Ein Weg zur Repräsentativität nach dem „postmodern turn“?- Adele E. Clarkes Ansatz der Situationsanalyse

1 Einleitung

Die Frage der Repräsentativität der Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung hängt unmittelbar mit dem Aspekt des Samplings zusammen. (Vgl. Przyborski 2014) Die Auswahl der zu untersuchenden Fälle aus einer Grundgesamtheit bestimmt, ob und inwiefern die Ergebnisse der Forschung verallgemeinert werden können. In der quantitativen Forschung ist Repräsentativität bereits bei der Auswahl der Stichprobe entscheidend: „Eine Stichprobe ist dann repräsentativ, wenn sie ein verkleinertes unverzerrtes Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Dies ist die Voraussetzung, um von einer untersuchten Stichprobe mit einer gewissen Irrtumswahrscheinlichkeit, auf die Gesamtpopulation (Grundgesamtheit) schließen zu können.“ (http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-8.html)
Innerhalb der qualitativen Sozialforschung dagegen werden in der Regel weniger Fälle in die Forschung einbezogen, woraus folgt, dass die Auswahl der Stichproben nicht repräsentativ ist. (Vgl. ebd.) Die Auswahl der für die Forschung geeigneten Fälle erfolgt hierbei vielmehr nach theoretischen Überlegungen: Qualitative Sozialforschung setzt, vor allem in Bezug auf die Grounded Theory, auf „theoretical sampling. Die Frage, die sich daraufhin stellen muss, ist diejenige nach der Repräsentativität der Ergebnisse qualitativer Forschung. Hierzu hat Adele E. Clarke einen Beitrag verfasst, in dem sie unter Berücksichtigung eines „postmodern turn“ in sämtlichen Sozialwissenschaften eine neue Methode vorschlägt, welche verschiedene Ansätze der Soziologie miteinander verbindet (z.B. Diskursanalyse (Kritische Diskursanalyse nach Jäger), symbolischer Interaktionismus und Wissensoziologie) und eine reformierte Form der Grounded Theory bilden soll. 

2 Der „Postmodern Turn“

Adele Clarke vertritt die Position, dass sich seit der „Entdeckung der Grounded Theory eine Wende vollzogen hat, die es nötig macht, forschungsspezifische Vorgehensweisen zu erneuern und dieser Veränderung anzupassen. Der „postmodern turn“ wird von der Autorin nicht spezifisch beschrieben. Es wird jedoch angedeutet, dass Clarke sich an den Schriften Jacques Derridas orientiert: „Postmodernism is the as yet unnamable which begins to proclaim itself.“ (Vgl. Clarke 2012: S. 26.) Der Einseitigkeit der Moderne wird die Möglichkeit einer Vielfalt nebeneinander bestehender Perspektiven gegenübergestellt. Daraus resultiert eine Pluralität der Wahrheiten anstelle einer universalen Logik der Vereinheitlichung. Die Abschaffung einer rein rationalen Sichtweise und die Öffnung für die Komplexität der sozialen Welt stehen dabei im Mittelpunkt. (Vgl. Clarke 2012: S.26.) Postmoderne Texte und Projekte, so Clarke, beschäftigen sich vor allem mit der Relativierung des Wissensbegriffs und sehen jegliches dem Menschen angeeignetes Wissen als konstruiert und damit situativ an. (Vgl. Clarke 2012: S.27.) Hieraus entsteht eine große Vielfalt an situativer Erforschung verschiedener sozialer Situationen und Diskurse, welche auch Grenzfälle und „Ausnahmen der Regeln“ mit einbeziehen. Der Anspruch auf universale Gültigkeit, so Clarke, werde nach dem postmodern turn nur als naiv oder gar ignorant angesehen. Durch die Relativierung aller modernen Vorgehensweisen müssen infolge des postmodern turn nicht nur quantitative, sondern auch interpretative, qualitative Formen der Wissensgenerierung infrage gestellt werden. Der fächerübergreifende Zustand nach der Moderne macht es Clarke zufolge nötig, den Ansatz der Grounded Theory zu überarbeiten, um dem Zeitgeist gerecht zu werden, um neue, komplexere soziale Fragen und Situationen zu verstehen und Probleme zu lösen. Dazu gehöre im Besonderen, vereinfachende Techniken und Strategien, die insbesondere in der quantitativen Forschung dazu dienen, „Störfälle“ auszublenden, um reinere und eindeutigere Ergebnisse zu erzielen, aufzugeben, sich der Vielfalt und Komplexität der Welt  zu stellen und diese als Teil der Forschung zu akzeptieren. (Vgl. Clarke 2012: S. 30.)

