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lv-wikis-oeffentlich:qasm20:erste_fallbeschreibung [2020/08/28 07:13] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | lv-wikis-oeffentlich:qasm20:erste_fallbeschreibung [2021/05/12 18:05] (aktuell) – [Interpretation] schirmer |
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| ======Beispielhafte Analyse zweier Beträge von Botoloco====== |
| Für die genaue Analyse eines Beitrags haben wir uns für zwei Tweets von Botoloco (Nutzer*innen-Name: @Botoloco2) entschieden, dessen Auswahl wir im Laufe des Beitrages genauer erläutern werden. Die Analyse des Beitrages folgt dem Konzept des analytischen Dreischritts, der zwischen drei aufeinander aufbauenden Analyseebenen unterscheidet, mit dem Ziel Orientierungs- und Interpretationsabsicht klar voneinander abzugrenzen (Schirmer 2009: 102 f.). Die erste Stufe der „Darstellung“ konzentriert sich zunächst ausschließlich auf eine möglichst nah am Material gehaltene inhaltliche und formale Deskription der Beiträge (ebd. 103). Die Darstellung zielt darauf ab das Material zu strukturieren, ohne bereits zu interpretieren (ebd.). Im zweiten Schritt der „Interpretation“ wird das Material im engeren Sinne analysiert und mithilfe weiterführender Recherchen kontextualisiert, mit dem Ziel mögliche Bedeutungen und Hintergründe herauszuarbeiten (ebd. 103 f.). Mithilfe der Kontrastierung wird das Material mit anderen Fällen in Zusammenhang gesetzt, was als Voraussetzung für den dritten Schritt der „Theoriebildung“ zu verstehen ist (ebd. 104). Ziel der Theoriebildung ist die in der Interpretation ermittelten Erkenntnisse durch Mittel des Vergleiches und die Verbindung mit relevanten Theorien in einen größeren Zusammenhang zu setzen und schließlich mögliche generalisierende Thesen zu erarbeiten (ebd.). |
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| \\ {{ :lv-wikis:qasm20:botoloco_1.png?nolink&400 |Quelle: Schirmer: Twitter. Botoloco2 Kommentar. 27.4.20}} |
| \\ {{ :lv-wikis:qasm20:botoloco_2.png?nolink&400 |Quelle: Schirmer: Twitter. Botoloco2 Kommentar. 27.4.20}} |
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| ===== Darstellung ===== |
| Der User*innen-Name kann als eine Zusammensetzung der Worte Bot (aus dem Englischen für „Roboter“) und loco (spanisch für „verrückt“) beschrieben werden, die durch den Buchstaben „O“ verbunden wird und somit als „verrückter Bot“ übersetzt werden könnte. Abgesehen von dieser Lesart des Namens und der Information, dass das Konto seit Februar 2020 genutzt wird, lässt das Profil keine Aussagen über den*die User*in zu. Durch das Fehlen des Profilbilds, des Headerfotos, sowie der biografischen Beschreibung stehen kaum visuelle bzw. textuell beschreibende Informationen zur Verfügung, um das Nutzerkonto weitergehend mit differenzierenden Kategorien wie Geschlecht oder Alter in Verbindung zu bringen. Hierbei sei jedoch angemerkt, dass solche Elemente der Personifizierung auf Twitter-Profilen nicht zwangsläufig Indikatoren sind, die Aufschluss darüber geben, wer das Nutzer*innenkonto steuert, sondern lediglich erlauben, die Repräsentation des Kontos zu analysieren. |
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| Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Screenshots sind zwei der insgesamt 23 neuesten Tweets zum Suchbegriff Feminismus von dem*der User*in Botoloco abgesetzt worden. Der „ältere“ Tweet (Tweet 1) vor (damals) drei Stunden, der „jüngere“ Tweet (Tweet 2) vor (damals) einer Stunde. Ersichtlich ist der Zeitraum in dem der Tweet veröffentlicht wurde anhand der Angabe rechts des Nutzer*innen-Namens (Angabe in vergangenen Minuten/Stunden seit Veröffentlichung). Mit Blick auf das gesamte Material – alle auf dem Screenshot festgehaltenen Tweets – reihen sich die Tweets von Botoloco - entsprechend des Zeitpunkts der Veröffentlichung - an Stelle Nr. 17 von oben (Tweet 1) und an Stelle Nr. 4 von oben (Tweet 2) ein. Beide Tweets wurden zum Zeitpunkt der Aufnahme des Screenshots weder kommentiert, geliked oder |
