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 +======= ›Denken der Differenz‹ und ›Feministisch streiten‹ =======
 +Der folgende Eintrag umfasst eine Zusammenfassung der Texte "Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne" von Christina Thürmer-Rohr und "Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs" von Koschka Linkerhand. Der Fokus liegt auf dem Umgang des Feminismus mit Differenzen und Gleichheiten, sowohl zwischen Männern und Frauen, als auch zwischen Frauen unter sich. Darauf aufbauend werden die Grundzüge der feministischen Bewegungen und ihre Besonderheiten dargestellt und betrachtet, wie sie Differenz denken.
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 +===== Die Autorinnen =====
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 +[[https://de.wikipedia.org/wiki/Christina_Th%C3%BCrmer-Rohr|Christina Thürmer-Rohr]]
 +  * Geboren 1936 in Arnswalde (heutiges Polen)
 +  * studierte ab 1956 Germanistik und Romanistik und ab 1957 Psychologie und Philosophie (Diplom)
 +  * deutsche Sozialwissenschaftlerin, feministische Theoretikerin und Musikerin
 +  * prägte den Begriff der „Mittäterschaft“ (Komplizenschaft von Frauen an der institutionalisierten Herrschaft des Patriarchats)
 +  * Von 2010 - 2016 war sie Mitglied der Jury des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken
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 +[[https://de.wikipedia.org/wiki/Koschka_Linkerhand|Koschka Linkerhand]]
 +  * geboren 1985 in Leipzig
 +  * materialistische Feministin, Schriftstellerin und Sozialpädagogin
 +  * Studium der Germanistik und Philosophie
 +  * Redaktionsmitglied der [[https://www.outside-mag.de/|outside the box - Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik]]
 +  * Herausgeberin des Sammelbandes 'Feministisch streiten' (2018), aus dem der vorliegende Text stammt
 +  * Siehe auch  [[http://linkerhand.blogsport.eu/|Linkerhands Blog]]
 +===== Zusammenfassung: Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne. (Thürmer-Rohr) =====
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 +==== Ausgangspunkt: der Feminismus ist zersplittert====
 +  * Die Frauenbewegung ist heute ein hochgradig heterogenes und vor allem spannungsreiches Spektrum
 +  * Nicht einmal der kleinste gemeinsame Nenner (das Bewusstsein einer ungerechten Geschlechterordnung) ist noch ein tragender gemeinsamer Erfahrungshintergrund
 +  * Feminismus bewegt sich zwischen einem Denken, das einerseits das Weibliche zelebriert, andererseits das Geschlecht und den Körper als Konstrukt entlarvt, und die Kategorie "Frau" vollends auflösen möchte
 +**Hauptkritikpunkt am Feminismus der westlichen weißen Welt: [[lv-wikis-oeffentlich:glgt19:universalismus|der Universalismus]]. Das bedeutet, dass Partikularinteressen nicht (mehr) genug Aufmerksamkeit geschenkt wird.**
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 +====Drei feministische Grundpositionen====
 +Christina Thürmer-Rohr geht von drei unterschiedlichen feministischen Grundpositionen aus, die sich sowohl in ihrer politischen Ausrichtung, wie auch in ihrer Sicht auf Geschlechterkonstrukte unterscheiden.
 +  * __erste Postion (liberaler Feminismus)__: Forderung nach einer Gleichheit der Geschlechter in allen Bereichen (gleiche Rechten, gleiche Chancen, gleiche Bildung, Anerkennung gleicher Fähigkeiten), Politik der Partizipation, Gleichstellung, Quote etc. 
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 +>„Teils verwendet der liberale Feminismus ökonomische Argumentationen wie die Verschwendung von weiblichem Humankapital aufgrund von diskriminierenden Sperren zu qualifizierten Berufen. Deswegen wurde er aufgrund einer Nähe zum Neoliberalismus kritisiert.“ ([[https://www.gwi-boell.de/de/2018/05/25/was-ist-feminismus|Heinrich-Böll-Stiftung]])
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 +  * __zweite Position (gynozentrischer Feminismus)__: der Geschlechtsunterschied ist ein essentieller, originär existierender Unterschied, die Zweigeschlechtlichkeit ein frag- und zeitloser Bestandteil der Natur. Gefordert wird die Entdeckung, Anerkennung und Aufwertung von Weiblichkeit, die Positivierung des Weiblichen, die Suche nach Wurzeln und Ursprüngen. Ziel ist nicht mehr die Aufhebung der Geschlechterdichotomie, sondern ihre Rekonstruktion und Umwertung.
