03.11.2022

Literatur

  • Mau, Steffen 2019: Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, 3. Auflage., Berlin. Suhrkamp.
  • Kollmorgen, Raj 2009: Ostdeutschlandforschung. Status quo und Entwicklungschancen., in: Soziologie 38: 2, 147-174.

Steffen Maus Kernthesen in der Einleitung

Gesellschaftliche Fraktur

  • Die ostdeutsche Gesellschaft ist durch die mehreren Brüche vernarbt und deshalb weniger beweglich, weniger belastbar und weniger flexibel.
  • der Mauerfall und die Wende waren und sind für ehemalige DDR-Bürger*innen prägender als für BRD-Bürger*innen,
  • dies führte und führt unter anderem zu einer gesellschaftlichen Fraktur, die einen Verdichtungsraum für gesellschaftliche Tendenzen beschreiben kann. Es handelt sich bei dem Begriff um eine Beschreibung abgehängter Sozialräume und Trennlinien in der Gesellschaft.
  • Es herrscht ein Doppelbild der Entwicklung: Nebeneinander von Einheitserfolgen und Scheitern

Systemwechsel

  • Die Wende beschreibt einen Systemwechsel, der ein vorher und nachher markiert. Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen Übergang von einem Anfang- zu einem Endzustand, sondern um eine andauernde Restrukturierung und Veränderung.
  • Probleme in Ostdeutschland sind nicht nur Erblasten des Staatssozialismus, sondern im Zuge von Vereinigung und Transformation reproduziert, verstärkt oder gar hergestellt.

Das „konzeptuelle Dach der Ostdeutschland- und Vereinigungsforschung seit 1990“ nach Raj Kollmorgen

Direkt nach der Wende schien es ein explosionsartiges Anschwellen der Forschung im Bereich Ostdeutschland- und Vereinigungsforschung (ODF und VF) zu geben. Bereits 1995 setzte ein Abwärtstrend ein der bis 1998 fortdauerte und bis heute auf dem Stand bleibt. Allerdings entwickelten sich zeitgleich alternative Forschungsgegenstände wie soziale Ungleichheiten, Globalisierung etc. die zu einem Schrumpfen der reinen Projektanzahl in Ostdeutschland beigetragen haben. Die ODF und VF wurde in den letzten 10 Jahren allerdings nur ab- und nicht ausgebremst. Die Themen, mit denen sich die Ostdeutschland- und Vereinigungsforschung seit 1990 beschäftigt, stehen im Spannungsfeld verschiedener Positionen. Die folgenden vier Kategorien beschreiben die jeweils gegensätzlichen Sichtweisen innerhalb der Forschung.

„Nachholende Modernisierung“ von außen und oben („Implementations- und Anpassungslogik“) vs. Modernität von innen und unten („Subjektsein“ der Ostdeutschen)

Während eine nachholende Modernisierung mit der BRD als Vorbild auf der einen Seite erwünscht ist, spricht die Gegenposition von der Gefahr einer „Kolonialisierung“ des Ostens.

Vereinigung als „Angleichung“ vs. „Einheit in der Differenz“ und Vereinigung als Differenzierung

Von anfänglichen Angleichungsdiskursen über spätere Diefferenzierungsdiskurse bezogen auf wirtschaftliche, soziale und demographische Strukturen, steigen seit Mitte der neunziger Jahre die direkten Ost-West-Vergleiche an.

Unvergleichbarer Sonderfall vs. fruchtbarer Vergleichsfall in der Transformationsforschung

Hier wird die Frage gestellt, ob es sich im Falle der DDR um einen „normalen“ postsozialistischen Vergleichsfall oder wertvollen Kontrastfall handelt?

Anwendung und Spezifizierung gegebener Theorien und Ansätze vs. theoretische Innovationschancen in der ODF und VF

Trotz Anwendung verschiedenster Methoden und Theorien wurden die ursprünglichen Hoffnungen auf „Theoriesprünge“ oder „Innovationen“ angesichts des „Experiments Vereinigung“ nicht erfüllt. Die Ostdeutschland- und- Vereinigungsforschung teilt den abfallenden Spannungsbogen mit der postsozialistischen Transformationsforschung.

Diskussionsgrundlagen für die kommenden Sitzungen:

Was können wir unter der Bezeichnung „frakturierte Gesellschaft“ verstehen?

Welche Bereiche bezeichnet Mau als frakturiert?

Welche Probleme entstehen aus der Begrifflichkeit für die beschriebene Gesellschaft?

Können die Frakturen überwunden werden und was bräuchte es dazu?

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