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lv-wikis-oeffentlich:glgt19:feminismus [2020/05/20 15:59] – schirmer | lv-wikis-oeffentlich:glgt19:feminismus [2020/05/26 13:36] (aktuell) – [Denken der Differenz und Feministisch streiten] schirmer | ||
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+ | ======= ›Denken der Differenz‹ und ›Feministisch streiten‹ ======= | ||
+ | Der folgende Eintrag umfasst eine Zusammenfassung der Texte " | ||
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+ | ===== Die Autorinnen ===== | ||
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+ | [[https:// | ||
+ | * Geboren 1936 in Arnswalde (heutiges Polen) | ||
+ | * studierte ab 1956 Germanistik und Romanistik und ab 1957 Psychologie und Philosophie (Diplom) | ||
+ | * deutsche Sozialwissenschaftlerin, | ||
+ | * prägte den Begriff der „Mittäterschaft“ (Komplizenschaft von Frauen an der institutionalisierten Herrschaft des Patriarchats) | ||
+ | * Von 2010 - 2016 war sie Mitglied der Jury des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken | ||
+ | |||
+ | [[https:// | ||
+ | * geboren 1985 in Leipzig | ||
+ | * materialistische Feministin, Schriftstellerin und Sozialpädagogin | ||
+ | * Studium der Germanistik und Philosophie | ||
+ | * Redaktionsmitglied der [[https:// | ||
+ | * Herausgeberin des Sammelbandes ' | ||
+ | * Siehe auch [[http:// | ||
+ | ===== Zusammenfassung: | ||
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+ | ==== Ausgangspunkt: | ||
+ | * Die Frauenbewegung ist heute ein hochgradig heterogenes und vor allem spannungsreiches Spektrum | ||
+ | * Nicht einmal der kleinste gemeinsame Nenner (das Bewusstsein einer ungerechten Geschlechterordnung) ist noch ein tragender gemeinsamer Erfahrungshintergrund | ||
+ | * Feminismus bewegt sich zwischen einem Denken, das einerseits das Weibliche zelebriert, andererseits das Geschlecht und den Körper als Konstrukt entlarvt, und die Kategorie " | ||
+ | **Hauptkritikpunkt am Feminismus der westlichen weißen Welt: [[lv-wikis-oeffentlich: | ||
+ | \\ | ||
+ | ====Drei feministische Grundpositionen==== | ||
+ | Christina Thürmer-Rohr geht von drei unterschiedlichen feministischen Grundpositionen aus, die sich sowohl in ihrer politischen Ausrichtung, | ||
+ | * __erste Postion (liberaler Feminismus)__: | ||
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+ | > | ||
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+ | * __zweite Position (gynozentrischer Feminismus)__: | ||
+ | * __dritte Position (dekonstruktivistischer/ | ||
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+ | ====„Denken der Differenz“ und die Postmoderne==== | ||
+ | * wenn der Feminismus von der Kategorie „Frau“ als etwas ausgeht, das nicht feststeht, nicht zusammengefasst werden kann, etwas nicht-identisch-sein-sollendes, | ||
+ | * in ihrem Buch „Körper von Gewicht“ erkennt [[lv-wikis-oeffentlich: | ||
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+ | > | ||
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+ | * „Denken der Differenz“ heißt: das Ausgeblendete, | ||
+ | * „Denken der Differenz“ verbindet die neuere postmoderne Kritik an den Herrschafts- und Universalitätsansprüchen der westlichen Moderne mit der alten feministischen Kritik an den Herrschafts- und Universalitätsansprüchen des weißen männlichen Subjekts | ||
+ | * „Denken der Differenz“ lässt sich nicht vereinbaren mit Androzentrismus und europäischem Ethnozentrismus | ||
+ | * die postmoderne Position ist keine Kampf- und Kontraposition, | ||
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+ | ====Weibliche Mittäterschaft==== | ||
+ | * Patriarchale Herrschaft hat nicht nur die Unterdrückung von Frauen zum Ziel: Sie zeigt sich in allen materiellen, | ||
+ | * die moderne Herrschaft basiert im Wesentlichen auf drei großen Fundamenten, | ||
+ | * Frauen machen an fast jedem gesellschaftlichen Ort die Doppelerfahrung, | ||
+ | |||
+ | > | ||
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+ | * Gegenstand feministischer Theorie und Politik ist nicht nur die Frau als Objekt der Diskriminierung, | ||
+ | * Das Konzept der Mittäterschaft war eine Antwort auf die Auffassung, dass alle Frauen als kollektive Opfer des historischen Geschlechterskandals und der strukturellen Gewalt zu verstehen seien (vgl.: das [[„doing gender Konzept“]] geht ebenfalls von einer Verantwortung der*des Einzelnen aus, welches Geschlechterbild er*sie voranbringt) | ||