3 Situationsanlyse

Clarke orientiert sich in ihrem Werk an der Grounded Theory als qualitativem Forschungsansatz und schlägt vor, diesen in Anbetracht des postmodern turn um ihren Ansatz der Situationsanalyse zu ergänzen. Speziell geht es bei ihrem Versuch der Reformation der traditionellen Grounded Theory-Methode um die Inklusion der Analyse der erforschten Gesamtsituation, d.h. unter anderem eine Beachtung der nicht sichtbaren Elemente der sozialen Welten, der komplexen Beziehungen, die für die Forschungsfrage eine Rolle spielen, sowie die Betrachtung narrativer, visueller und historischer Diskurse. Clarke erhofft sich mit der Ergänzung der qualitativen Forschung um den Situationsanalysenaspekt eine Bereicherung im Wesen der Sozialforschung. Es soll möglich gemacht werden, mit Forschungsergebnissen so nahe wie möglich an die soziale Wirklichkeit heranzukommen, indem die wesentlichen Komplexitäten der Problemfelder postmoderner Methodologie erfasst werden. Die Grounded Theory bietet dahingehend eine gute Basis, da sie laut Clarke von Beginn an postmoderne Aspekte in sich getragen hat, diese jedoch nicht in jeder Hinsicht verwirklicht hat. Situationsanalysen und Situations- Maps vollenden daher  ihrer Ansicht nach den Prozess der „postmodernen Sozialforschung“.
Konkret ist das Erstellen von Situations-Maps eine Tätigkeit, die während des gesamten Forschungsprozesses von Bedeutung ist. Ihre wichtigste Aufgabe besteht Clarke zufolge darin, das zu vermitteln, was der Soziologie und Vertreter der Chicago School, Robert E. Park  (1952) als „the big picture“ bezeichnete: Einen konkreten Überblick über die Forschung an sich und ihre Relevanz. „Gemeinsam sollten diese Maps folgende Fragen beantworten: Wo in der Welt ist dieses Projekt angesiedelt? Warum ist es wichtig? Was geht in dieser Situation vor sich?“ (Clarke 2012: S.123)
Weiterhin sollen Situations-Maps dazu dienen, den Forscher beim „systematischen Denken“ zu unterstützen (Ebd.), vor allem in Bezug darauf, wie mit den gesammelten Daten umzugehen ist, was bei zukünftig zu sammelnden Daten zu beachten sein wird, wie das Forschungsdesign ausgewählt werden sollte usw. Ein weiterer Nutzen der Maps besteht darin, dass sie dem Forscher dazu dienen können, ausgewählte Teile seiner Forschung hervorzuheben, beispielsweise in Präsentationen oder Lehrveranstaltungen – so können Bruchteile der Forschung, auch wenn sie noch als Rohprodukt ganz zu Beginn der Forschung entstehen, für die gesamte Forschung von Nutzen sein. Es ist, ganz im Rahmen des typischen zirkulären Forschungsverlaufs, auch bei Situations-maps möglich, diese im laufenden Forschungsprozess immer wieder zu Rate zu zu ziehen, aber auch, sie zu überarbeiten und zu erneuern.
Bei der Situationsanalyse unterscheidet Clarke drei Typen von Maps:


    1.    Situations-Maps als Strategien für die Verdeutlichung der Elemente in der Situation und zur Erforschung der Beziehungen zwischen ihnen; 

    2.    Maps von sozialen Welten/Arenen als Kartographien der kollektiven Verpflichtungen, Beziehungen und Handlungsschauplätze; 

    3.    Positions-Maps als Vereinfachungsstrategien zur graphischen Darstellung von in Diskursen zur Sprache gebrachten und nicht zur Sprache gebrachten Positionen.