 +  * __dritte Position (dekonstruktivistischer/postmoderner Feminismus)__: Die Position bestreitet, dass die Kategorie „Geschlecht“ überhaupt eine Klassifikationseinheit ist und irgendeine tragende Gemeinsamkeit, eine Geschlechtsidentität, stiften könne. Geschlecht ist ein Konstrukt und es gibt keine exklusive Zweigeschlechtlichkeit, sondern eine Vielgeschlechtlichkeit. Es gibt so viele Identitäten, wie es Frauen gibt. Diese Postion versucht, die Einheit "Geschlecht" als Klassifikation zu dekonstruieren.
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 +====„Denken der Differenz“ und die Postmoderne====
 +  * wenn der Feminismus von der Kategorie „Frau“ als etwas ausgeht, das nicht feststeht, nicht zusammengefasst werden kann, etwas nicht-identisch-sein-sollendes, sondern ein unabsehbares Feld von Differenzen, dann würde sich dieser Terminus in einen Schauplatz ständiger Offenheit und Umdeutbarkeit verwandeln → Fordern nach dem Abbau von Stereotypen
 +  * in ihrem Buch „Körper von Gewicht“ erkennt [[lv-wikis-oeffentlich:glgt19:geschlecht#Poststrukturalistischer Feminismus|Judith Butler]] die Relevanz der Offenheit von Geschlechterbegriffen: 
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 +>„Jeder Versuch, der Kategorie ‚Frauen‘ einen universellen oder spezifischen Gehalt zuzuweisen, schaffe gerade nicht das, was er garantieren will, nämlich Solidarität, sondern zwangsläufig Zersplitterung“ (Butler 1993: 49).
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 +  * „Denken der Differenz“ heißt: das Ausgeblendete, Ausgegrenzte, das Verschiedene und somit die Vielheit als notwendigen Plural zu respektieren
 +  * „Denken der Differenz“ verbindet die neuere postmoderne Kritik an den Herrschafts- und Universalitätsansprüchen der westlichen Moderne mit der alten feministischen Kritik an den Herrschafts- und Universalitätsansprüchen des weißen männlichen Subjekts
 +  * „Denken der Differenz“ lässt sich nicht vereinbaren mit Androzentrismus und europäischem Ethnozentrismus
 +  *  die postmoderne Position ist keine Kampf- und Kontraposition, sie ist nicht rebellisch im traditionellen Sinne und nicht kontradiktorisch
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 +====Weibliche Mittäterschaft====
 +  * Patriarchale Herrschaft hat nicht nur die Unterdrückung von Frauen zum Ziel: Sie zeigt sich in allen materiellen, ideologischen, wissenschaftlichen, technologischen, ästhetischen, sprachlichen, psychischen Ausdrucksformen westlicher Kultur, die auf ‚männlicher Monokultur‘ basiert
 +  * die moderne Herrschaft basiert im Wesentlichen auf drei großen Fundamenten, auf __sexistischer, rassistischer und kapitalistischer__ Ideologie und Praxis
 +  * Frauen machen an fast jedem gesellschaftlichen Ort die Doppelerfahrung, von Schäden bedroht zu sein und an der Schadensverursachung mitzuwirken oder eigenen Nutzen am Schaden anderer zu erwirken. Frauen sind Unterworfene, Teilhabende, Ausführende zugleich. In ihrem Artikel „Mittäterschaft von Frauen: Die Komplizenschaft mit der Unterdrückung“ beschreibt Thürmer-Rohr diese Doppelerfahrung treffend:
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 +>„Mittäterschaft geht von der These aus, dass Frauen in der patriarchalen Kultur Werkzeuge entwickeln und sich zu Werkzeugen machen lassen, mit denen sie das System stützen und zu dessen unentbehrlichen Bestandteil werden können.“ (Thürmer-Rohr 2010: 88).
