Sitzung 5: [25.11.21]
Sitzung zur sozialen Konstruktion wissenschaftlichen Wissens.
- Wir haben ausgehend von der Rouses Gegenüberstellung von Wissenssoziologie und feministischer Wissenschaft über Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Ansätze gesprochen. Im Anschluss daran haben wir uns über den Ansatz von Knorr-Cetina ausgetauscht.
Platz für Kommentare:
- Die feministische Wissenschaft kritisiert die Wissenssoziologie, und fordert eine gesteigerte Selbstreflexion und einen engagierten eigenen Standpunkt, statt dem Versuch einer unbeteiligten Perspektive aus der Distanz. Wie stehen wir dazu?
Selbstreflexion erscheint unverzichtbar, gerade wenn man anerkennt, dass es keine unbeeinflusste Perspektive gibt.
Manche Interaktionen lassen sich nur durch eigene Beteiligung beobachten, und würden so für einen distanzierten Blick von außen gar nicht erst sichtbar werden.
Nach Rouse ist die Forderung von einem Blick von außen auf die Wissenschaft auch politisch kritisch, weil sie Marginalisierungen beschönigen kann, statt diese zu kritisieren. Hier lässt sich ein Kontrast zu der Theorie Hardings feststellen, die sich für eine Wissenschaft von der Außenseiterposition aussprach (vgl. Holland-Cunz 2003, S. 34f.).
- Die feministische Wissenschaft fordert, auch die Interaktion zwischen den Forschenden und den Erforschten zu betrachten. Was könnte damit gemeint sein?
Die Interaktion ist vielleicht abhängig davon, was der Gegenpart zur*m Forschenden ist. Einzelne Menschen? Gegenstände? Eine Gruppe? Im Fall der feministischen Untersuchung von Wissensproduktion vielleicht die wissensproduzierenden Instanzen?
Unabhängig von der Art der Interaktion im Einzelnen wäre anzuerkennen, dass Forschung immer eine Interaktion ist. Mit dem Bewusstsein, dass der*die Forschende nie unbeeinflusst vom Forschungsgegenstand ist, wird die herkömmliche Vorstellung vom „Forschungsobjekt“ als passiv und den Forschenden als aktiv aufgebrochen.
- Knorr-Cetina stellt unter anderem dar, dass die wissenschaftliche Wissensproduktion stark abhängig von aktuellen Interessen im Umfeld der Forschenden ist. Unterstellt sie damit den Wissenschaftler*innen nur von dem Wunsch nach Anerkennung angetrieben zu sein?
Vielleicht spielt nicht nur die gewünschte Anerkennung eine Rolle, sondern auch, dass die Forschenden abhängig von finanziellen Mitteln sind, die in Zusammenhang mit gesellschaftlich-politischen Interessen vergeben werden.
Wissenschaftler*innen können Erfolg auch im Sinne von gesellschaftlichem Nutzen ihrer Forschung definieren. Dann ist eine „Erfolgsorientierung“ eventuell nicht so problematisch?
Denkt man Wissenschaft als eine soziale Praxis, bei der der*die Einzelne immer Teil einer Gruppe ist, dann ist eine Abhängigkeit von der Forschungsgruppe nicht zu vermeiden.
Wissenschaftler*innen sind auch jenseits von Anerkennungswünschen von dem gesellschaftlichen Diskurs ihrer Zeit abhängig, weil dieser auch formt, was für den*die Einzelne*n überhaupt denkbar ist - also auch für Forschung erst infrage kommt.