+ | |||
+ | >„wenn wir, Frauen der westlichen Welt, uns nicht nur als Beschädigte patriarchaler Gewalt und als Benachteiligte patriarchaler Dominanz begreifen, sondern als Mitglieder einer Kultur, an deren Herrschaftspraktiken auch wir mitagieren“ (91) | ||
+ | ====Konsequenzen==== | ||
+ | * Kritik: postmodernes Denken sei moralisch indifferent | ||
+ | * Kritik: Das Ziel der feministischen Bewegung, die Aufhebung von Unterdrückung, | ||
+ | * Denken der Differenz heißt denken, dass wir verschieden sind. Konsequenz für alle Begegnungen: | ||
+ | * „Denken der Differenz“ löst Identitäten auf, deswegen macht es fremd. Niemand kann sich mehr im und hinter dem angeblich Gleichen verstecken, niemand kann mehr voraussetzen, | ||
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+ | ===== Zusammenfassung: | ||
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+ | ==== Ausgangspunkt: | ||
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+ | **Gleichheit** | ||
+ | * die Kraft der zweiten Frauenbewegung speiste sich aus Bezug auf das gemeinsame ‚Wir‘ der Frauen als politisches Subjekt | ||
+ | * kollektives feministisches Handeln baute auf die geteilte Leidenserfahrung, | ||
+ | * es blieb nicht bei der bloßen Solidarität unter den Leidensgefährtinnen: | ||
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+ | „Schwesterlichkeit“ als solidarisches und enthusiastisches Zusammenhalten gegen das mächtige Patriarchat. | ||
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+ | **Differenz** | ||
+ | * divergente Erfahrungen von Lesben/ | ||
+ | * Konzept der Schwesterlichkeit verträgt wenig interne Hierarchien | ||
+ | * diese Kämpfe unter den Feministinnen resultierten aus der Schwierigkeit, | ||
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+ | **Konsequenzen** | ||
+ | > | ||
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+ | * Aufteilung des Feminismus in Gleichheitsfeminismus (fordert vollkommene Gleichbehandlung von Frauen und Männern) und Differenzfeminismus (betont die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Frauen und Frauen). Vergleichend hierzu: [[lv-wikis-oeffentlich: | ||
+ | * Gleichheit/ | ||
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+ | ==== Kritik an Queerfeminismus: | ||
+ | * Linkerhand grenzt ihren materialistischen Feminismus von (bestimmten Ausprägungen des) [[lv-wikis-oeffentlich: | ||
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+ | **These: Queerfeminismus als „extremer Differenzfeminismus“** | ||
+ | * der Queerfeminismus hat seit Anfang der 1990er die Zweite Frauenbewegung abgelöst und lehnt als extremer Differenzfeminismus das Subjekt Frau grundsätzlich ab. Er verharrt in der geschlechtlichen und sexuellen Differenz. | ||
+ | * dadurch: Fokussierung auf (neue, immer mehr) Identitäten | ||
+ | * einerseits wird betont, dass Menschen aufgrund ihrer Vielfalt nicht kategorisierbar seien. Andererseits wird genau das versucht: Immer neue Kategorien werden geschaffen, in denen eine Gruppe oder ein Grüppchen sich endlich wiederfinden können sollen | ||
+ | * Kreislauf Identitätskritik-Identitätsemphase: | ||
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+ | > | ||
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+ | **Konsequenzen** | ||
+ | * die Dezentrierung des Subjekts Frau ist die Folge der Ausdifferenzierung der Identitäten | ||
+ | * der Zwangscharakter der Zuschreibung des Frauseins wird verschleiert. Auch Heteras und cis-Frauen sind eigentlich betroffen, da auch sie einen eine gewaltvolle weibliche Sozialisation hinter sich haben. Allerdings werden sie in diesem Kontext nicht als Betroffene gesehen. | ||
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+ | Forderung: Die identitätskritische Seite des Queerfeminismus sollte versuchen, Abstand zu gewinnen vom Zwang der Zurichtung hinsichtlich Geschlecht und Sexualität | ||
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+ | **Negative Auswirkungen** | ||
+ | * die Schlagkraft, | ||
+ | * cis-Frauen und Heteras haben in diesem Setting keine emanzipatorische Perspektive mehr. Sie gelten im Queerfeminismus bspw. kaum noch als Benachteiligte des Patriarchats. Vergleiche hierzu: [[lv-wikis-oeffentlich: | ||
