Diskurs

Ein wesentlicher Bestandteil in der Arbeit Clarkes zur Grounded Theory nach dem postmodern turn besteht in der Einbeziehung von Diskursen in die von ihr erarbeitete qualitative Analyse von Situationen. Mit ihrer Hinwendung zu Diskursen geht Clarke in erster Linie auf die im Rahmen des postmodern turn artikulierten Kritik am erkennenden und wissenden Subjekt ein, die sie im Rekurs auf Michel Foucault erläutert (vgl. hierzu Clarke 2012: 92ff.). Dabei geht es hauptsächlich darum, dass das Konzept vom Subjekt der Moderne, das sich hauptsächlich durch Rationalität und Autonomie auszeichnete, seit dem postmodern turn eine grundlege Überarbeitung durch einige bedeutende Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erfuhr. So geht man seit dem postmodern turn eher davon aus, dass das Subjekt sehr viel formbarer und geformter u.a. durch Diskurse ist, als bisher angenommen. Entsprechend ist durch den postmodern turn auch das Subjekt als Analysegegenstand der Sozialforschung fragwürdig geworden. Dies äußert sich zum Beispiel in Clarkes Konzeption von Positions-Maps:

„Wir versuchen hier, uns mit Foucault […] über das 'erkennende und wissende Subjekt' hinauszubewegen. Positionen auf Positions-Maps sind Positionen in Diskursen (ebd: 165)“.

Allerdings liefert sie in Ihrem Werk „Situationsanalyse nach dem postmodern turn“ keine Definition des Diskurses. Dies soll hier - gleichfalls im Rekurs auf Foucault - ergänzt werden.

Foucaults Vorstellung von Diskursen

„Welche Modalitäten der Ordnung sind erkannt, festgesetzt, mit Raum und Zeit verknüpft worden, um das positive Fundament der Erkenntnisse zu bilden, die sich in der Grammatik und in der Philologie, ebenso wie in der Naturgeschichte und in der Biologie, in der Untersuchung der Reichtümer und der Politischen Ökonomie entfalten?“ (Foucault 1993: 24).

Für Foucault stellt ein Diskurs ein Ordnungsschema zu einem gewissen Thema dar. Dieses basiert auf der Macht, mit dem der Diskurs grundsätzlich ausgestattet ist und einem Wissensfeld. Demnach gibt es, so Foucault, „keine Machtbeziehung […], ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert“ (2015a: 39). Inhaltlich begreift Foucault den Diskurs jeweils als eine Menge von Aussagen, welche zu derselben diskursiven Formation gehören“ (2015b: 170). So repräsentiert der Diskurs über Geschlechterverhältnisse bspw. das Gesetz dessen, was über das Verhältnis der Geschlechter zu einem bestimmten Zeitpunkt gedacht oder gesagt werden kann (vgl. Bublitz 1998: 15). Die einzelnen (möglichen) Aussagen zum Geschlechterverhältnis bilden demnach die ordnende diskursive Formation hierzu ab, da für Foucault besonders die jeweilige Anordnung bzw. Formation der Aussagen den entsprechenden Diskurs mit seiner ihm inhärenten Regelformation charakterisiert (vgl. 2015b: 170).

Literatur

Bublitz, Hannelore (1998): Das Geschlecht der Moderne. Genealogie und Archäologie der Geschlechterdifferenz. Frankfurt/Main: Campus-Verl.
Clarke, Adele (2012): Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem postmodern turn (Springer VS, 1. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.
Foucault, Michel (1993): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 96, 12. Aufl.). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Foucault, Michel (2015a): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (Suhrkamp-Taschenbuch, Bd. 2271, 15. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Foucault, Michel (2015b): Archäologie des Wissens (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 356, 17. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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