Welche geschlechtsspezifischen Darstellungen (potenziell) Betroffener von Schwangerschaftsabbrüchen gibt es in unterschiedlichen feministischen und progressiven Online-Artikeln?

In diesem Projekt wird untersucht, welche geschlechtsspezifischen Darstellungen von Menschen, die potenziell von Abtreibungen betroffen sind, es in feministischen und progressiven Artikeln gibt. Dabei werden Online-Magazine und Blogs berücksichtigt, die sich explizit feministisch oder progressiv verstehen. Die Auswahl der Publikationen wurde so getroffen, dass innerhalb des feministischen und progressiven Diskurses ein möglichst breites Spektrum an Zielpublikum abgedeckt würde. In der Analyse soll einerseits untersucht werden, wer als (potenziell) betroffen von Abtreibungen dargestellt wird, im Besonderen in Bezug auf verschiedene Geschlechtsidentitäten. Andererseits soll auch darauf eingegangen werden, in welchen Kontexten sich diese Darstellungen eventuell verändern. Hierbei wird vor allem die Verwendung von geschlechtergerechter und geschlechtsneutraler Sprache untersucht.

Geschlechtsidentitäten und Abtreibungen

Von Schwangerschaften und dadurch auch Abtreibungen sind potenziell alle Menschen betroffen, die eine Gebärmutter besitzen, jedoch definieren sich nicht alle dieser Menschen als Frauen. Auch die Schreibweise „Frauen*“, die viele Feminist*innen verwenden, wird diesen verschiedenen Geschlechtsidentitäten nicht gerecht, da unter anderem auch trans* Männer und non-binäre Personen eine Gebärmutter haben können, diese sich aber nicht als „Frau*“ definieren. Dazu hat Hengameh Yaghoobifarah geschrieben: „Wenn ich beispielsweise an dem Satz „Frauen haben ein Recht auf Abtreibung“ lediglich ein Sternchen an „Frauen“ hänge, verschwindet die Transfeindlichkeit nicht automatisch. Nicht-binäre Leute und trans Männer haben ebenso sehr ein Recht auf Abtreibung […].“ 1) Der ganze Artikel beschäftigt sich mit dem Thema der Inkludierung unterschiedlicher Geschlechtsunterschiede in Sprache und ist sehr lesenswert. Des Weiteren hat auch Tom Máscolo im Interview mit Nathaniel Flakin gesagt: „Mir ist klar geworden, dass alle Frauen und potentiell schwangere Personen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche haben müssen. Potentiell schwangere Personen […] sind all diejenigen mit einer Gebärmutter. An dieser Stelle ist eine Erklärung sinnvoll: Die Geschlechtsidentität und die Genitalien werden oft miteinander vermischt. Aber das ist nicht richtig. Es gibt Frauen mit Penissen und Männer mit Vaginas. Es gibt so viele Identitäten wie es menschliche Wesen gibt, da die Identität ein soziales Konstrukt ist.“ 2)
Auch dieser englische Artikel behandelt das Thema Abtreibung und Geschlechtsidentitäten und warum es wichtig ist, auch bei diesem Thema auf geschlechtsneutrale Sprache zu achten: https://www.allure.com/story/abortion-gender-neutral-language-transgender-men-nonbinary.
Deswegen ist es wichtig, zu untersuchen ob und wie die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten, die potentiell betroffen von Abtreibung sein können, in feministischen und „progressiven“ Artikeln dargestellt wird. Denn oft setzen auch Feminist*innen „Menschen mit Gebärmutter“ mit „Frauen*“ gleich, was dazu führt dass cis 3) Frauen als einzige Gruppe, die von Abtreibungen persönlich betroffen ist, präsentiert wird.