3.1  Situations-maps

Bsp. für eine anfängliche Situations-Map. Quelle: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/viewFile/2186/3667/8835. (21.03.16)
„Situation“ meint hier den Ort der Analyse. Das Ziel besteht zunächst darin, alle Elemente zu erfassen, die in der konkreten Forschungssituation relevant sind und auf die Situation mit einwirken. Dazu gehören sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Aspekte. Diese sollen in einem Schaubild deskriptiv dargestellt und verdeutlicht werden.
 „Nach Mead sind die Fragen hier: Wer und was befindet sich in dieser Situation? Wer und was zählt in dieser Situation? Welche Elemente sind in dieser Situation von ausschlaggebender Bedeutung‘?“ (Clarke 2012: S.124)
Eine Situations-Map sollte demnach alle materiellen, symbolischen, menschlichen und nicht-menschlichen Elemente beinhalten, die in der spezifischen Situation eine Rolle spielen und sollten dabei so dargestellt werden, wie sie von den Betroffenen in der Situation (also u.a. den Erforschten) und dem Analytiker selbst definiert werden. Die erste Herausforderung besteht demzufolge darin, all diese Aspekte herauszufinden und aufzulisten – unabhängig davon, ob sie im weiteren Verlauf der Analyse eventuell als unbedeutend angesehen und aussortiert werden mögen.
Diese ersten Situations-Maps werden im weiteren Verlauf für eine relationale Analyse verwendet, also einer Erforschung dessen, wie jedes dieser Elemente zu den jeweils anderen in Beziehung steht. Auch auf der Karte wird hierzu jeder Aspekt einzeln betrachtet und zu jedem weiteren in Beziehung gesetzt.
Während menschliche Akteure in der Situation in der Regel relativ unproblematisch aufzuzählen sind, bietet die Erfassung nicht-menschlicher Aspekte etwas mehr Hintergrunddenken. Beispiele hierfür könnten sein: Wie geregelt ist der Zugang zu Strom oder anderen Ressourcen? Wie gut/schlecht ist die Versorgung mit Datenmaterial? Wie durchgängig ist der Informationsfluss? Welche umweltbedingten Umstände haben Einfluss auf die Forschung?
Insgesamt sollten bei der Erfassung nicht-menschlicher Elemente Fragen wie diese gestellt werden:
„Was erleichtert den Zugang? Was behindert ihn? Ist beides in der Map dargestellt? Die entscheidende Frage ist: Welche nichtmenschlichen Dinge sind in dieser interessierenden Situation wirklich "wichtig" und für wen oder was?“ (Clarke 2012: S.126, Hervorhebung im Original)
Die Beantwortung dieser Fragen sollten am Ende in den Daten des Forschers repräsentiert werden. Es ist also vonnöten, diese mithilfe von Feldnotizen, Memos, innerhalb von Interview-Leitfäden oder in Sprachaufnahmen einzubauen und festzuhalten. Es kann, so Clarke, dabei „höchst interessant sein, was als selbstverständlich hingenommen wird.“ (Clarke 2012: S.126.) Dazu gehören auch kulturelle und diskursive Aspekte: Die aufgelisteten Aspekte innerhalb der Situaions-Maps können unterschiedliche symbolische und diskursive Bedeutungen haben. Als Beispiel nennt Clarke an dieser Stelle die Bedeutung vom „Forschungsmaterial Tier“: So unterscheiden sich die Bedeutungen, Ansichten und Reaktionen erheblich zwischen der Verwendung von Mäusen und Ratten und der Arbeit mit Haustieren oder gar „menschenähnlichen“ Tieren wie Affen. Die jeweiligen kulturellen Bedeutungen der Elemente in den Situations-Maps, so kann also festgehalten werden, kann eine wichtige Rolle für deren Relation untereinander spielen sowie auch bedeutend für die gesamte Analyse sein.
Sobald eine Situations-Map fertiggestellt ist, kann damit begonnen werden, die Elemente untereinander in Beziehung zu setzen – und zwar jedes einzeln. Auf der Grundlage der Situations-Map können forschungsrelevante Fragen gestellt und mithilfe von Memos festgehalten und beantwortet werden.
Für eine relationale Analyse, wie Clarke sie bezeichnet, wird die beste und aktuellste Version der Situations-Map mehrfach kopiert und daraufhin jedes einzelne Element auf seine Beziehung zu jedem anderen Element geprüft, wozu es buchstäblich in die Mitte der Analyse gesetzt wird. Mithilfe von Linien werden Verbindungen zu anderen Elementen gezogen und diese anschließend beschrieben. Neben einem umfangenden Überblick über die gesamte Forschungssituation kann die relationale Analyse auch dabei helfen, „Bereiche des Schweigens zum Sprechen zu bringen.“ (Clarke 2012: S.123) Dies bedeutet, dass Forscher oft das Gefühl haben können, dass innerhalb des erforschten Bereiches gewisse Dinge vorgehen, die aber (noch) nicht explizit aus den Daten hervorgegangen sind. Situations-Maps und relationale Analysen können dabei helfen, Unausgesprochenes sichtbar zu machen und in die Analyse bzw. in die weitere Befragung einzufügen. Diese „Beziehungs-Maps“, die aus der relationalen Analyse entstehen, helfen dem Forscher bei der Entscheidung, welche Relationen oder Fragen weiterverfolgt werden sollen und welche nicht. Gerade zu Anfang des Forschungsprojektes ist dies häufig eine wichtige Unterstützung.
Die Frage schließlich, wann eine Situations- oder Beziehungs-Map abgeschlossen ist, stellt sich genauso wie die Frage bei der Grounded Theory, wann das Sample einer Forschung ausreichend ist. Die Antwort auf beide Fragen liegen Clarke zufolge in der Sättigung –  es ist dann genug Material gesammelt, wenn sich in der Analyse keine neuen Aspekte ergeben.