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 +  * Gegenstand feministischer Theorie und Politik ist nicht nur die Frau als Objekt der Diskriminierung, sondern ebenso die westliche Kultur als Subjekt der Diskriminierung anderer
 +  * Das Konzept der Mittäterschaft war eine Antwort auf die Auffassung, dass alle Frauen als kollektive Opfer des historischen Geschlechterskandals und der strukturellen Gewalt zu verstehen seien (vgl.: das [[„doing gender Konzept“]] geht ebenfalls von einer Verantwortung der*des Einzelnen aus, welches Geschlechterbild er*sie voranbringt)
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 +>„wenn wir, Frauen der westlichen Welt, uns nicht nur als Beschädigte patriarchaler Gewalt und als Benachteiligte patriarchaler Dominanz begreifen, sondern als Mitglieder einer Kultur, an deren Herrschaftspraktiken auch wir mitagieren“ (91)
 +====Konsequenzen====
 +  * Kritik: postmodernes Denken sei moralisch indifferent
 +  * Kritik: Das Ziel der feministischen Bewegung, die Aufhebung von Unterdrückung, werde durch die Postmoderne mitdemontiert
 +  * Denken der Differenz heißt denken, dass wir verschieden sind. Konsequenz für alle Begegnungen: Offenheit, Respekt, Neugierde, die Fähigkeit zum Zuhören, Aufmerksamkeit gegenüber dem Detail, Zweifel gegenüber jedem Urteil, das ein Vorurteil sein könnte
 +  * „Denken der Differenz“ löst Identitäten auf, deswegen macht es fremd. Niemand kann sich mehr im und hinter dem angeblich Gleichen verstecken, niemand kann mehr voraussetzen, die anderen zu kennen und verstanden zu haben, niemand kann wissen, wer und was sie sind
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 +===== Zusammenfassung: Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs. (Koschka Linkerhand) =====
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 +==== Ausgangspunkt: Das feministische Wir zwischen Gleicheit und Differenz ====
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 +**Gleichheit**
 +  * die Kraft der zweiten Frauenbewegung speiste sich aus Bezug auf das gemeinsame ‚Wir‘ der Frauen als politisches Subjekt
 +  * kollektives feministisches Handeln baute auf die geteilte Leidenserfahrung, den positiven Bezug aufs Frau-Sein und die (schwesterlichen und erotischen) Beziehungen von Frauen untereinander auf
 +  * es blieb nicht bei der bloßen Solidarität unter den Leidensgefährtinnen: die Feministinnen statteten das Subjekt „Frau“ mit positiven Attributen aus: Frauen seien mitfühlender und liebesfähiger als Männer, politisch vernünftiger und mehr um das Wohl kommender Generationen, unterdrückter Völker und des Planeten besorgt
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 +„Schwesterlichkeit“ als solidarisches und enthusiastisches Zusammenhalten gegen das mächtige Patriarchat.
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 +**Differenz** 
 +  * divergente Erfahrungen von Lesben/Heteros, schwarzen/weißen Frauen, trans/cis-Personen, jüdischen/nicht-jüdischen, ostdeutschen/westdeutschen Frauen führten zu Spaltungen und Konflikten innerhalb der feministischen Bewegung (vgl. Sex Wars der 1970/80er)
 +  * Konzept der Schwesterlichkeit verträgt wenig interne Hierarchien
 +  * diese Kämpfe unter den Feministinnen resultierten aus der Schwierigkeit, das Frausein als gemeinsame Grundlage der feministischen Verschwesterung zu setzen und dabei aber mit den Differenzen zwischen Frauen konfrontiert zu werden → Gleichheit vs. Differenz
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 +**Konsequenzen**
 +>„Streit zwischen Gleichheit und Differenz als dialektische[r] rote[r] Faden […], der die Geschichte des feministischen Wir durchzieht.“ (23)
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 +  * Aufteilung des Feminismus in Gleichheitsfeminismus (fordert vollkommene Gleichbehandlung von Frauen und Männern) und Differenzfeminismus (betont die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Frauen und Frauen). Vergleichend hierzu: [[lv-wikis-oeffentlich:glgt19:feminismus#Drei feministische Grundpositionen|Die erste und zweite feministischen Grundposition]] nach Christina Thürmer-Rohr.