Vorgehensweise bei der Forschung


Nach der Auswahl des Themas wurden einerseits in der Suchmaschine Google die Stichwörter „feministisches Magazin“ und „feministische Zeitschrift“ eingegeben. Als Treffer wurden dabei unter anderem Missy Magazine, Pinkstinks, EMMA, Edition F und F-Mag auf der ersten Seite angezeigt. Um auch andere Magazine mit einzubeziehen, die zwar nicht explizit feministisch oder an Frauen* gerichtet sind, wurden auch taz und ze.tt mit eingeschlossen, die auch regelmäßig über feministische Themen berichten. Die Idee war anfangs auch, sich auf den feministischen „Mainstream“ zu beschränken, obwohl zu dem Zeitpunkt keine genaue Definition von Mainstream miteinbezogen wurde. Auch war anfänglich die Überlegung, die Publikationen taz.gazete 4) und Klasse gegen Klasse in die Auswahl mit einzuschließen. Stattdessen wurden die Publikationen aufgrund ihrer Reichweite bzw. weiten Verbreitung ausgewählt. Letztendlich wurden die folgenden Online-Magazine und Blogs ausgewählt: Missy Magazine, EMMA, Edition F, Mädchenmannschaft, F-Mag, taz.de, ze.tt und Pinkstinks. Nun wurden auf den Webseiten in der Suchfunktion die folgenden Stichwörter eingegeben: „Abtreibung“, „Schwangerschaftsabbruch“ und „schwanger“. Daraufhin wurde das Material auf die Ergebnisse vom Stichwort „Abtreibung“ eingegrenzt. Aufgrund der Anzahl der Artikel kam die Überlegung auf, die Jahreszahl doch weiter einzugrenzen und erst ab 2018 festzulegen, jedoch gab auf einigen Webseiten mehr Artikel als bei anderen. Um eine einigermaßen heterogene Auswahl an Blogs und Magazinen beizubehalten, wurde diese Idee wieder verworfen. Die Lösung dafür war dann, von jeder Webseite den neuesten Artikel, von Juni 2019, zu benutzen. Ein weiteres wichtiges Kriterium war die kostenlose online Zugänglichkeit der Artikel, sowie der Ausschluss von primär interviewbasierten Texten. Schließlich waren die Textformen Artikel, Blogeintrag, Kommentar und Kolummne diejenigen, die angemessen waren. Auch sollten die Artikel primär den §218 oder das Thema „Abtreibung“ generell behandeln, sowie einen Bezug auf Deutschland haben. ob der Fokus des Artikels oder Kommentars das Thema der Abtreibung selbst ist, oder ob es um Berichte über Proteste zu Abtreibungsgesetzen, -gegner*innen, etc. geht. Dann wurde auch darauf geachtet, ob es sich auf Deutschland bezieht. Letztendlich wurde ein Artikel pro Website ausgesucht, der alle Kriterien erfüllt und der zum Zeitpunkt der Recherche am aktuellsten war. Daraufhin wurden sechs Artikel ausgewählt, denn bei Mädchenmannschaft und F-Mag gab es keine Artikel, die alle Kriterien erfüllt haben. Allerdings erwähnen auch einige von den ausgewählten Artikeln entweder den §219a oder berichten über das Thema Abtreibung im Ausland, da beide Themen in den letzten Jahren sehr viel Aufmerksamkeit bekommen haben und deswegen in vielen Artikeln thematisiert wurden. Jedoch sind die betreffenden Artikel trotzdem hauptsächlich zu §218 und beziehen sich auch stark auf Deutschland.

Aufgrund ihrer eigenen Selbstverständnisse oder Informationen auf ihrer Seite verstehen sich die ausgewählten Magazine und Webseiten als feministisch oder zumindest als progressiv:

  • Taz: beschreibt sich nicht explizit als feministisch im Selbstverständnis, aber „Die taz wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung.“ 5)
  • Ze.tt: Online-Magazin in verschiedene Sparten aufgeteilt („Liebe & Sex“, „Politik & Macht“, Feminismus & Körperkult“ . „Kunst & Kultur“, „Queeres Leben“): also kann sie als feministisch verstanden werden 6)
  • Pinkstinks (Blog): „Pinkstinks ist eine Protest- und Bildungsorganisation gegen Sexismus und Homophobie.“ 7)
  • Edition F: „2014 entstand EDITION F (editionf.com) aus dem Wunsch heraus, Frauen mehr Raum in den Medien zu geben, eine Bühne und ihre Themen fern der Mode- und Beauty-Clichés zu positionieren und zu diskutieren.“ 8) Das Magazin ist zwar nicht explizit feministisch, aber an Frauen gerichtet. Allerdings gibt es einige Artikel zum Thema Feminismus, u.a. https://editionf.com/Keine-Angst-vor-Feminismus/. Dort wird auch über geschlechtergerechte Sprache geschrieben. Es gibt auf jeden Fall auch einen Fokus auf feministische Themen.
  • Missy Magazine: hat den Untertitel „Magazin für Pop, Politik und Feminismus“ 9)
  • EMMA: „Heute ist EMMA weltweit das einzige politische Magazin am Kiosk, das in Feministinnen-Hand ist - unabhängig von Konzernen, Werbung und Politik.“ 10)