3.2  maps sozialer Welten/ Arenen

Die Idee hinter der Erstellung von Maps sozialer Welten und Arenen befindet sich im Symbolischen Interaktionismus: Es geht darum, zu analysieren, was „Menschen gemeinsam tun“ (Becker 1986 in Clarke 2012), kurz: Die Erforschung der Sinnstiftung sozialer Gruppen. „Soziale Welten werden als «Diskursuniversen» (Strauß 1978) definiert“. (Clarke 2012: S.147) Die Frage danach, wie Menschen sich in Gruppen organisieren, wird dabei durch den Aspekt der Machtverhältnisse innerhalb einer Gruppe ergänzt. Wie handeln Menschen in sozialer Interaktion? Wie reagieren sie auf Diskurse? Clarke zufolge ist es bei der Betrachtung sozialer Welten von Bedeutung, „den Dualismus umzustürzen, welcher zwischen modernistischen Konzepten von wissenden Subjekten und "soseienden" Objekten sowie der extremen Ausprägung postmoderner Konzeptualisierung besteht, gemäß welcher alles fragmentiert ist, ohne Bezug und ins Nichts zerfällt.“ (Ebd.) Konkret bedeutet dies in der Forschung, sich in die interessierende bzw. erforschte Situation zu begeben und deren kollektiven soziologischen Sinn nachzuvollziehen. Die Muster kollektiver Verpflichtung sollen aufgedeckt und verstanden werden, um zu sehen, welche sozialen Welten und Arenen in der besagten Situation am Werk sind und warum.
 „Was sind ihre Perspektiven, und was hoffen sie durch ihr kollektives Handeln zu erreichen? Welche älteren und neueren/aufstrebenden nichtmenschlichen Technologien und andere nichtmenschliche Aktanten sind für jede Welt charakteristisch? Was sind ihre Eigenschaften? Welche Zwänge, Möglichkeiten und Ressourcen stehen in dieser Welt zur Verfügung?  (Clarke 2012: S.148.)
Auch die Thematik einer widerwilligen Teilnahme an sozialen Welten ist Clarke zufolge interessant: Oft wollen Akteuere nicht an bestimmten Situationen oder Diskursen teilhaben, sind aber (materiell, ressourcentechnisch oder anderweitig sozial) durch Verpflichtungen dazu gezwungen. Soziale Welten, so Clarke, werden durch ihre Akteure definiert und machen somit die Analyse von kollektiven Phänomenen möglich, die durch ihre Teilnehmer Sinngebung erhalten. Dabei wird in der Regel festgestellt, dass sich soziale Akteure in mehr als nur einer Welt bewegen und die Grenzen zwischen denselben fließend sind. Die Analyse sozialer Welten erhält damit automatisch einen flexiblen, postmodernen Charakter: Sie hat die Fähigkeit, die Plastizität und den Wandel der sozialen Welt aufzufassen und zu berücksichtigen. Es wird dem Forscher durch die Betrachtung dieser Komplexität möglich gemacht, zu entdecken, welche Geschichten – unter diesen vielen – erzählt werden sollten. Es ist jedoch wichtig, die Verschiedenheiten und komplexen Umstände innerhalb der Welten und Arenen zu erkennen und festzuhalten, auch wenn dies bedeutet, auf Widersprüche zu stoßen. Gerade diese müssen abgebildet werden, ohne analytisch zu früh oder zu genau festgelegt zu werden. Die Hauptaufgabe dieser speziellen Map besteht darin, die wichtigsten sozialen Welten für die Analyse zu bestimmen. So kann es auch möglich sein, diese in Segmenten darzustellen, wie es Buchers getan hat (Vgl. Clarke 2012: S.150) Die Anfertigung der Maps besteht in einem fortdauernden Vergleich von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, von Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen sozialer Welten und Arenen. Widersprüchliche Perspektiven müssen erörtert und Kompromisse herausgefiltert werden. Hier ein von Clarke selbst erarbeitetes Beispiel, bei dem vor allem die gestrichelten Linien interessant sind: Sie zeigen offene und ineinander übergehende Grenzen der Arenen und sozialen Welten. (Quelle:https://conceptsinsts.wikispaces.com/file/view/situational_analysis.jpg/284792776/419x309/situational_analysis.jpg am 29.03.16)
Ausschlaggebend sind für die Analyse sozialer Welten beispielsweise die Betrachtung dessen, wie die Grenzen zwischen den verschiedenen Welten und Arenen gezogen und wie sie erhalten werden, ebenso wie der Fokus auf den Erhalt von sozialer Legitimation innerhalb der Welt selbst (Vgl. Clarke 2012: S. 151). Diese Aspekte führen zu einem tieferen Verständnis dazu, wie soziale Welten konstruiert werden, wer sich in welcher Arena befindet und wie dort Handeln strukturiert wird und somit Sinn zugeschrieben bekommt. So sind die einzelnen Akteuere sozialer Welten sowohl deren Substanz als auch ihre Repräsentanten: Die eigene Identität vertritt die kollektive Identität der sozialen Welt, der man angehört (Beispielsweise grenzen sich Ärzte verschiedener Fachrichtungen automatisch in Repräsentativität mit ihrer eigenen Spezialisierung voneinander ab).
Diskurse dagegen werden in Maps sozialer Welten und Arenen nicht dargestellt. Der einfache Grund dafür besteht darin, dass soziale Welten und Arenen erst durch Diskurse entstehen und demnach Diskursuniversen sind. (Vgl. Clarke 2012: S. 152) Der Schwerpunkt dieser Art von Maps soll dagegen darauf liegen, kollektives Handeln darzustellen und nachzuvollziehen, welche Bedeutung „das Soziale“ für unser alltägliches Handeln hat, bzw. was „das Soziale“ überhaupt ist, wie es definiert wird usw. Maps sozialer Welten und Arenen dienen dem Zweck, diesen Aspekt zumindest aufzuzeigen und zu veranschaulichen, um seine Rolle für die Analyse zu markieren – unabhängig davon, ob die Analyse sozialer Welten nun in das Forschungsergebnis direkt einfließt oder nicht.
Daten, mithilfe derer dies erfolgen soll, können auf verschiedenste Art und Weise gesammelt werden, abhängig von der forschungsspezifischen Situation und der zur Verfügung gestellten Ressourcen. Beispielsweise ist es möglich, Archive zu durchsuchen, Interviews danach auszurichten, bereits vorhandene Forschung zum Thema zu Rate zu ziehen usf. Dem Forscher ist es überlassen, zu bestimmen, welche und wie viele Daten vonnöten sind, um die Geschichte, die erzählt werden soll, wiederzugeben. Eine vollständige Map von Sozialen Welten dient als Grundlage der weiteren Herangehensweise des/der Forschers/Forscherin an seine/ihre Daten; Sie geben ihm/ihr einen Überblick darüber, wie Handeln in dem interessierenden Bereich strukturiert wird. Man sollte zu dem Zeitpunkt der Forschung in der Lage sein, zu verstehen, wie die Arbeit in den verschiedenen sozialen Welten abläuft, woraus sie besteht, wie die Akteuere ihre Verpflichtungen wahrnehmen und erfüllen, wie die soziale Welt sich selbst (und andere Welten) innerhalb ihres Diskurses beschreibt, an welchen Orten das Handeln stattfindet und mithilfe welcher Technologie usw. Am Ende der Analyse werden derartige Informationen dazu da sein, die Analyse in einen infrastrukturellen Rahmen zu setzen. Die Analyse sozialer Welten/ Arenen ist in vielerlei Hinsicht dazu da, die Figuren der betreffenden Forschungssituation mit den entsprechenden Hintergründen in Relation zu setzen. Sie stellt somit auf multiple Weise die Komplexität der sozialen Welten sowie die Verschwommenheit ihrer jeweiligen Grenzen dar. Es können demnach jederzeit Veränderungen innerhalb der erforschten Situation auftreten. Die Analyse sozialer Welten/ Arenen dient als Organisationsanalyse, die aufzeigt, welche Art der Sinnstiftung und Handlungsverpflichtung  in sozialen Welten und Arenen herrschen. (Vgl. Clarke 2012: S. 164.)

