Auswahl von Daten für eine Diskursanalyse nach Keller

Allgemeine Datenauswahl

Die Datenauswahl beginnt laut Keller mit der Auswahl bestimmter Datenformate, diese müssen für die Forschungsfrage beziehungsweise das Forschungsinteresse angemessen sein (vgl. Keller 2011: 87). Typischerweise verwendet man für die Diskursanalyse textförmige Daten, audiovisuelle Daten, Vergegenständlichungen in Objekten oder beobachtbare soziale Praktiken (vgl. ebd.: 86f.).

Korpusbildung

Anschließend an die Auswahl der Datenform erfolgt die Zusammenstellung der Daten. Diese Korpusbildung „erfolgt meist im Rückgriff auf unterschiedliche Datenbanken, bspw. Pressearchive und -recherchedienste, Bibliotheken und Spezialarchive.“ (Keller 2011: 89). Seit dem zunehmenden Rückgriff von Printmedien in digitaler Form – besonders Daten aus dem Internet – muss beachtet werden, dass es „Gegenüber den ‚Originalen‘ [..] hier evtl. zu Veränderungen der Daten [kommt] dahingehend, dass Originalkontexte und -formate der Veröffentlichung – und damit einige, möglicherweise wichtige Zusatzinformationen – verloren gehen.“ (ebd.). Letztlich weist Keller auf zwei Dinge hin. Erstens, dass die Korpusbildung „einer permanenten Begleitung und Hinterfragung im Hinblick auf ihre anvisierte Zusammensetzung und den notwendigen Grad der Vollständigkeit [bedarf]“ (ebd.). Zweitens, „dass nicht nur die Analyse, sondern bereits die Zusammenstellung von Daten nach theoriegeleiteten, also reflektierten Kriterien erfolgt.“ (Keller 2011: 90).

Für den Vorgang der Korpusbildung stellt Keller folgende leitende Fragen auf:

Leitfragen zur Datenerhebung (Korpusbildung): (Keller 2011: 90)
  • Welche Daten passen zur verfolgten Fragestellung? Welche Zeiträume und sozialräumlichen Einheiten sollen erfasst werden?
  • Stehen diese Daten im anvisierten Gegenstandsbereich zur Verfügung?
  • Welcher Datenumfang kann im Rahmen der verfügbaren Ressourcen erhoben und mit der anvisierten Form der Datenanalyse bearbeitet werden?
  • Durch welche Quellen können die Daten erschlossen werden?
  • Sind diese Quellen selektiv? Nach welchen Kriterien treffen sie ihre Vorauswahl? Ist deswegen eine Ergänzung bzw. Korrektur der Datensammlung notwendig?
  • Eignen sich die erhobenen Daten tatsächlich für die Fragestellung, bspw. im Hinblick auf die verfolgten Zeithorizonte, thematische Breite und Spezifizierung, Erfassung von Akteuren?
  • Sind Nacherhebungen notwendig?
  • Wann entspricht der Datenumfang den Forschungserfordernissen, d.h. wann ist die Datensammlung abgeschlossen? Wie kann das begründet werden?

Datenauswahl für die Feinanalyse

Selten bildet sich ein ganzer Diskurs in einem einzigen Datenstück wieder. „Deswegen müssen sich Diskursanalysen auf Detailanalysen einer mehr oder weniger großen Menge einzelner Aussageereignisse stützen.“ (Keller 2011: 91). Dafür ist es notwendig eine Auswahl an Daten für die Feinanalyse zu treffen, deren Kriterien „systematisch“ „reflektiert[e]“ und „begründet[e]“ (ebd.) sind. Die Begrenzung bezieht sich nicht nur auf ganze Texte, sondern ebenfalls auf Abschnitte von vorhandenen Daten (vgl. ebd.). „Dabei sollte auch eine gewisse Breite, aber auch Vergleichbarkeit der aus dem Korpus ausgewählten Daten geachtet werden […].“ (ebd.). Der Prozess der Auswahl von Daten zur Feinanalyse ist ein sich wiederholender Prozess. „Man beginnt zunächst mit einem ‚bedeutsam‘ erscheinenden Dokument und sucht dann innerhalb des Datenkorpus nach einem dazu stark unterschiedlichen (maximale Kontrastierung) oder vergleichsweise ähnlichen (minimale Kontrastierung) Aussageereignis.“ (Keller 2011: 93). Keller weist darauf hin, „dabei durchgehend […] auf die Vergleichbarkeit bzw. Relationierung der ausgewählten Dokumente oder Teildokumente zu achten; erst dadurch sind konsistente Interpretationen möglich.“ (Keller 2011: 93). Dieser Prozess wird genauso lange weitergeführt, „bis zusätzliche Analysen keinen Erkenntnisgewinn über das Gesamtkorpus bzw. die daran gestellte Forschungsfragen mehr ergeben.“ (Keller 2011: 93). Zum Ende der Feinanalyse werden die Ergebnisse der kleinen Ausschnitte auf den gesamten Diskurs beziehungsweise auf die gesamten Diskurse übertragen (vgl. ebd.).

Auch hier formuliert Keller Fragen, die im Forschungsprozess als Hilfe herangezogen werden können:

Orientierungshilfen für die Auswahl von Daten zur Feinanalyse:
  • Inwiefern ist anzunehmen, dass ein ausgewähltes Dokument Antworten/Ergebnisse zur verfolgten Fragestellung bietet?
  • Handelt es sich um typische, exemplarische Äußerungen, um Schlüsseltexte, -passagen. -akteure, und -ereignisse?
  • Sind alle als relevant identifizierbaren institutionellen Felder, Akteure, Positionen und Artikulationsweisen einbezogen?
  • Richtet sich das Forschungsziel eher auf Breite oder Tiefenschärfe der Rekonstruktion? Wie ist in Bezug darauf ein Dokument zu verorten?
  • Wie ist das Passungsverhältnis der ausgewählten Daten zueinander und zum anvisierten Diskurs bzw. diskursiven Feld?
  • Der Wechsel zwischen einzelnen Feinanalysen und der weiteren Textauswahl kann nach den Prinzipien des theoretical sampling, der minimalen und maximalen Kontrastierung erfolgen.
  • Die ursprünglichen Fragestellungen können sich im Fortgang der Feinanalyse, d.h. durch die Konfrontation mit den Daten verändern und eine Modifikation der Strategien weitere Datenauswahl erfordern.

Literautur

Keller, Reiner (2011): Diskursforschung.Wiesbaden.

Drucken/exportieren