Die Forschungsfrage wurde geändert, da anfangs mit der These eines „feministischen Mainstreams“ gearbeitet wurde, was sich jedoch als problematisch herausstellte und somit wieder verworfen wurde. Die Formulierung „(potenziell) Betroffene von Schwangerschaftsabbrüchen“ wurde deshalb gewählt, da sich der Diskurs in den Artikeln nicht nur auf aktuell Schwangere beziehen, sondern auf alle Menschen, die möglicherweise schwanger werden könnten, da es sehr oft generell um körperliche Selbstbestimmung geht. Daher werden Schwangerschaftsabbrüche als Thema gesehen, das letztendlich alle Menschen betreffen könnte, die die Möglichkeit haben, schwanger zu werden. Daher wird diese Thematik als „alle Frauen betreffend“ gesehen und als wichtiger Bereich von Frauenrechten betrachtet. Dies wird auch dadurch sichtbar, dass sich die Artikel nicht nur auf Schwangere direkt beziehen, sondern auch auf Frauen im Allgemeinen, wie zum Beispiel Vorurteile ihnen gegenüber.
Nach dem aufmerksamen Lesen der Artikel wurde mit dem Kodieren begonnen, welches in der Kategorisierung von geschlechtsspezifischen und geschlechtsneutralen Schreibweisen sowie Pluralformen resultierte. Diese wurden dann nach Artikel sortiert und ihre Verwendung bezüglich des Kontexts innerhalb der Texte wurde untersucht. Dann wurden die Ergebnisse der verschiedenen Artikel verglichen und die Erkenntnisse schließlich in der Auswertung festgehalten.

Material


  • Edition F: 13 Artikel, 12 ab 2016, alle frei zugänglich. Auswahl: „Der Kompromiss um 219a ist ein Witz – und das Frauenbild der Rechtsprechung erbärmlich“
  • Missy Magazine: 7 Artikel ab 2016, 3 davon frei zugänglich. Auswahl: „Don’t mention the Abtreibung“
  • taz: mehr als 20 Artikel von Januar bis Juni 2019, 6 davon passend zu allen Kriterien. Auswahl: „Die Entmündigung der Frau“
  • Zett: es gibt nur einen Artikel, der die Kriterien erfüllt. Alle anderen sind entweder bezogen aufs Ausland, enthalten Interviews oder beziehen sich nur indirekt auf Abtreibungen (Debatten um §219a, etc.). Der Artikel bezieht sich auch viel auf §219a, aber nicht ausschließlich, weswegen er ausgewählt wurde. Auswahl: „Kompromiss zu 219a: Warum ich erst feiern kann, wenn der Paragraf 218 abgeschafft wird“
  • Pinkstinks: 7 Artikel, 3 davon sind vor allem zu §219a, 1 bezogen auf Ausland und nur indirekt auf Abtreibung bezogen, 1 in Briefform, 2 erfüllen dem Anschein nach alle Kriterien, aber der eine ist doch sehr Interview-basiert. Auswahl: „Abtreibung gilt in Deutschland noch immer als Straftat“
  • EMMA: Es gibt 6 Artikel, von denen 4 nicht komplett frei zugänglich sind. Der ausgewählte Artikel bezieht sich vor allem auf Irland, wird aber auch mit der Lage in Deutschland verglichen. Auswahl: „Abtreibung: Zeitenwende in Irland…“
  • F-Mag: keine passenden Artikel gefunden
  • Mädchenmannschaft: keine passenden Artikel gefunden


Artikel für die Feinanalyse

Geschlechtergerechte Schreibweisen


Um möglichst viele bzw. alle Geschlechtsidentitäten in der geschriebenen und gesprochenen Sprache zu berücksichtigen, gibt es einige geschlechtsneutrale oder geschlechtergerechte Schreibweisen. Diese werden auch häufig von feministischen Journalist*innen verwendet. In dem Leitfaden „ÜberzeuGENDERe Sprache: Leitfaden für eine geschlechtersensible und inklusive Sprache“ von Annelene Gäckle werden folgende Möglichkeiten für geschlechtergerechtere Sprache aufgezeigt.