3.3  Positions-maps

Beispiel einer Positions- Map nach Clarke für ein Forschungsprojekt im Bereich der Emotionsarbeit bei Krankenschwestern. Quelle: http://www.markham.internetinquiry.org/wp-content/uploads/2012/01/situationalmap4.png (29.03.16)
Bei der Ausarbeitung erhobener Forschungsdaten ergibt sich eine große Anzahl an verschiedenen Fragen und jeweiligen Positionen zu denselben. Positions-Maps sind dazu da, diese zu sichten und darzustellen. Das bedeutet, sowohl die Hauptthemen des Diskurses darzustellen, als auch umstrittene Themen, abweichende Positionen, Unterschiede in den Positionen usw. aufzuzeigen. Clarke bezeichnet Positions-Maps als „Analysetools“ (Clarke 2012: S. 165.), welche auf diskursive Materialien angewendet werden sollen. Wie diese Behauptung schon andeutet, geht es bei Positions-Maps um Diskurse innerhalb der Forschungssituation. Machtverhältnisse sollen dabei in ihrer flüssigen, wandelbaren Form beleuchtet werden, was für das Erstellen der Maps bedeutet, keine Position als „abweichend“ oder „negativ“ zu bezeichnen – der/die ForscherIn verpflichtet sich keiner der diskursiven Sichtweisen. Vielmehr gibt es möglicherweise „andere Positionen“, weniger bekannte Positionen, und eben diese sollen im Sinne des postmodern turn betont und aufgezeigt werden. Alle Positionen sollen „zu ihren eigenen Bedingungen, in ihren eigenen Worten und Perspektiven“ dargestellt werden. (Clarke 212: S.165.) Die Betonung liegt hier klar auf der Erfassung aller in der Forschungssituation vorhandenen Positionen und deren Darstellung ohne entsprechende Wertung. Positions-Maps können innerhalb der Analyse an Maps von sozialen Welten/ Arenen angeschlossen werden, falls es dem/ der ForscherIn als lohnenswert erscheint. Es ist ihre Aufgabe, die Heterogenität der Positionen innerhalb eines (oder mehrerer) Diskurse darzustellen. Clarke betont besonders den Hinweis, dass Positions-Maps eben nicht die Darstellung von Individuen oder Gruppen sind, sondern durch den „Mapping-Prozess“ (Ebd.: S. 166.) verschiedene soziale Standorte erfassen und aufzeigen. Positionen sind nicht zwingend an Individuen oder Gruppen gebunden, sondern können über dieselben hinausgehen. Es soll, ganz nach Foucaults Diskursanalyse, über das „erkennende und wissende Subjekt“ hinausgedacht werden: „Positionen auf Positions- Maps sind Positionen in Diskursen.“ (Ebd., Hervorhebung im Original) Die Vielseitigkeit und Heterogenität, die der "postmodern turn" mit sich bringt, steht für Clarke auch bei dieser Art von Maps im Vordergrund. Durch die Analyse einzelner Positionen, so Clarke, könne man soziale Welt nicht darstellen. Erst durch die Bezugnahme zu anderen Positionen, Organisationen, Individuen usw. können Positionen erst angemessen bestimmt und rekonstruiert werden. Die Erstellung von Positions-Maps dient – wie es auch bei allen anderen Arten von Maps der Fall ist – dem besseren und vielseitigeren Verständnis der Forschungssituation angesichts einer Vielzahl von situativen Möglichkeiten, Sichtweisen und Positionen.
Für die Erstellung einer Positions-Map soll versucht werden, mithilfe der erhobenen Daten herauszufiltern, was in der interessierenden Situation die grundlegenden Fragen sind, über die es unterschiedliche Positionen gibt. Daraufhin soll beides graphisch bzw. räumlich angeordnet werden. Es soll dem/ der AnalytikerIn dadurch möglich gemacht werden, Positionen innerhalb der Forschungssituation zu erkennen und zu benennen. Dabei ist wichtig, die Positionen sorgfältig zu trennen und gleichzeitig im Auge zu behalten, welche weitere Position zu der entsprechenden Frage möglicherweise noch existieren könnte, auch wenn sie aus den Daten nicht hervorgeht, bzw. sie von keinen der Befragten eingenommen wurde. Auch dies ist ein Faktor für die spätere Analyse der Situation. In der Praxis muss ein/e ForscherIn meist zwischen der Erläuterung von Fragen, Achsen und Positionen ständig hin und her wechseln. Eine bedeutende Rolle kommt dabei auch der Benennung der Achsen zu: Die möglichen Positionierungen innerhalb ihrer Spielräume sind endlos, müssen jedoch passend sein.
Wie bei der klassischen Grounded Theory-Methode zieht Clarke auch hier bei der Frage, wann Positions-Maps abgeschlossen sind, den Aspekt der Sättigung hinzu. Dies bedeutet, wie oben bereits erwähnt, dass auch bei der Erhebung neuer Daten keine neuen Aspekte, Achsen oder Fragen mehr aufkommen. Alle Aspekte, die aus der Positions-Map hervorgehen und abgeleitet werden, sollten von dem/ der ForscherIn in Memos festgehalten werden – dabei kommt es vor, dass von einer Map mehrere Versionen entstehen, da es oft mannigfaltige Möglichkeiten gibt, ein Thema und die dazugehörigen Positionen darzustellen. Clarke zufolge ist jedoch das Ziel, am Ende bei einem Exemplar anzukommen, welches „die Forschungsaufgaben der repräsentativen Abbildung wirklich adäquat erfüllt.“ (Clarke 2012: S. 176) Wenn auch das Schema der Positions-Maps – eine Anlegung von Schaubildern mit Skalen und Positionen innerhalb derselben – sehr mathematisch erscheint, argumentiert Clarke jedoch mit dem hohen Nutzen des erweiterten Wissens des/ der Forschers/Forscherin, was die Positions-Maps betrifft. So können explizit diejenigen Themen oder Positionen, die am Ende nicht in das Forschungsergebnis einfließen, als Anstoß für weitere Datensammlung und erweiterte Forschung dienen. Die Erkenntnis über stumme oder nicht erwähnte Aspekte innerhalb des Forschungsfeldes dient dem/ der ForscherIn nichtsdestotrotz zu einem Vorteil des breiten Erkenntnisgewinns – unter anderem auch darüber, wie viel aus der sozialen Welt, die betrachtet wurde, noch an interessanter Forschung hervorgehen kann und wie vielseitig jede auch noch so klein wirkende Thematik zu sein scheint. „Indem man stillschweigende Positionen bemerkt und festhält, «spricht« man sie aus“.(Clarke 2012: S. 176)