 +  * Gleichheit/Ähnlichkeit und Differenz/Varietät können und müssen zusammen gedacht werden, aber sollen nicht insgesamt dekonstruiert oder aufgelöst werden, sondern ein produktives Spannungsverhältnis eingehen
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 +==== Kritik an Queerfeminismus: ‚Queere Identitätspolitik und ihre Liebe zur Differenz‘ ====
 +  * Linkerhand grenzt ihren materialistischen Feminismus von (bestimmten Ausprägungen des) [[lv-wikis-oeffentlich:glgt19:sitzung_9_-_queer-buchstaben_und_queerfeminismus|Queerfeminismus]] (als der derzeit vorherrschenden Strömung) ab
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 +**These: Queerfeminismus als „extremer Differenzfeminismus“**
 +  * der Queerfeminismus hat seit Anfang der 1990er die Zweite Frauenbewegung abgelöst und lehnt als extremer Differenzfeminismus das Subjekt Frau grundsätzlich ab. Er verharrt in der geschlechtlichen und sexuellen Differenz.
 +  * dadurch: Fokussierung auf (neue, immer mehr) Identitäten
 +  * einerseits wird betont, dass Menschen aufgrund ihrer Vielfalt nicht kategorisierbar seien. Andererseits wird genau das versucht: Immer neue Kategorien werden geschaffen, in denen eine Gruppe oder ein Grüppchen sich endlich wiederfinden können sollen
 +  * Kreislauf Identitätskritik-Identitätsemphase: 
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 +>„Identitäre Kategorien wie homo-, pan- und asexuell werden in einem schillernden Wechsel als total fluide und total fix gesetzt.“ (25)
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 +**Konsequenzen**
 +  * die Dezentrierung des Subjekts Frau ist die Folge der Ausdifferenzierung der Identitäten
 +  * der Zwangscharakter der Zuschreibung des Frauseins wird verschleiert. Auch Heteras und cis-Frauen sind eigentlich betroffen, da auch sie einen eine gewaltvolle weibliche Sozialisation hinter sich haben. Allerdings werden sie in diesem Kontext nicht als Betroffene gesehen. 
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 +>„Während die patriarchale Machtposition des Mannes noch zur Folie der männlichen, weißen, cis- und heterosexuellen Hegemonie taugt, von der Queers sich abgrenzen können, ist von einem Frausein, das strukturell die Hälfte der Menschheit betrifft, kaum mehr die Rede.“ (27)
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 +Forderung: Die identitätskritische Seite des Queerfeminismus sollte versuchen, Abstand zu gewinnen vom Zwang der Zurichtung hinsichtlich Geschlecht und Sexualität
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 +**Negative Auswirkungen**
 +  * die Schlagkraft, die die zweite Frauenbewegung aus dem gemeinsamem ‚Wir‘ bezogen hat, geht verloren
 +  * cis-Frauen und Heteras haben in diesem Setting keine emanzipatorische Perspektive mehr. Sie gelten im Queerfeminismus bspw. kaum noch als Benachteiligte des Patriarchats. Vergleiche hierzu: [[lv-wikis-oeffentlich:glgt19:feminismus#Weibliche Mittäterschaft|Thürmer-Rohrs Konzept der „Mittäterschaft“]]. Tragen weiße Heteras und cis-Frauen mehr Schuld am  Fortbestehen des Patriachats?
 +  * Harmonisierung von Differenzen, Gleichsetzung von Unterdrückungssystemen durch Bündnispolitik und Aufzählung aller potentiell Diskriminierten
 +  * Gefahr der erneuten Abwertung von Weiblichkeit
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 +>„Der feministische Kampf verliert an Nachdruck und die feministische Theorie an analytischer Schärfe, wenn sich Feministinnen nicht mehr im Bewusstsein ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Lage als Frauen solidarisch aufeinander beziehen.“ (30)
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 +==== Materialistische Kontexualisierung: Neoliberalismus====
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 +  * die materialistische Analyse muss auch nach sozioökonomischen Ursachen für den Niedergang des Subjekts Frau suchen
 +  * Sozioökonomischer Kontext der zweiten Frauenbewegung: einerseits die Veränderung der Produktionsverhältnisse, mit der die Frau Zugang zum Arbeitsmarkt erhält und gleichzeitig weiterhin für die Haushaltsführung verantwortlich ist
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 +>„Die ‚doppelte Vergesellschaftung‘ der Frau als Ehefrau und Mutter und gleichzeitig als Arbeitnehmerin verlangte von Frauen, sich bitteschön zum arbeitsmarktfähigen Subjekt zu emanzipieren, ohne dabei ihre reproduktive Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung zu vernachlässigen“ (31)
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 +  * das Aufkommen des Neoliberalismus führte zu neuen Anforderungen: Selbstgestaltung, Selbstoptimierung, Leistung, Flexibilität, individuelles Lebensmodell
