volkszählung in der Kritik „Deutschland geht teilweise über die europäischen Vorgaben hinaus. Es gibt zum Beispiel Fragen zum Migrationshintergrund. Doch das ist gut so, findet Eurostat-Leiter Radermacher und erklärt: „Sie können Integrationspolitik nicht blind betreiben. Sie müssen von Migranten wissen: Wo arbeiten diese Leute, was haben sie für eine Ausbildung, machen sie sich selbständig?“ Für die Planung, für Schulen, für Integrationspolitik seien die Zahlen unerlässlich. Einen Missbrauch für fremdenfeindliche Zwecke kann Radermacher zwar nicht ausschließen, aber jedenfalls habe man dann solide amtliche Zahlen und müsse sich dann „nicht mehr um die Qualität der Zahlen streiten, sondern nur noch um deren Konsequenzen““.

Daten für Sichtbarmachung von Diskriminierungen

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