Binäre Schreibweisen (Mann/Frau)

  • „Beidnennung (Vollständige Paarform)“: „Besucherinnen und Besucher“
  • „Splitting“: Die Besucherin/Der Besucher
  • „Binnen-I“: Der/Die BesucherIn


Inklusion aller Geschlechter

  • „Gender-Gap“: Besucher_innen
  • „Gender-Sternchen“: Besucher*innen


Genderneutrale Schreibweisen

  • „die betroffene Person“ statt „der Betroffene“
  • „Der einzelne Mensch“ anstatt „Der Einzelne“
  • „substantivierte Partizipien oder substantivierte Adjektive“: „Studierende“, „Interessierte“, Besuchende
  • „Passivbildungen“
  • „Partizipien“


Quelle

Gäckle, Annelene. „ÜberzeuGENDERe Sprache: Leitfaden für eine geschlechtersensible und inklusive Sprache.“ Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln, 5. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2017, https://gb.uni-koeln.de/e2106/e2113/e16894/2017_Leitfaden-5.Auflage-Neu-web-final_ger.pdf.

Map von Sozialen Welten



Situations-Map (geordnet)


  • Individuelle menschliche Elemente/Akteur*innen:

(potenziell) Betroffene: trans* Männer, trans*maskuline Personen, nicht-binäre Menschen (mit Uterus), cis Frauen; Ausgeschlossen: trans* Frauen und trans*feminine Personen; Journalist*innen, Autor*innen

  • Kollektive menschliche Elemente/Akteur*innen:

Aktivist*innen, Feminist*innen, Leser*innen

  • Politische/wirtschaftliche Elemente:

Zielgruppe der Artikel, Umsatz des Magazins, Anzahl der „Klicks“,

  • Hauptthemen/Debatten:

Trans*feindliche/ausschließende Sprache,

  • Nichtmenschliche Elemente/Aktanten:

Abtreibungen, §218, §129a, Online-Magazine, Online-Ausgaben von Printmedien, gendersensible Sprache: Gender-Sternchen, Gender-Unterstrich, Partizip, substantivierte Adjektive, geschlechtsneutrale Wörter; Vorstellungen von Geschlecht in der Gesamtgesellschaft, Feministischer Mainstream, verschiedene Feminismen,

  • Implizierte/stumme Akteur*innen/Aktanten:

Trans* Männer und non-binäre Personen, die eine Gebärmutter haben und deswegen automatisch dem Begriff „Frau“ zugeordnet werden, trans*-Frauen, die keine Gebärmutter haben und deshalb vom „Frauen“-Begriff ausgeschlossen werden

  • Sozio-kulturelle/symbolische Elemente:

Verschiedene Geschlechtsidentitäten: trans* Männer; trans*-maskuline, genderqueere, agender, bigender, nicht-binäre, genderfluide Personen

  • Räumliche Elemente:

Diskurs auf Deutschland begrenzt, Online-Raum

  • Verwandte Diskurse:

Trans-exkludierender Radikaler Feminismus, moralische Debatten über Abtreibungen, Trans*-feindlicher Diskurs, feministische Debatten über sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, stereotypische Geschlechterrollen, Verknüpfung von Geschlechtsidentität und Genitalien (keine Sex/Gender Trennung),