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 +>„Die Forderung lautet, in allen Dingen flexibel zu sein und dennoch immer ganz bei sich […] Auch die eigene Geschlechtlichkeit muss auf diese Weise als gnadenlos individuell und selbstbestimmt umgewertet und sich angeeignet werden.“ (33)
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 +  * Auswirkungen: teilweiser Freiheitsgewinn, aber vor allem auch verschärfter Zugriff der Marktlogik
 +  * Verortung des Queerfeminismus in dieser Logik:
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 +>„Das detaillierte Ausmalen von Zugehörigkeit entspricht einer adäquaten Identifizierung mit den neoliberalen Produktionsverhältnissen und seinen flexibilisierten Ausbildungs- und Arbeitsbiographien.“ (38)
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 +==== Drei Einwände gegen das einseitige Differenzdenken des Queerfeminismus====
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 +  - auch die neoliberalen und „postmodernen Flexi-Identitäten“ (wie Roswitha Scholz sie nennt) sind nach wie vor männliche und weibliche Subjekte. Frauen werden dabei, z.B. durch die fortbestehende geschlechtliche Arbeitsteilung des Kapitalismus, weiterhin systematisch benachteiligt
 +  - Linkerhand fasst den Einwand unter „queerem Identitätenfetisch“ zusammen: Der ständige und unreflektierte Wechsel zwischen der alternativen Identitätsfindung einerseits und der Identitätskritik anderseits führe dazu, „dass eine entlastende, nachsichtige, auch humorvolle Distanz zur eigenen Identität kaum mehr möglich ist“ (37)
 +  -die Ablehnung der Annahme einer biologischen Zweigeschlechtlichkeit oder überhaupt eines biologisch bestimmbaren Geschlechts, wie die dekonstruktivistische Theorie es vertritt, sei nicht zielführend
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 +==== Skizze einer neuen materialistisch-feministischen Herangehensweise====
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 +**Die Leitfrage muss lauten:**
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 +<note important>„Wie können wir uns vom leidvollen binären Geschlechterverhältnis emanzipieren, das nicht nur die kapitalistische Ökonomie, unsere Alltagskultur und unsere Vorstellungen von Körpern und Ästhetik durchzieht, sondern tatsächlich jede zwischenmenschliche Beziehung und unsere Möglichkeiten zu Genuss und Glück?“ (43)</note>
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 +**Umgang mit dem Subjekt Frau**
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 +  * Das politische Subjekt Frau sollte als identitärer Ausgangspunkt und als grundlegende Analysekategorie, die sich selbst abschaffen möchte, funktionieren (damit ist es die Schnittstelle von Leidenschaft und Vernunft)
 +  * Ein Feminismus, der von der queeren Identitätskritik gelernt hat, sollte in erster Linie negativ und nüchtern sein
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 +>„Es gilt, die Differenz der weiblichen Subjektivität, die alle Frauen betrifft, sowie die Differenzen unter Frauen zu ihrem Recht kommen zu lassen – innerhalb einer feministischen Gesellschaftskritik, die die patriarchale Herstellung der weiblichen Differenz radikal kritisiert.“ (45)
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 +**Herangehensweisen**
 +  * ein positiver Selbstbezug von Frauen aufeinander
 +  * aber auch: Lernen vom Queerfeminismus: keine Vorschriften festlegen, wie Frauen zu sein oder zu denken haben (Stereotype abbauen)
 +  * Verknüpfung von Utopie und Realpolitik
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 +===→ Forderung eines Paragidmenwechsels nach 25 Jahren Queerfeminismus===
 +===== Quellen =====
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 +Linkerhand, K. 2018. //Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs.// In: Dies. (Hrsg.): Feministisch streiten. Berlin: Querverlag, 18–50.
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 +Thürmer-Rohr, C. 1995: //Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne.// In: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 39: 87-98.
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 +Thürmer-Rohr, C. 2010: //Mittäterschaft von Frauen. Die Komplizenschaft mit der Unterdrückung.// In: Becker, R./ Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 88-93.
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 +Butler, J. 1993: //KÖRPER VON GEWICHT. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts
  
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