Inhaltsverzeichnis
Kritik an der Solidarität
Transnationale feministische Solidarität ist eine Möglichkeit, Feminist:innen weltweit zu vereinen. Hierbei geht es vor allem um eine Solidarität zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden. Obwohl, wie bereits genannt, einige Konzepte entwickelt wurden, gibt es immer noch Punkte, die bemängelt werden könnten. Diese Kritik ist notwendig, um Selbstreflexion ausüben zu können, was zentral für die transnationale feministische Solidarität ist.
Sisterhood is global - Robin Morgan
Robin Morgan veröffentlicht im Jahr 1984 das Buch „sisterhood is global“. Der gleiche Slogan, den die feministische Bewegung inmitten der 1970er-Jahre verwendete. Von 68 Ländern wird die Situation der Frauen unter dem demografischen Aspekt betrachtet. Etliche Information werden dabei in einem Buch vereint. Da das Buch vor dem digitalem Zeitalter veröffentlicht wurde, war es schwer, so viele Informationen zu sammeln. Dies gelingt Morgan, indem sie eine feministische Aktivistin pro zu untersuchendes Land beauftragt, über ihr eignes Land zu schreiben.
Das Ziel von Morgan ist es, die lokalen feministischen Kämpfe miteinander zu verbinden. Dabei stellt sie die Frauen als die marginalisierte Mehrheit dar und dies in allen Nationen weltweit. Sie bezieht sich auch auf die Menschheit allgemein. In dem ganzen Prozess sucht sie eher nach Gemeinsamkeiten als nach Unterschieden. Das führt dazu, dass sie ein globales „Geschlechter-Muster“ konstruiert. Variation entstehen nur auf lokaler Ebene (vgl. Kerner: 79).
Diese Form der transnationalen feministischen Solidarität zielt darauf, die Differenzen zu verknüpfen und sich auf gemeinsame Probleme und Ziele zu fokussieren (vgl. Kerner: 80). Unter den Feminist:innen wurde dieses Buch stark kritisiert. Denn ihr Konzept von Schwesternschaft sagt, dass wir alle „im selben Boot auf einem rauen Meer des Patriarchats und des Sexismus“ (Kerner: 80) sitzen. Morgan vernachlässigt aber die Hierarchien zwischen den Frauen im globalen Süden und der Frauen der im globalen Norden. Die Differenzen zwischen Mann und Frau stellt sie aber auf und differenziert diese stark von einander. Ein weiterer Punkt, der kritisiert wird, ist, dass sie die globalen Verbindungen, die durch den Kolonialismus und den Imperialismus beeinflusst werden, vernachlässigt. Denn historische Prozesse sind beispielsweise nicht nur auf lokalen Traditionen begründet (Kerner: 80).
Feministischer Provinzialismus
Kerner (2020: 81) stellt die These dieser Kritik auf, indem sie behauptet, dass die westliche feministische Solidarität sich praktisch als eine Art von Imperialismus darstellt. „Westliche“ Feminist:innen haben sich auch dieser Kritik angenommen. Sie versuchen eine Umsetzung der globalen „sisterhood“ aufzugeben. Denn es besteht die Angst, dass die Geschlechtergerechtigkeit, welche sie ausüben wollen, eher als eine imperiale Geste wirkt. Diese Position nennt Kerner als feministischen Provinzialismus. In einer globalisierten Welt, wo der Einfluss des Kolonialismus immer noch herrscht, sollten Themen wie die Solidarität nicht an den Grenzen irgendwelcher Nationen enden. Es muss aber beachtet werden, dass eine Solidarisierung zwischen dem Süden und dem Norden nicht bedeutet, dass man die Welt auf eine gewisse Art und Weise zivilisieren will. Die Gefahr einer Bevormundung ist in diesem Fall bei einer Solidarität ist sehr hoch (vgl. Kerner 2020: 81).
Die reflexive Solidarität
Damit eine feministische Solidarität gesichert werden kann, ist die Selbstreflexion entscheidend. Denn „westlichen“ Feminist: innen müssen ihrer Privilegierung bewusst sein und alte Kenntnisse infrage stellen (vgl. Achtelik 2019: 42). Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, wo die Frau die Position des Opfers einnimmt. Diese Perspektive setzt alle Frauen auf eine Ebene. Jedoch werden dadurch die Trennlinien zwischen den Frauen vernachlässigt (vgl. Knapp 2012: 288f.) .
Werke von Bell Hooks, Chandra Tohante Mohanty oder Gayatri Chakravorty Spivak sind entscheidend für eine Solidarisierung unter Frauen. Sie behaupten, dass ein feministisches „Wir“ kontraproduktiv ist. Denn auch solch eine Gemeinschaft hat hierarchische Strukturen (vgl. Bargetz et al. 2019: 15).
Stattdessen soll ein „reflexives Wir“ entstehen, welches ein „offenes diskursives Geflecht“ ( Dübgen 2014: 264) ist.
Mohanty´s Konzept
Die von Morgan genannten Punkte sieht Mohanty als nicht zu treffend. Dieses Konzept würde eine Homogenisierung unter Frauen befürworten, welches aber durch nicht gleiche Erfahrungen nicht standhalten würde. Stattdessen schlägt Mohanty eine transnationale feministische Kooperation vor. Dabei geht es darum, Koalitionen zu bilden. Sie nennt es eine Strategie, um Kollaborationen innerhalb des transnationalen Feminismus zu bilden. Diese unterscheiden sich dann durch Kompromisse oder Konflikte (vgl. Kerner 2020: 80) .
Quellen
Achtelik, K. (2019). Eingeschränkte Solidarität–Feminismus zwischen Ableism und Intersektionalität. Femina Politica–Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 28(2), 40-53.
Bargetz, B., Scheele, A., & Schneider, S. (2021). Feministische Solidaritäten als dynamische Prozesse. Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020, 9-25.
Dübgen, F. (2014). Was ist gerecht?: Kennzeichen einer transnationalen solidarischen Politik. Campus Verlag.
Kerner, I. (2020). Provinzialismus und Semi-Intersektionalität: Fallstricke des Feminismus in postkolonialen Zeiten. Feministische Studien, 38(1), 76-93.
Knapp, G. A. (2012). Frauen-Solidarität und Differenz. Zum politischen und utopischen Gehalt des „affidamento “-Konzepts. In: Im Widerstreit. Feministische Theorie in Bewegung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. 287-299