+ | * Harmonisierung von Differenzen, | ||
+ | * Gefahr der erneuten Abwertung von Weiblichkeit | ||
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+ | >„Der feministische Kampf verliert an Nachdruck und die feministische Theorie an analytischer Schärfe, wenn sich Feministinnen nicht mehr im Bewusstsein ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Lage als Frauen solidarisch aufeinander beziehen.“ (30) | ||
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+ | ==== Materialistische Kontexualisierung: | ||
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+ | * die materialistische Analyse muss auch nach sozioökonomischen Ursachen für den Niedergang des Subjekts Frau suchen | ||
+ | * Sozioökonomischer Kontext der zweiten Frauenbewegung: | ||
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+ | >„Die ‚doppelte Vergesellschaftung‘ der Frau als Ehefrau und Mutter und gleichzeitig als Arbeitnehmerin verlangte von Frauen, sich bitteschön zum arbeitsmarktfähigen Subjekt zu emanzipieren, | ||
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+ | * das Aufkommen des Neoliberalismus führte zu neuen Anforderungen: | ||
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+ | >„Die Forderung lautet, in allen Dingen flexibel zu sein und dennoch immer ganz bei sich […] Auch die eigene Geschlechtlichkeit muss auf diese Weise als gnadenlos individuell und selbstbestimmt umgewertet und sich angeeignet werden.“ (33) | ||
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+ | * Auswirkungen: | ||
+ | * Verortung des Queerfeminismus in dieser Logik: | ||
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+ | >„Das detaillierte Ausmalen von Zugehörigkeit entspricht einer adäquaten Identifizierung mit den neoliberalen Produktionsverhältnissen und seinen flexibilisierten Ausbildungs- und Arbeitsbiographien.“ (38) | ||
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+ | ==== Drei Einwände gegen das einseitige Differenzdenken des Queerfeminismus==== | ||
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+ | - auch die neoliberalen und „postmodernen Flexi-Identitäten“ (wie Roswitha Scholz sie nennt) sind nach wie vor männliche und weibliche Subjekte. Frauen werden dabei, z.B. durch die fortbestehende geschlechtliche Arbeitsteilung des Kapitalismus, | ||
+ | - Linkerhand fasst den Einwand unter „queerem Identitätenfetisch“ zusammen: Der ständige und unreflektierte Wechsel zwischen der alternativen Identitätsfindung einerseits und der Identitätskritik anderseits führe dazu, „dass eine entlastende, | ||
+ | -die Ablehnung der Annahme einer biologischen Zweigeschlechtlichkeit oder überhaupt eines biologisch bestimmbaren Geschlechts, | ||
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+ | ==== Skizze einer neuen materialistisch-feministischen Herangehensweise==== | ||
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+ | **Die Leitfrage muss lauten:** | ||
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+ | <note important> | ||
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+ | **Umgang mit dem Subjekt Frau** | ||
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+ | * Das politische Subjekt Frau sollte als identitärer Ausgangspunkt und als grundlegende Analysekategorie, | ||
+ | * Ein Feminismus, der von der queeren Identitätskritik gelernt hat, sollte in erster Linie negativ und nüchtern sein | ||
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+ | >„Es gilt, die Differenz der weiblichen Subjektivität, | ||
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+ | **Herangehensweisen** | ||
+ | * ein positiver Selbstbezug von Frauen aufeinander | ||
+ | * aber auch: Lernen vom Queerfeminismus: | ||
+ | * Verknüpfung von Utopie und Realpolitik | ||
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+ | ===→ Forderung eines Paragidmenwechsels nach 25 Jahren Queerfeminismus=== | ||
+ | ===== Quellen ===== | ||
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+ | Linkerhand, K. 2018. //Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs.// | ||
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+ | Thürmer-Rohr, | ||
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+ | Thürmer-Rohr, | ||
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+ | Butler, J. 1993: //KÖRPER VON GEWICHT. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts | ||