Literatur

Primärliteratur:

Mau, Steffen 2020 Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, 3. Auflage, Berlin, Suhrkamp, II. Transformationen: Kapitel 2.

Sekundärliteratur:

Heft, Kathleen 2018: Brauner Osten – Überlegungen Zu Einem Populären Deutungsmuster Ostdeutscher Andersheit, in: Feministische Studien 36: 2, 357-366. (10) https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/fs-2018-0038/html

Kapitel 2 - Blaupause West

Kernthesen

1 Optionsverlust in zweierlei Hinsicht „Preis der Einheit“

- Zum einen verlieren die ostdeutschen Bürger ausgehend von der kollektiven Eingemeindung und dem „ready-made-state“ (Mau 2018. 133) Verfahren, jegliches Recht, bestimmte Prozesse in der sich verändernden Gesellschaft mitzugestalten und fallen in eine „Beobachterrolle“ zurück. (vgl. Mau 135f.)
- Mit diesem Vorgehen verspielt die Bundesrepublik jedoch ebenso ihre Chance, ein neues Deutschland zu schaffen was von den Fortschritten beider Systeme profitieren könnte (vgl. Mau 133f.)

2 Überlegenheitsvorstellung des westlichen Konzepts

- Bestärkt durch den Kollaps der sozialistischen Konkurrenzgesellschaft in der DDR sowie in anderen sozialistischen Staaten, stellte sich ein Selbstverständnis für die Überlegenheit der westlichen/westdeutschen Gesellschaft. ein. Kollaps > Bestätigung eigener Methoden (vgl. Mau 134-136)

Selbstgewählte Indikatoren für jene Überlegenheit:
allgemeiner Wohlstand, standhafte Demokratie, funktionierende Wirtschaftskreise

Kritik:
Es ist eine Tunnelsicht auf eigene Erfolge, die keinen Spielraum für andere Optionen lässt. So werden eigene Fehler im System von grundherein ausgeschlossen bzw. ignoriert und andere mögliche adäquate Wege von vornherein verleugnet.

3 Distanz durch Diskrepanz

- Die teils bis heute Distanz zwischen Ost- und West-Bürgern resultiert aus unterschiedlichen Erfahrungen im Zuge der Wiedervereinigung. (vgl. Mau 136f.)
Besserwessis > fehlendes Verständnis für Schwierigkeiten der anderen Partei
Jammerossis > mangelnde Dankbarkeit und Bereitschaft für Veränderungen

4 Wunschdenken Modernisierungstheorie

- eine zu utopisch angelegte Vorstellung zur endgültigen Eingliederung des Ostens führte zu Enttäuschungen und Vernachlässigung bestimmter wichtiger sozialen Sektoren aufgrund von mangelhafter Theoriebildung – (Pfadabweichungen waren ausgeschlossen, Akteure und Träger sind unklar, mangelhafte Gleichsetzungen bestimmter grundlegenden Begrifflichkeiten).(vgl. Mau 137-142)

Diskussion


spezifische Diskussionsfragen zu Kernthese 1:

war die Vormundschaft der BRD in Zeiten nach der Wende gleichzusetzen mit der herrschenden Politikvormundschaft des sozialistischen Staates? Ist also Ostdeutschland bloß von ein Feuer in das nächste gesprungen?

Zitate für offene Diskussion zu Kernthese 1:

„Im Vergleich zu anderen postsozialistischen Ländern beschritt die DDR einen Sonderweg, der von den östlichen Nachbarn als privilegiert empfunden wurde, weil ein potenter Partner bereitstand, um die größten Übergangsrisiken abzupuffern und zu kompensieren.“ (2018 Mau. 133)

spezifische Diskussionsfragen zu Kernthese 2:

Wäre es nach euren Gedankengängen möglich gewesen, bestimmte Punkte der DDR-Gesellschaft zu übernehmen ohne eine Krise des stabilen westlichen Systems zu riskieren? Und welche Punkte hätten übernommen werden sollen?

Zitate für offene Diskussion zu Kernthese 2:

„Die Erfolgsbilanz des bundesdeutschen Modells krönt […] die Bundesrepublik. […] In einem sehr konkreten Sinne wird von der Leichenfledderei der DDR, die nun auf Jahre die Öffentlichkeit beschäftigen wird, ein Glanz auf die Bundesrepublik ausgehen.“(2018 Mau. 134) | (Beck 1991. 25f.)

spezifische Diskussionsfrage zu Kernthese 4:

War die DDR nun letztendlich ein modernes Gesellschaftssystem, oder war es, wie in Mau bezeichnet, ein „Dritte-Welt-Land-System“?

Zitat für offene Diskussion zu Kernthese 4:

„Die Aktivierung ethnischer Konflikte und die Ambivalenz der Identitätspolitik kamen selten in den Blick. Auch das heute viel diskutierte Thema des Verfalls und des Substanzverlustes von Demokratien spielte damals keine Rolle, so sehr war an von der Anziehungskraft des liberalen Modells überzeugt.“ (2018 Mau. 140)

Brauner Osten - Überlegungen zu einem populären Deutungsmuster ostdeutscher Andersheit


kurze Zusammenfassung der Quelle:

Eine Disposition mit eigenen Gedankenzügen der Autorin, um den Rechtstrend der ehemaligen alten Bundesländer mithilfe der Berufung auf die Vergangenheit zu erklären, zu deuten und zu entschlüsseln. Zudem wird ebenfalls die Geschlechter Rollenverteilung (DDR und BRD) und deren Unterschied thematisiert, um die Spezifizierung des „Ostmanns“ zu erläutern.


