Inhaltsverzeichnis
Räumliche (Un)Gleichheit in der DDR-Gesellschaft
Literaturgrundlage
Primärliteratur: Mau, Steffen 2020 Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, 3.Auflage , Berlin, Suhrkamp, Kapitel 1 und 2.
Sekundärliteratur: Aus Gutsche, V., Holzinger, R., Pfaller, L., Sarikaya, M. (Hg.) 2022, Distinction, Ausgrenzung und Mobilität. Erlangen-Nürnberg. Redepenning, M. (2022) Räumliche Ungleichheit und die Frage nach dem Stellenwert des Räumlichen. Erlangen-Nürnberg.
Auseinandersetzung mit der Primärliteratur
Hauptthesen
Im Folgenden der Überblick über einige Begrifflichkeiten und Thesen, die Mau in seiner Darstellung Lütten Kleins und der Gesellschaft der DDR verwendet.
Die Plattenbausiedlungen als „Idealstädte“ des Sozialismus (Mau 2019: 29).
- repräsentieren den Sozialismus und die damit verbundene Lebensart sowie den wissenschaftlich-technischen Fortschritt des Sozialismus (vgl. Mau 2019: 27).
- ihre Errichtung wird medial und politisch inszeniert (vgl. Mau 2019: 29).
„Sozialökologie des Wohnens“ (Mau 2019: 40)
- „Man wohnte zusammen und man wohnte gleich“ (Mau 2019: 36).
- enger Zusammenhang der sozialistischen Lebensweise der „Arbeiterklasse“ und der Wohnzufriedenheit mit Wohnraum und Sozialstruktur in den Plattenbausiedlungen (vgl. Mau 2019: 30 f.).
- impliziert gesellschaftliche Vereinheitlichung und Konformität → Anpassen und Einfügen in gesellschaftliche Rollenbilder
- Aufgrund gleicher Wohnausstattung und Zugang zu Dienstleistungen kommt es zu keiner wohnbezogenen Segregation (vgl. Mau 2019: 36).
„Sozialstruktureller Egalitarismus“ (Mau 2019: 43)
- Gleichheit als Fortschrittsmaß der sozialistischen Gesellschaft (vgl. Mau: 43).
- eine „nach unten hin nivellierende Gesellschaft“ (Mau 2019: 46) schränkt die Aufstiegschancen hinsichtlich ökonomischer und akademischer Verhältnisse langfristig ein
„Hofierung der Arbeiterklasse“ (Mau 2019: 50)
- vorherrschender „Kult der Arbeiterlichkeit“, aber keine gesellschaftliche Trennung nach Berufsbildern zu beobachten (Mau 2019: 50 f.).
- Die einseitige Förderung des Bildungssystem weg von der Ausbildung zu akademischen Berufen blockiert in den letzten Jahren der DDR die soziale Mobilität. → die „Politik der positiven Diskriminierung“ erreicht das Ziel eines offenen Mobilitätsmodells nicht (vgl. Mau 2019: 54).
Diskussionsfragen
- (Mau 2019: 47 ff.) Die staatliche Förderung von körperlicher Arbeit und die Verachtung von „Kopf- und Geistesmenschen“ (Mau 2019: 49)/ Abbau von Hochschulen. (53 ff.)
- Status der Arbeiterklasse als ,der entscheidende Träger politischer Macht’ (Mau 2019: 49) + die Beziehung zwischen Chef und Arbeiter in der DDR. (Mau: 51 f.)
1. Welche Folgen könnten diese zwei Aspekte der „arbeiterliche[n] Gesellschaft“ (Engler 2010, zit. n. Mau 2019: 48) der DDR für ostdeutsche Bürger*innen nach der Wende gehabt haben?
2. „Dieser stark aufgeladene Begriff [Arbeiterklasse] wirkte wie ein semantischer Regenschirm, unter dem alle Platz finden konnten – ganz so wie heute der Begriff der Mittelschicht“ (Mau 2019: 50) - Wie ist dieser Vergleich zwischen der in der DDR weitverbreiteten Identifikation mit der Arbeiterklasse und der heutigen Selbstbezeichnung als Teil der „Mittelschicht“ zu bewerten?
3. Laut Mau (2019: 42) wurden in Lütten Klein „soziale und auch kulturelle Unterschiede weitgehend abgemildert“, d. h. die Merkmale der eigenen Herkunft wurden zugunsten von Konformität und Einheit zurückgestellt (Mau 2019: 40). Welche Vor- und Nachteile hat diese Politik von kultureller (und sozialer) Assimilation?
4. (Mau 2019: 40 f.) Warum denken Sie, dass die Mehrheit der Bewohner*innen Lütten Kleins kein Problem mit dieser Assimilation hatten?
5. „In der DDR konnte man seinen Vorgesetzten beleidigen, ohne daβ man Ärger bekam, aber die Partei und Staatsführung eben nicht. Im Westen war es genau anders herum“ (Mau 2019: 52). Inwiefern gilt dieser Vergleich Ihrer Meinung nach? Können die Beschränkungen der Kritik von politischen Machthabern in der DDR mit den Beschränkungen der Kritik von professionellen Machthabern in der BRD gleichgesetzt werden?
Auseinandersetzung mit dem Sekundärtext und Verknüpfung zur Primärliteratur
„Die doppelte Relevanz von Raum“ (Redepenning 2022: Kap. 4.2)
Im Folgenden werden die Grundlagen einer Konzeption von Raum von Marc Redepenning grob skizziert, mithilfe derer sich die sozialräumliche Struktur Lütten Kleins veranschaulichen lässt.
Raum als „Objektensemble“ (Redepenning 2022: 50 f.)
- Raumverständnis: die Geographie eines Ortes → die Anordnung von materiellen, statischen Objekten und die Relation zu den daran orientierten menschlichen Bewegungen (vgl. Redepenning 2022: 51)
- Beispiele: technische und soziale Infrastruktur (Gebäude, Straßen, Schulen, …), demographische Strukturen
Raum als Raumsemantik (Redepenning 2022: 51 f.)
- Raumverständnis: dient als Element der Kommunikation → Vorstellungen und Wahrnehmungen sind von Räumen wichtig, um menschliche Reaktionen auf sozialräumliche Gegebenheiten zu erklären (Redepenning 2022: 51 f.).
- Mögliche handlungsleitende Wirkung bei der Entwicklung von Orten → Einfluss auf den Raum als „Objektensemble“
- Wie lassen sich die beiden Konzeptionen von Raum auf Lütten Klein und die Relation zur „Altstadt“ (Mau 2019: 41) beziehen?
„Die Unterschiede in den Wohnformen waren zunächst äußerlich, aber es gab auch etwas im Habitus der Bewohner, das die „Altbaumenschen“ von uns unterschied.“ (Mau 2022: 41)
- Wie wird die Wohnsiedlung Lütten Klein in der DDR wahrgenommen?
- Inwieweit ist die Bezeichnung Lütten Kleins als „Idealstadt“ (Mau 2019: 27) des Sozialismus angemessen? (Raumsemantik)