Zentrale Begriffe

Konstruktion Butler sieht bei anderen Theoretiker*innen Defizite in Hinblick auf diesen Begriff: „Es reicht nicht aus, die Auffassung zu vertreten, daß es kein vordiskursives ‚biologisches Geschlecht‘ gibt, das den festen Bezugspunkt darstellt, von dem aus oder mit Bezug auf den die kulturelle Konstruktion des sozialen Geschlechts von sich geht“ (Butler 1994: 16). Denn damit ist nicht geklärt, wie die ‚Materialität‘/die Wichtigkeit der Frage danach zustande kommt. (Genauer zu den Defiziten auch S. 24-27). Butler fragt: Wieso ist die Materialität, auch das biologische Geschlecht, überhaupt so eine relevante Kategorie, und wie kommt es zu der Annahme, dass diese Kategorie nicht konstruiert ist, sondern „fest“, „materiell“, damit auch natürlich?

Es bleibt, auch wenn man die Kategorie „biologisches Geschlecht“ aufgibt, die Frage: Wer konstruiert das Subjekt?

→ Es muss kein „voluntaristisches Subjekt“ geben, das ‚intentional‘ etwas konstruiert (vgl. Butler 1994: 28).

→ Konstruktion ist eher so etwas wie ein historischer Prozess.

„[D]ie Konstruktion ist weder ein Subjekt noch dessen Handlung, sondern ein Prozeß ständigen Wiederholens, durch den sowohl ‚Subjekte‘ wie auch ‚Handlungen‘ überhaupt erst in Erscheinung treten. Es gibt da keine Macht, die handelt, sondern nur ein dauerndes wiederholtes Handeln, das Macht in ihrer Beständigkeit und Instabilität ist“ (Butler 1994: 31).

Performativität Performativität findet nicht vereinzelt, nicht absichtsvoll, statt, sondern ist eine ‚ständig wiederholende und zitierende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkung erzeugt, die er benennt‘ (vgl. Butler 1994: ). Es wird das vollzogen, was benannt wird (vgl. Butler 1994: 36). Performativität entsteht durch Zitate. Performative Handlungen enthalten noch latent einen Willen/eine Intention, aber es muss nicht diejenige sein, die durch das Ausführen mitgemeint ist; die Intention beherrscht die Prozesse nicht.

Wiederholung und Zitieren sind Teile performativer Praxis. Wiederholen ist das Zitieren ursprünglicher Handlungen.

Materialität (von Geschlecht) These: Materialität ist durch die ritualisierte Wiederholung von Normen konstruiert (vgl. Butler 1994: 15). Gemeint sind nicht die „Zwänge“ des Körpers wie z.B. Schmerzen, Krankheit, Schlafdrang,…, die tatsächliche Fakten sind. „[D]ie Unwiderlegbarkeit der Erfahrungen besagt keineswegs, was es bedeutet, Erfahrungen zu bestätigen , und mit welchen diskursiven Mitteln dies zu erfolgen hat“ (Butler 1994: 15)

→ ‚Materialität‘ entsteht diskursiv als Effekt von Macht (vgl. Butler 1994: 38)!

→ „Sedimentierung“ ist „[e]in Prozeß der Materialisierung, der im Laufe der Zeit stabil wird, so daß sich die Wirkung von Begrenzung, Festigkeit und Oberfläche herstellt, den wir Materie nennen. Daß Materie immer etwas zu Materie gewordenes ist, muß meiner Meinung nach mit Bezug auf die produktiven und eben auch materialisierenden Effekte von regulierender Macht im Foucaultschen Sinne gedacht werden“ (Butler 1994: 31).

Biologisches Geschlecht ist eine ‚sedimentierte Wirkung der ständigen Wiederholung einer rituellen Praxis‘; das hat die Wirkung von einer ‚Naturalisierung‘ bzw. erscheint uns ‚naturalisiert‘.

Subjekt Das Subjekt entsteht durch Anrufungen über diverse Zeit hinweg, immer wieder wiederholt, durch benennen (vgl. Butler 1994: 29). Es konstituiert sich über Zurückweisung des nicht-lebbaren, was innerhalb der gesellschaftlichen heteronormativen Matrix handlungsfähig und autonom macht (vgl. Butler 1994: 23). Das heißt, man weist das in sich zurück, was nicht zur normativen Geschlechtszuweisung passt, und zwar durch identifikatorische Praktiken, was Praktiken der Leugnung sind.

→ Das Subjekt steht in einer MATRIX aus geschlechtsspezifischen Beziehungen (Kontinuität von Sex, Identität und Begehren wird von dieser Matrix eingefordert).