3.4 „Die Fäden laufen zusammen“: Projekt-Maps

Die bisherigen Arten von „Mapping“, die in dieser Arbeit vorgestellt wurden, dienen dem Zweck, den/ die ForscherIn während der Forschung bei der Analyse voranzutreiben und Wege für weitere Vorgehensweisen aufzuzeigen. Die vierte und letzte Art von Maps, die Clarke in ihrem Werk vorstellt, tragen den Namen „Projekt Maps“. (Vgl. Clarke 2012: S. 177ff.) Ihre Aufgabe ist es, im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Mapping-Arten, „einer bestimmten Zielgruppe bestimmte Aspekte eines spezifischen Projektes zu erläutern“. (Clarke 2012: S.177.) Der Zeitpunkt für Projekt-Maps liegt also nicht innerhalb der Forschung und Analyse, sondern bei ihrem Abschluss: „Im Vordergrund stehen hier die Übergänge zwischen Text und Feldarbeit, das Narrative und Literarische der empirischen Daten sowie die auf ihrer Grundlage produzierten Endprodukte: der/die veröffentlichte(n) Artikel, das Buch/Bücher.“ (Ebd.)

Projekt-Maps basieren auf den drei vorgestellten Arten von Darstellungstechniken der Grounded Theory und können mit denselben identisch sein, müssen es aber nicht. Dabei eigenen sich Clarke zufolge jedoch Situations-Maps am wenigsten dazu, das Projekt als solches darzustellen. Diese Art von Maps zeigt lediglich die Forschungssituation inklusive der in ihr auftretenden Elemente auf. Im Gegensatz dazu eigenen sich auf Situations-Maps aufbauende Relationsanalysen (s.o.) sehr wohl als Grundlage für eine Projekt-Map. Auch Maps von sozialen Welten/ Arenen haben einen hohen analytischen Charakter und können gut als Projekt-Map vorgeführt werden. Sie sind dazu geeignet, einem Publikum auf einfache und schnelle Weise einen Einblick in das Forschungsprojekt zu verschaffen. Auch Positions-Maps sind hierfür geeignet, besonders dann, wenn die Situation komplex und vielseitig ist. Unabhängig davon, ob Projekt-Maps aus bereits vorhandenen Abbildungen oder eigens hergestellt werden, können sie dem Publikum beispielsweise auf Powerpoint-Präsentationen oder als Folien für Overhead- Projektoren präsentiert werden, um das Projekt zu veranschaulichen.

4 Fazit

Die drei hier erklärten Arten von Mapping bieten qualitativen SozialforscherInnen neue Formen und Möglichkeiten der Analyse auf Basis der traditionellen Grounded Theory. Sie erweitern den ursprünglichen Ansatz um eine Vielzahl an analytischen Herausforderungen, die insgesamt darauf abzielen, die interessierende und erforschte Situation in all ihren Elementen und bedeutenden Aspekten zu erfassen und wiederzugeben. Dafür ist ein großer Aufwand an Überlegungen, Reflexion und Rückschlüssen nötig. Es bietet sich an, alle drei Formen der Maps zeitgleich anzulegen, auch weil es so möglich ist, zwischen ihnen Vergleiche und Rückschlüsse ziehen zu können und somit weitere Inspiration für die Arbeit an anderen Maps zu erhalten. Die Reflexivität und Vielseitigkeit der Denkweisen, die bei einem solchen Analyseprozess möglich und nötig sind, entsprechen Adele Clarke zufolge der sozialen Wirklichkeit nach dem „postmodern turn“. Somit erfasst die Situationsanalyse diese Pluralität und Vielseitigkeit auf der einen Seite, sorgt aber zeitgleich dafür, diese komplexe Situation strukturell zu ordnen und dem/ der ForscherIn wie auch einem späteren Publikum begreiflich zu machen. Clarke zufolge ist eine Forschungsanalyse mithilfe des Mappings unter anderem dann erfolgreich, wenn der/ die ForscherIn auf etwas stößt, das ihn/ sie überrascht. (Vgl. Clarke 2012: S. 181) Eine überraschende Erkenntnis weist oftmals darauf hin, dass wir selbst stillschweigend von bestimmten Annahmen ausgehen, die wir selbst nicht bewusst wahrgenommen haben. Überraschende Ergebnisse bringen diese ans Licht und führen zu einem Hinterfragen, was Clarke zufolge Teil der Forschung sein soll: Auch der/ die ForscherIn soll während der Analyse reflektiert werden – nicht nur die von ihm/ ihr gewonnenen Daten. Situationsanalyse macht es einfacher, sich solch unerwarteten Positionen zu stellen – bzw. sie überhaupt an die Oberfläche zu bringen. Die Hinterfragung der menschlichen Kategorisierung, sowohl der des/ der ForscherIn als auch die der Personen innerhalb der Forschungssituation, bietet oftmals interessante Aspekte für das Verständnis sozialer Welten. Wieder spielt Pluralität und Vielfalt eine bedeutende Rolle: Diese soll im Forschungsprozess entdeckt, gezeigt und verstanden werden, anstatt als „Störfaktor“ zu gelten. Wie Clarke betont, geht es nicht länger um eine simplifizierte Darstellung der Welt, sondern um eine möglichst genaue und realitätsnahe Aufzeichnung der Vielseitigkeit und Komplexität der sozialen Welt und der situativen Position allen Wissens.