Analyse


In zwei von den sechs ausgewählten Artikeln ist der Begriff „Frau“ in der Überschrift vorhanden. Diese beiden sind „Der Kompromiss um 219a ist ein Witz - und das Frauenbild der Rechtsprechung erbärmlich“ von Edition F und „Die Entmündigung der Frau“ von taz. Durch die Aussage des Edition F Artikels dass „das Frauenbild der Rechtsprechung“ „erbärmlich“ sei, wird direkt signalisiert, dass der §219a und somit auch Abtreibung ein Thema nur für Frauen ist. Diese Annahme ist auch in der Überschrift des Artikels in der taz zu finden, da hiermit vermittelt wird, dass nur Frauen durch die „patriarchale Rechtslage bei Abtreibungen“ 11) entmündigt werden.
Wie in den Tabellen zu den geschlechtsspezifischen und -neutralen Formulierungen in den jeweiligen Artikeln zu sehen ist, werden in allen Artikeln, außer in dem der EMMA, sowohl geschlechtsspezifische als auch geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet. Geschlechtsspezifisch sind Formulierungen, die ausschließlich Frauen als von Abtreibung betroffen darstellen. Dahingegen sind Ausdrücke wie „Menschen mit einer Gebärmutter“ 12) geschlechtsneutral, da sie den Menschen, die potenziell schwanger werden könnten, kein Geschlecht zuschreiben. In allen sechs Artikeln kommen jedoch geschlechtsspezifische Begriffe häufiger vor als geschlechtsneutrale. Es ist allerdings kein Muster erkennbar, in welchem Kontext geschlechtsspezifische oder -neutrale Ausdrücke verwendet werden.
Der Artikel der EMMA ist in diesem Punkt insofern eine Ausnahme, dass unter den geschlechtsneutralen Formulierungen keine vorhanden ist, die potenziell schwangere Menschen ohne eine direkte Zuweisung von Geschlechtsidentität beschreibt. Um dies weiter auszuführen, gibt es in jedem anderen Artikel mindestens eine Schreibweise wie „Schwangere“ oder „Menschen mit einer Gebärmutter“ 13). In dem Artikel von Chantal Louis jedoch sind die einzigen zwei geschlechtsneutralen Schreibweisen „Interessierte“ und „mancheR PolitikerIn“ 14). Erstere ist eine gängige Formulierung, die wahrscheinlich unbeabsichtigt geschlechtsneutral ist. Letztere ist auf Politiker*innen der CDU/CSU bezogen. Daher haben keine der beiden Schreibweisen einen direkten Bezug auf (potenziell) Schwangere, was dazu führt, dass diese im Artikel ausschließlich als Frauen bezeichnet werden.
Des Weiteren benutzen alle fünf Beiträge, bis auf den der EMMA, das „Gender-Sternchen“ als Pluralform, wie „Bestimmer*innen“ 15). Diese Schreibweise soll möglichst alle Geschlechtsidentitäten umfassen. Wenn ausgedrückt werden soll, dass die Geschlechtsidentität von Menschen nicht bekannt ist, wie bei „Jede*r Gynäkolog*in“ 16), wird das „Gender-Sternchen“ auch verwendet. Damit wird sichtbar gemacht, dass alle Menschen, u.a. Gynäkolog*innen jede Geschlechtsidentität haben können und es wichtig ist, dies auch in der Schreibweise zu reflektieren. Jedoch wird hierauf nur in den Kontexten geachtet, in denen es nicht um von Abtreibungen betroffene Personen geht. Deshalb wird sich in den Texten vor allem darauf bezogen, dass Frauen die Personen sind, die von Abtreibung betroffen sind. Die einzigen Ausnahmen hierbei sind die bereits erwähnten geschlechtsneutralen Begriffe.
Der Text von Chantal Louis in der EMMA benutzt hingegen das sogenannte „Binnen - I“ als Pluralform, bei dem Männer und Frauen, aber keine weiteren Geschlechtsidentitäten eingeschlossen sind.

Auswertung


In der Analyse der sechs ausgewählten Artikel wurde klar, dass bei allen außer dem Artikel der EMMA eine Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch der geschlechtergerechten Sprache und ihrer tatsächlichen Umsetzung besteht. In dem Artikel „Abtreibung: Zeitenwende in Irland…“ von Chantal Louis ist dies deshalb nicht der Fall, da die Autorin generell das „Binnen-I“ benutzt, welches nur die binären Geschlechter von Männern und Frauen beinhaltet. Daher ist es nicht überraschend, dass sie nur Frauen als potenziell schwangere und somit abtreibende Personen darstellt.
Die feministische Zeitschrift EMMA unterscheidet sich von den anderen Magazinen und Blogs insofern, dass sie anstatt einem intersektionalen Feminismus einen Differenzfeminismus vertreten. Dadurch, dass sich diese feministische Strömungen ziemlich stark unterscheiden, ist es verständlich, dass sie auch unterschiedliche Auffassungen zu gendersensibler Sprache haben und unterschiedliche Arten davon benutzen. Der Artikel aus der EMMA ist demnach also konstant, da er das „Binnen-I“ verwendet und nur Frauen als potenziell Abtreibende erwähnt. Die restlichen fünf Artikel beinhalten im Gegensatz dazu einen starken Widerspruch, da sie alle bei Pluralformen und in anderen Fällen das „Gender-Sternchen“ nutzen, jedoch Geschlechtsidentitäten jenseits von cis Frauen und Männern nicht berücksichtigen, wenn es um (potenziell) Abtreibende geht.
Indem sie Frauen als Synonym für möglicherweise Schwangere einsetzen, schließen sie damit einerseits trans* Frauen von dem „Frauen“-Begriff aus, da diese nicht schwanger werden können. Außerdem werden somit auch trans* Männer und Menschen mit Gebärmutter, die sich mit anderen Geschlechtsidentitäten identifizieren, als Frauen bezeichnet. Daher ist weiterhin offensichtlich geworden, dass alle Artikel, hauptsächlich durch die verwendeten Begrifflichkeiten, potenziell Schwangere mit Frauen gleichsetzen. Da kein Muster bei der Verwendung von geschlechtsspezifischen bzw. geschlechtsneutralen Formulierungen erkennbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese zufällig und wegen der Abwechslung ergibt.
Auch die Bilder, die in den Artikeln enthalten sind, zeigen größtenteils als cis Frauen gelesene Personen, die potenziell Schwangere repräsentieren sollen. Nur die zwei Artikel von Pinkstinks und Missy Magazine, die keine Personen abgebildet haben, verfestigen durch die inkludierten Bilder nicht die Annahme, dass nur Frauen schwanger werden können.
Dadurch, dass die Autor*innen geschlechtergerechte Sprache, also konkret das sogenannte „Gender-Sternchen“ verwenden, könnte davon ausgegangen werden, dass diese sich mit der Idee von Gender als Konstrukt und der vorherrschenden Binarität auseinandergesetzt haben. Diese Annahme kann jedoch nicht vollständig bestätigt werden, da in allen untersuchten Artikeln, die das „Gender-Sternchen“ benutzt haben, auch der Großteil der Formulierungen aussagt, dass „(potenziell) Schwangere“ mit (cis) Frauen gleichgesetzt wird. Es werden direkt oder indirekt nur Frauen bedacht, wenn es um Personen, die potenziell abtreiben, geht. Dies geschieht durch die geschlechtsspezifischen Formulierungen, sowie teilweise auch durch die Bilder, die den Artikeln hinzugefügt wurden. Auch wenn die Autor*innen generell geschlechtergerechte Schreibweisen benutzen, werden bei diesen potenziell abtreibende Personen nicht eingeschlossen.

Quellen


Baier, Alicia. „Patriarchale Rechtslage bei Abtreibungen: Die Entmündigung der Frau.“ taz, 15. Jun. 2019, taz.de/Patriarchale-Rechtslage-bei-Abtreibungen/!5600381/. Zugriff am 15. Aug.2019.

Clarke, Adele E. Situationsanalyse. Wiesbaden, VS, 2012.

Kaiser, Mareice. „Kompromiss zu 219a: Warum ich erst feiern kann, wenn der Paragraf 218 abgeschafft wird.“ Ze.tt, 29. Jan. 2019, ze.tt/kompromiss-zu-219a-warum-ich-erst-feiern-kann-wenn-der-paragraf-218-abgeschafft-wird/. Zugriff am 15. Aug.2019.

Keller, Rainer. Diskursforschung: eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden, VS, 2011.

Louis, Chantal. „Abtreibung: Zeitenwende in Irland…“ EMMA, 30. Mai 2018, emma.de/artikel/zeitenwende-irland-335777. Zugriff am 15. Aug.2019.

Nandi, Jacinta. „Don’t mention the Abtreibung.“ Missy Magazine, 07. März 2019, missy-magazine.de/blog/2019/03/07/dont-mention-the-abtreibung/. Zugriff am 15. Aug.2019.

Schröder, Melanie. „Abtreibung gilt in Deutschland noch immer als Straftat.“ Pinkstinks, 26. Sep. 2017, pinkstinks.de/abtreibung-gilt-in-deutschland-noch-immer-als-straftat/. Zugriff am 15. Aug.2019.

Strassner, Nina. „Der Kompromiss um 219a ist ein Witz – und das Frauenbild der Rechtsprechung erbärmlich.“ Edition F, 20. Feb. 2019, editionf.com/Nina-Strassner-Rechtsstaat-Schwangere-Abtreibung-Bevormundung-Opferrolle-219a-218. Zugriff am 15. Aug. 2019.

1)
Yaghoobifarah, Hengameh. „Stars und Sternchen.“ Missy Magazine, 11. Mai 2018, missy-magazine.de/blog/2018/05/11/stars-und-sternchen/. Aufgerufen am 16. Juli 2019.
2)
Flakin, Nathaniel. „„Ich habe abgetrieben.“ – Interview mit Tom Máscolo über trans Männer und das Recht auf Abtreibung.“ Klasse Gegen Klasse, 25. Apr 2018, www.klassegegenklasse.org/ich-habe-abgetrieben-interview-mit-tom-mascolo-ueber-trans-maenner-und-das-recht-auf-abtreibung/. Aufgerufen am 16. Juli 2019.
3)
„cis“ bedeutet, dass man bei der Geburt ein Geschlecht zugewiesen bekommen hat, dem man sich zugehörig fühlt. Das Gegenteil von „trans*“
4)
ein Onlineportal von taz.de, das sich mit Themen rund um die Türkei beschäftigt. https://gazete.taz.de/about/
5)
Redaktionsstatut. taz die Tageszeitung, 26. November 2008, taz.de/taz-die-tageszeitung/!114802/. Abgerufen am 28. Aug. 2019
6)
ze.tt. 2019, ze.tt. Abgerufen am 28. Aug. 2019.
7)
Was wir tun. Pinkstinks, 2019, pinkstinks.de/was-wir-tun/. Abgerufen am 28. Aug. 2019
8)
Presseseite. EDITION F, 2019, editionf.com/presseseite/. Abgerufen am 28. Aug. 2019
9)
Missy Magazine. missy-magazine.de, Abgerufen am 28. Aug. 2019
10)
Pressebereich. EMMA, 26. Jan. 2017, www.emma.de/thema/pressebereich-334017. Abgerufen am 28. Aug. 2019
11)
Baier, Alicia. „Patriarchale Rechtslage bei Abtreibungen: Die Entmündigung der Frau.“ taz, 15. Jun. 2019, taz.de/Patriarchale-Rechtslage-bei-Abtreibungen/!5600381/. Zugriff am 15. Aug.2019.
12)
Strassner, Nina. „Der Kompromiss um 219a ist ein Witz – und das Frauenbild der Rechtsprechung erbärmlich.“ Edition F, 20. Feb. 2019, editionf.com/Nina-Strassner-Rechtsstaat-Schwangere-Abtreibung-Bevormundung-Opferrolle-219a-218. Zugriff am 15. Aug. 2019.
13) , 15) , 16)
Strassner, Nina. „Der Kompromiss um 219a ist ein Witz – und das Frauenbild der Rechtsprechung erbärmlich.“ Edition F, 20. Feb. 2019, editionf.com/Nina-Strassner-Rechtsstaat-Schwangere-Abtreibung-Bevormundung-Opferrolle-219a-218. Zugriff am 15. Aug. 2019.
14)
Louis, Chantal. „Abtreibung: Zeitenwende in Irland…“ EMMA, 30. Mai 2018, emma.de/artikel/zeitenwende-irland-335777. Zugriff am 15. Aug.2019.
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