Inhaltsverzeichnis
Rollenbilder heute
Müttererwerbstätigkeit
Heute, so wie damals, ist einer der stärksten Einflüsse auf Veränderung von Rollenbildern bei Paaren die Geburt des ersten Kindes.2) Zwar gilt in der heutigen Zeit kaum noch die Annahme, dass der Einfluss einer arbeitenden Mutter schlechter für das heranwachsende Kind ist als der einer Mutter, die zuhause bleibt, dennoch durchbricht die Geburt häufig den Prozess einer Gleichstellung beider Partner im Arbeitsleben wie im Familiären.3) So ist vor allen nach Berücksichtigung der problematischen Situation bezüglich Kinderbetreuung in der Nachwendezeit, die allgemeine eher traditionelle Einstellung bezüglich Kinder und Arbeit zu verorten.4) Weitet man den Blick allerdings und entfernt sich von den ersten drei Wendegenerationen, so kann man deutlich sehen, dass die Erwerbsbeteiligung bei Frauen im Westen sich an ihren östlichen Gegenpart angenähert hat und somit stark gestiegen ist. Auch insgesamt hat sich die Erwerbstätigkeit der Frauen mit den Jahrzehnten mehr und mehr der der Männer angenähert. Dennoch ist zu vermerken, dass bis heute die Erwerbstätigkeit und somit auch die Ausübung eines weitestgehend egalitären gleichberechtigten Rollenbildes zwischen Frau und Mann im Osten Deutschlands prozentual höher ist, als im Westen Deutschlands.5)
Entwicklung der Erwerbstätigenquote 15- bis 64-jähriger Frauen von 1991 bis 2017
Bundeszentrale für Politische Bildung, 2020
Geschlechterbezogener Abstand der Erwerbstätigenquoten zwischen Männern und Frauen 1991 bis 2017
Bundeszentrale für Politische Bildung, 2020
unterschiedliche Lebensverhältnisse als Ursprung
Unterschiedliche Einstellungen zwischen Ost und Westdeutschland lassen sich nicht ausschließlich an unterschiedlich geprägten Rollenbildern ausmachen. Ebenso sind bestimmte Lebensverhältnisse ein essenzieller Bestandteil dessen, was die beiden gegensätzlichen Wirtschaftssysteme hervorgerufen haben und die bis heute nachwirken.6) So ist in den neuen Bundesländern, aufgrund der Abneigung des Staates gegenüber kirchlichen Einrichtungen, ein geringerer Anteil an religiös geprägten Menschen zu verorten (siehe letztes Kapitel); ebenso eine Skepsis gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund (Gastarbeiter ausgeschlossen), begründend auf der strengen Einreise und Ausreisegeboten der DDR.7)8) Obwohl auch hier zweifellos eine Angleichung stattgefunden hat, ist vor allem bei älteren Generationen ein deutlicher Unterschied zu erkennen.9)
Gelebte Rollenbilder und Gleichberechtigung
Im Laufe der Jahrzehnte haben sich viele neue Türen geöffnet. Das betrifft diversere Familienkonstellationen und ebenfalls Rollenbilder, die sich in Ostdeutschland wie Westdeutschland, insbesondere durch Hilfestellungen wie das Elterngeld angenähert und egalisiert haben. 10) Dennoch gibt es etwas, das sich weder zu Zeiten der Wende, noch heute oder damals verändert hat. Unabhängig von der Emanzipation und auch abgekoppelt vom Verständnis eines bestimmten Rollenbildes für ein Geschlecht in einer Gesellschaft, können immer noch Unterschiede auftreten, zwischen den Rollenbildern, die öffentlich diskutiert und denen, die tatsächlich gelebt werden. So ist zu Zeiten der Wende, wie auch heute immer noch die Frau, die den Hauptanteil der unbezahlten Arbeit (im familiären Bereich) bewältigt. Es ist also möglich, dass es in einer egalitären Gesellschaft wie unserer, bei der das Engagement des Vaters bei der Kindererziehung und die volle Erwerbstätigkeit beider Elternteile Standard ist, immer noch die Frau ist, die den Großteil der sozialfamiliären Pflichten trägt.11) Welche Rolle die Vorstellung spielt, dass Frauen besser in der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen sind, ist unklar. Fest steht jedoch, dass sich unabhängig von der Entwicklung von Geschlechterrollen, bestimmte Vorstellungen bis heute durchsetzen. Rollenbilder entwickeln sich nicht linear. Sie entwickeln und verändern sich, je nachdem in welchem Zustand sich eine Gesellschaft und deren Verständnis von Gleichberechtigung befindet. Denn Rollenbilder und deren Vorstellungen was sie zu sein haben sind nur ein Teil einer größeren Frage nach Gleichberechtigung und Emanzipation in einer Gesellschaft.