5 Clarkes Situationsanalyse und die Frage der „Repräsentativität“

Adele Clarke hat gezeigt, dass durch eine Reformation der Grounded Theory ein erweiterter Blick auf die qualitativ erforschte Situation möglich ist. Ihr Ansatz bietet die Chance, interessierende soziale Bereiche auf eine weitschweifende und sehr viel tiefer gehende Art und Weise zu verstehen und schließlich wiederzugeben – meist mit dem Hintergedanken, dass alles Wissen situativ ist und es immer noch mehr Fragen gibt, denen nachgegangen werden kann.
Die Frage, die zum Schluss dieser Arbeit gestellt werden soll, gilt jedoch der Thematik der Repräsentativität qualitativer Forschung. Ist es mithilfe von Situationsanalysen möglich, „repräsentative“ Ergebnisse zu schaffen? Und, als Ergänzung: Ist das überhaupt wünschenswert? 
Durchsucht man Clarkes Werk nach dem Begriff der Repräsentativität, so kann man bei genauerem Hinsehen einige Widersprüche finden. So spricht sie beispielsweise auf S. 176 von der Aufgabe der „repräsentativen Abbildung“ sozialer Wirklichkeit – wohingegen sie sich bereits im Teil über den „postmodern turn“ prinzipiell gegen Ansprüche auf allgemeine Gültigkeit stellt – schon aus dem Grund, dass ein solcher nach dem „postmodern turn“ angesichts der Vielseitigkeit der sozialen Welt gar nicht mehr möglich sei.  (Vgl. Clarke 2012: S. 26ff.) In Bezug auf das Erstellen von Maps bezieht sich Clarke dagegen wie beispielsweise auch Przyborski (2014) bei der Frage, wann genug Daten gesammelt seien, auf den Begriff der Sättigung, welcher aus der Grounded Theory stammt. Die Frage, ob und inwiefern qualitative Sozialforschung – vor allem durch die Ergänzung der Situationsanalyse – repräsentativ sein kann oder nicht, lässt Clarke weitgehend unbeantwortet.
Einiges an ihrem Werk lässt jedoch sehr wohl daran glauben, dass Situationsanalyse sich an Repräsentativität annähert. Zwar ist die Problematik der kleineren Samples (siehe Kapitel 1) durch die Situationsanalyse unverändert, jedoch ist der Ansatz Clarkes im Umgang mit den Daten um einiges genauer. Die Betrachtung der Rahmenverhältnisse, der nicht-menschlichen Einflüsse sowie der herrschenden Diskurse spricht dafür, dass die erforschte Situation sehr genau erfasst werden kann und somit einen höheren Grad an Verallgemeinerung haben könnte. Dagegen kann argumentiert werden, dass es nach wie vor darauf ankommt, wie fein die Betrachtung der Situation wirklich ist: Je genauer ein Feld untersucht wird, desto weniger kann das Ergebnis der Beobachtung verallgemeinert werden. (Vgl. Przyborski 2014) Entscheidend für die Frage der Repräsentativität in der qualitativen Forschung ist der Aspekt, dass „repräsentativ“ in jedem Fall nicht dasselbe bedeuten kann wie in der quantitativen Forschung: Hier ginge es, auch bei der Situationsanalyse, immer um die Erweiterung der Forschung und Entdeckung anderer Aspekte; Neue Probleme würde aufgeworfen werden, anstatt nur verallgemeinerte Ergebnisse schaffen zu wollen. So kann man, neben der Feststellung, dass in der Literatur einige Unklarheit über die Repräsentativität qualitativer Forschung herrscht, sich also der ergänzenden Frage zuwenden: Ist der Begriff der Repräsentativität im Zusammenhang mit qualitativer Forschung überhaupt wünschenswert?
Das Ziel von Sozialforschung solle es natürlich sein, über den konkret beleuchteten Forschungsgegenstand hinaus zu sehen und die Ergebnisse der Forschung darüber hinaus verwenden zu können. Das Konzept der Repräsentativität ist dabei jedoch sehr deutlich an das Schema der quantitativen Forschung geknüpft: Repräsentative Stichproben ergeben repräsentative Ergebnisse. Sicherlich kommt die Annahme, dass qualitative Forschung nicht repräsentativ sei, unter anderem aus solchen Argumenten zustande. Statistisch repräsentativ kann qualitative Forschung nicht sein. Ihr kann es dagegen darum gehen, Typiken oder Schemata festzustellen und diese zu generalisieren. Somit müsste der Begriff der Repräsentativität, sollte sie in der Literatur und in den Köpfen der WissenschaftlerInnen auch Teil der qualitativen Forschung werden, erweitert werden. Würde dies gelingen, wären die Folgen für die qualitative Forschung sicherlich positiv: Sie würde als allgemein gültiger anerkannt. Eine Reformation des Repräsentativitätsbegriffes wäre jedoch sicherlich schwer umzusetzen und könnte innerhalb der verschiedenen Richtungen der Sozialforschung für Verwirrung sorgen. So könnte eine Alternative dafür in einer neuen Begrifflichkeit liegen: Eine Alternative des Repräsentativitätsbegriffs für die qualitative Forschung, beispielsweise durch den Begriff der Sättigung oder der Generalisierung. Auch dieser Weg verliefe jedoch nicht ohne Schwierigkeiten: Auch wenn Repräsentativität an quantitative Forschung gebunden ist, so symbolisiert der Begriff doch im gesellschaftlichen Diskurs eine Aura der Verlässlichkeit und Gültigkeit sozialer Forschung; Dies völlig aufzugeben, könnte der qualitativen Forschung unter Umständen mehr schaden als nutzen. Die Etablierung eines neuen Begriffes müsste zeitaufwendig und mit großer Sorgfalt erfolgen: Erst wenn sich die Begrifflichkeit wirklich verbreitet und innerhalb der Medien und der angewandten Forschung etabliert hat, kann er als Lösung des Dilemmas der qualitativen Forschung nützlich sein.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass es in der Diskussion um die Verallgemeinerung qualitativer Forschungsergebnisse mehrere Wege gibt, von denen sich jeder kritisch hinterfragen ließe. Ausschlaggebend sollte jedoch sein, dass früher oder später eine Lösung dieser Problematik gefunden werden sollte – unabhängig davon, ob ihr Name nun “Repräsentativität“ heißen sollte oder nicht.

6 Literatur

Clarke, Adele (2012): Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem Postmodern Turn, Wiesbaden: Springer VS.  

Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (2010): Grounded Theory. Strategien qualitativer Sozialforschung. Bern: Verlag Hans Huber.

Przyborski, Aglaja/ Wohlrab-Sahr, Monica (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch, München: Oldenbourg Verlag.

Internetquellen:

http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-8.html (zuletzt aufgerufen am 23.03.16).
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/viewFile/2186/3667/8835 (zuletzt aufgerufen am 21.03.16).

http://www.markham.internetinquiry.org/wp-content/uploads/2012/01/situationalmap4.png
(zuletzt aufgerufen am 29.03.16).