Identität/Identifizierung/Annahme „Annahme“ einer Geschlechtsidentität klingt freiwillig, Butler meint aber eine erzwungene Annahme: „Das Formieren, Verfestigen, Ertragen, die Zirkulation und Signifikation jenes sexuierten Körpers wird nicht in einer Reihe von Handlungen bestehen, die in der Befolgunug des Gesetztes ausgeführt wird; sondern es sind Handlungen, die von dem Gesetz mobilisiert werden, das zitatförmige Akkumulieren und Verschleiern des Gesetzes, das materielle Wirkungen erzeugt, die gelebte Notwendigkeit jener Wirkungen ebenso wie die gelebte Anfechtung der Notwendigkeit“ (Butler 1994: 35).

Zur Annahme von Zitaten siehe auch: S. 36.

Psychoanalytisch kann das als „assimilierende Leidenschaft, durch die ein Ich entsteht“ bezeichnet werden. Identität steht demnach in einem regulierenden Schema, nach historisch revidierbaren Kriterien, die den Körper produzieren (vgl. Butler 1994: 37).

Handlungsfähigkeit, Wahlmöglichkeiten

„Die Aktivität des Geschlechtlich-Werdens kann strenggenommen kein menschliches Handeln oder menschlicher Ausdruck sein, keine willentliche Aneignung, und ganz sicher ist sie keine Frage einer Maskierung; sie ist die Matrix, durch die alles Wollen erst möglich wird, sie ist die kulturelle Bedingung seiner Möglichkeit“. Quellexxxxxx
„[W]enn Handlungsvermögen vorhanden ist, dann ist dieses paradoxerweise in den Möglichkeiten zu finden, die in der und durch diese unfreie Aneignung des regulierenden Gesetzes eröffnet werden, durch die Materialisierung dieses Gesetzes, die zwangsweise Aneignung und Identifizierung mit jenen normativen Forderungen“. xxxxQuelle! xxxx

Nicht-lebbare, undenkbare, verworfene Körper sind vom Subjekt-Sein Ausgeschlossenes; sie sind das ‚Unmögliche‘ der Subjekte. Sie grenzen das Subjekt ab und sind dafür konstitutiv nötig; sie bilden ein Außen des Subjekts aber im Subjekt, weil sich das Subjekt dagegen selbst abgrenzt, indem es das zurückweist (vgl. Butler 1994: 23).

In Bezug auf Personengruppen: manchen wird die kulturelle Aneignung verwehrt (vgl. Butler 1994: 29).

Machtbeziehungen und soziale Zwänge Macht ist die Beständigkeit und Instabilität von sozialen Beziehungen (vgl. Butler 1994: 31). Die heterosexuelle Matrix stellt nicht allen und nicht alle Begehren/Geschlechtsidentitäten die Möglichkeit zur Verfügung. Um ein lesbares Subjekt zu werden, muss ein Individuum die Kontinuität der heterosexuellen Matrix erfüllen: Geschlecht – Begehren – Identität müssen ineinander aufgehen Beispiel: Mann/Frau – liebt das gegenteilige binäre ‚Geschlecht‘ – ist somit in seiner Geschlechtsidentität verortet. Aber: diese Ebenen sind eigentlich Spektren – sowohl biologisch (Im Körper gibt es verschiedene Geschlechtsmerkmale wie Chromosomeninformationen, Geschlechtsorgane, Hormonspiegel, die nicht unbedingt das binäre Geschlechterbild erfüllen) als auch auf der Ebene Begehren und Identität. Nach Butler sind dies keine biographischen Konstanten, sondern sich im Fluss befindende, nie abgeschlossene Prozesse.

Widerstand Man kann das, was nicht zur heterosexuellen Subjektivität passt, nicht nur als Infragestellung von Normen sehen, sondern darüber die symbolische Legitimität des Subjektstatus zu erfassen versuchen (vgl. Butler 1994: 24). „Obwohl die politischen Diskurse, die die Identitätskategorien mobilisieren, dazu neigen, Identifikationen zugunsten eines politischen Ziels zu kultivieren, könnte es sein, daß die Nachhaltigkeit von Desidentifizierung für die Neuartikulierung der demokratischen Auseinandersetzung von ebenso entscheidender Bedeutung ist“ (Butler 1994: 24).

→ Das kann zu einer kollektive Desidentifizierung führen oder sogar zu einer Neukonzeptualisierung von Körpern (von Gewicht).

Das, was von den Wiederholungen bzw. den Normen nicht ganz berücksichtigt ist, kann eine 'aufsprengende Wiederkehr des Ausgeschlossenen' bewirken (Butler 1994: 32, 34).

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