| retweeted. Erkennbar ist das anhand der Symbole unterhalb der Tweets: Sprechblase (Kommentare), Pfeile (Retweet) und Herz (Like). |
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| Hinsichtlich der inhaltlichen Betrachtung der Beiträge fällt auf, dass Struktur und Aufbau der beiden Tweets identisch sind. Beide Tweets beinhalten eine Erklärung bzw. die Einordnung einer Aussage (Zitat) einer dritten Person – also was eine Person mit ihrer Aussage ausdrücken wollte. Diese setzt sich jeweils aus fünf Teilen zusammen: Der Tweet wird mit der Präposition „Mit“ eingeleitet, es folgt ein Zitat, das durch Anführungszeichen als ein solches gekennzeichnet wird. Anschließend folgt das Verb „meinen“ in der dritten Person Singular und der Name einer Person, die in den Tweets jedoch nicht verlinkt ist. Daran anknüpfend folgt ein weiteres durch Interpunktionszeichen kenntlich gemachtes Zitat, das das Wort Feminismus beinhaltet. Auffällig ist, dass diese Zitate die Gestalt eines Reims haben. Zudem sind die Tweets jeweils mit zwei Hashtags verschlagwortet. In beiden Beiträgen ist der Hashtag #feminism zu finden. Außerdem findet in Tweet 1 zusätzlich der Hashtag #totheGirls und in Tweet 2 der Hashtag #truestory Anwendung. Während der Tweet auf Deutsch verfasst ist, wird ein Hashtag in englischer Sprache genutzt. |
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| ===== Interpretation ===== |
| Um größere Mengen an Datenmaterial zu sortieren, Verbindungen herzustellen und auf Basis des Materials, bzw. aus dem Material heraus, eine Theorie bilden zu können, eignet sich die Anwendung der Grounded Theory Methodology, die ursprünglich von Glaser und Strauss entwickelt wurde (Muckel und Breuer 2016: 160). |
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| Beispielhaft soll nun anhand von zwei Tweets des*der User*in Botoloco der Kodierprozess dargestellt werden: |
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| Tweet 1: |
| „Mit „Die kleinen Nuttensöhne rappen arrogant“ meint Bushido „Pinke Fahne schwarzer Stern – Feminismus hab ich gern“ #totheGirls #feminism |
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| Tweet 2: |
| „Mit „Junkies teilen Spritze und pumpen Heroin auf Krise in Vene.“ meint Kurdo „Schlechtes Wetter, harte Zeiten, für den Feminismus fighten“ #trustory #feminism |
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| Offenes Codieren: Bei den beiden Zitaten im ersten Teil des Tweets, gekennzeichnet durch Anführungszeichen, handelt es sich jeweils um Zeilen aus Raptexten, weshalb man diesen Sequenzen den abstrahierenden Code „Rapzitat“ zuweisen kann. Bushido und Kurdo sind deutsche Rapper, ihnen würde der Code „Interpret“ zugewiesen. Die beiden Zitate im zweiten Teil des Tweets, wiederum durch Anführungszeichen gekennzeichnet, stellen jeweils eine feministische Parole dar, weshalb man hier den Code „Feministische Parole“ zuweisen kann. Die einzelnen Hashtags können als in-vivo-Codes codiert werden (Muckel und Breuer 2016: 162-164). |
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| Da für die Codierung dieser beiden Tweets noch keine spezielle Software verwendet wurde, wurde hier aus Zwecken der Veranschaulichung mit der Kommentarfunktion von Word gearbeitet: |
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| Im weiteren Verlauf würde man nun weitere kontrastierende Fälle von anderen Usern*innen suchen und deren Tweets mit dem bisher codierten Material vergleichen. Dann hätte man bspw. die Möglichkeit zu prüfen, ob sich auch andere User*innen auf Rapzitate, feministischen Parolen o. ä. im Kontext von #feminism beziehen, und wenn ja, inwiefern. Gleichzeitig würden die anderen Tweets aufgrund ihrer Inhalte selbst ebenfalls offen codiert. Bestimmte Codes und Kategorien, die in anderen Tweets gefunden werden, sollten auch nochmal bei den ersten Tweets auf ihr Vorhandensein geprüft werden. |
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| Dies entspräche dann dem weiteren Schritt des axialen Kodierens, nämlich dem Vergleich und der Verbindung der unterschiedlichen Kategorien, um so verschiedene Dimensionen dieser herauszuarbeiten. Dies ist in diesem Beispiel allerdings noch nicht möglich, da wir uns bisher nur mit Tweets eines*r Users*in beschäftigt haben (Muckel und Breuer 2016: 164-166). |