Übereinstimmungen mit Mau:

Mau schreibt in Kapitel zwei, dass während des Wiedervereinigungsprozesses, es zu so etwas wie einer „nationalen Besoffenheit“((2018 Mau. 149) kam welches den demokratischen/politischen Prägungsprozess der eigentlich im Vordergrund stehen sollte überdeckt. Würde man also auf jene Stimmen hören welche Heft in ihrem Text mit einbezieht, wäre jene Falschprägung, das nachhängen der Vergangenheit, sowie die mit der Wende einher gehenden Enttäuschungen, ein plausibler Grund, weshalb es scheinmäßig eine höhere Dichte an rechtem Gedankengut und Hang zum Nationalismus im Osten Deutschlands auftritt.

offene Debatte:

„Die gewaltvollen rechten Realitäten im Osten Deutschlands werden in diesem Diskurs als Besonderheit gegenüber einer westdeutschen Norm neoreaktionärer Politiken aufgefasst und als Abweichung von dieser Norm gedeutet. Medial-öffentliche Darstellungen legen dabei oftmals nahe, dass die Eigenheiten des ›Braunen Ostens‹ im Westen im Grunde unbekannt seien und daher einer gesonderten Auseinandersetzung und Erforschung bedürfen.“(Heft. 2018. 359.)

„Gegenwärtige rechte Positionen erscheinen darin nicht als Teil von und Entwicklung in demokratischen Gesellschaften, sondern als Relikt einer noch zu überwindenden Vergangenheit. Einer Vergangenheit, die in Ostdeutschland lokalisiert und eingehegt wird.“ (Heft. 2018. 361.)

„Reden wir nicht drum herum, der wütende Teil der ostdeutschen Männer ist auch deshalb so komplexbeladen, weil es die ostdeutsche Frau gibt und weil die ostdeutsche Frau die Welt regiert. […] Wenn klassische Männlichkeitsbilder verschwinden […], dann bricht sich bei einigen Männern offenbar die völlige Wut Bahn.“ (Heft. 2018. 362.) | (Machowecz, Martin (2017): Oh, Ostmann! In: Zeit Online, 29.09.2017.)


Richtigstellung:

Das Problem Rechtspopulismus sollte nicht als ein Problem begrenzt auf eine bestimmte Region oder Teil der Gesellschaft betrachtet werden. Vielmehr sollte es als eine Positionsfeststellung auf Politischer Ebene betrachtet werden. Es ist nicht zu leugnen, dass bestimmte Phänomene konzentrierter im Osten Deutschlands auftreten, welche bei näherer Betrachtung auf bestimmte Ereignisse der Vergangenheit zurück geführt werden könnten, dennoch ist es kein exklusives Problem (bei den AfD Wahlen 2017 kamen 70% der Stimmen aus den westlichen Bundesländern) und sollte demnach auch nicht als solches Behandelt werden.

Zitat Heft:

Der Fokus liegt nicht, wie so oft, auf der räumlichen und zeitlichen Ungleichzeitigkeit, mit der die DDR-Vergangenheit als vermeintlicher Spätschaden in den Ostdeutschen fortlebt, sondern auf der Gleichzeitigkeit einer von Ost- und Westdeutschen geteilten Geschichte und Gegenwart im vereinten Deutschland. Mit einer solchen umfassenden Perspektive lassen sich meines Erachtens gleichermaßen aktuelle wie historische Spezifika einer ostdeutschen Neoreaktion herausarbeiten ohne sie als isolierte Phänomene zu begreifen. Rassistische und nationalchauvinistische Einstellungen und Praxen im Osten Deutschlands würden dann als Spielart von breiter und komplexer aufgestellten Phänomenen diskutiert und in einen größeren Zusammenhang von deutscher Geschichte und Gegenwart eingeordnet.“ (Heft. 2018. 365)

Musikempfehlung:

.
Silly
Ist eine Ostdeutsche Band welche 1978 gegründet wurde und bis heute Musik macht.
An Hand dieser Band kann man den Geist des Ostens damals wie heute hören und auch die Transformation innerhalb des Ostens, sowie den Einschnitt den die Wende mit sich bringt, klar verfolgen.(die Musikindustrie der DDR hat der Wende mit am größten geschadet.)

Für wen es von Interesse ist, ein Dokumentarfilm über die ehemalige Sängerin Tamara Danz und das wachsen und wirken der Band:
„Legenden: ein Abend für Tamara Danz - MDR Fernsehen und Mediathek“

Liedempfehlungen passend zum Buch:

Literaturverzeichnis:

Heft, Kathleen 2018: Brauner Osten – Überlegungen Zu Einem Populären Deutungsmuster Ostdeutscher Andersheit, in: Feministische Studien 36: 2, 357-366. (10)

Machowecz, Martin 2017: Oh, Ostmann! In: Zeit Online, 29.09.2017.

Mau, Steffen 2020 Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, 3. Auflage, Berlin, Suhrkamp, II. Transformationen: Kapitel 2.

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