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| Anschließend würde das selektive Kodieren erfolgen, also die Fokussierung und Ausarbeitung bestimmter Kategorien, die zur Herausbildung einer Theorie beitragen (Muckel und Breuer 2016: 167). |
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| Der Aufbau der Tweets von @botoloco kann als eine Interpretation gelesen werden: Der*die Verfasser*in des Tweets interpretiert Aussagen, die einem Künstler*in aus der Deutschrapszene zugeschrieben werden, indem er sie in einen Sinnzusammenhang mit einem Zitat aus der feministischen Protestszene setzt. In Tweet 1 wird etwa eine Aussage des Deutschrappers Bushido und in Tweet 2 eine Aussage von Rapper Kurdo interpretiert. Durch die syntaktische Struktur der Tweets wird suggeriert, dass es sich bei dem ersten Zitat um eine vermeintliche Textzeile des nachfolgend genannten Rappers handelt, die dieser in einem musikalischen Beitrag verwendet hat. Betrachtet man den ersten Beitrag, in dem das Zitat „die kleinen Nuttensöhne rappen arrogant“ dem Rapper Bushido zugeordnet wird, zeigt sich durch eine weiterführende Recherche unter Anwendung der Google-Suche und den Suchbegriffen „die kleinen Nuttensöhne rappen arrogant lyrics“, dass diese Zeile von der Hip-Hop Gruppe „187 Strassenbande“ aus dem Song „Millionär“ stammt. Auch für den zweiten Tweet ist eine solche willkürliche Zuordnung erkennbar: Diesmal wird bei der weiteren Recherche klar, dass diese Songzeile nicht von dem Rapper Kurdo stammt, sondern von Hanybal aus dem Song „Kriminell“. Im zweiten Teil der Beiträge, wird das erste Zitat jeweils mit einem zweiten gepaart, welches ein Zitat oder einen Spruch darstellt, der in der linken Feminismus Szene bekannt ist und in Demonstrationen Verwendung findet, weshalb vermutet werden könnte, dass eine Verbindung zu linken Feminismus-Politiken bestehen könnte. |
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| Die jeweils ersten Zitate aus den Tweets („Junkies teilen Spritze und pumpen Heroin auf Krise in Vene“ (Tweet 1); „die kleinen Nuttensöhne rappen arrogant“ (Tweet 2)), die als Auszüge aus Deutschrap-Titeln identifiziert wurden, zeichnen sich durch einen vulgären Sprachgebrauch aus. So sind in beiden Zitaten Schimpfwörter zu finden: „Junkies“ und „Nuttensöhne“. Ein vulgärer, provokanter, beleidigender Sprachgebrauch ist für einen Teil der deutschen Rapszene kennzeichnend. Das Zitat aus Tweet 1 handelt vom Konsum harter Drogen, was einen Bezug zur Drogenszene vermuten lässt. Dieser Bezug bzw. die Thematisierung von Drogenkonsum oder die Verbindung zur Drogenszene ist ebenfalls typisch für einen Teil der Deutschrapszene. Entweder im Zusammenhang des eigenen Konsums oder als Beschreibung des eigenen Umfeldes als kriminell. Die Recherche zur Herkunft des Zitats hat ergeben, dass sich der Rapper Hanybal, von dem das Lied stammt, auf den Frankfurter Stadtteil rund um den Hauptbahnhof bezieht, der bekannt ist für Drogenkonsum, Abhängigkeit/Suchtproblematik und das Elend, das damit verbunden ist. Der Rapper selbst bezeichnet das Areal um den Frankfurter Hauptbahnhof als „schwierige Szene“ und als lieblos und hart ([[https://www.lyrics.com/lyric/36358638/Hanybal/Kriminell|Lyrics Hanybal]]). |
| Das Zitat aus Tweet 2 bezieht sich hingegen mutmaßlich auf andere Rapper*innen, da mit dem Verb „rappen“ auf andere Titel des Rap-Genre verwiesen wird. Diejenigen, auf die Bezug genommen wird, werden als „kleine Nuttensöhne“ beleidigt und ihr Handeln – ihr rappen – als arrogant bezeichnet, was ebenfalls als abwertend verstanden werden kann. |
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| Die Verschlagwortung mit Hashtags, die den Begriff Feminismus enthalten bzw. auf feministische Themen verweisen, lässt darüber hinaus darauf schließen, dass der Beitrag Nutzer*innen angezeigt werden sollen, die Diskussionen zum Thema Feminismus folgen. |
| Der Hashtag #feminism, der in beiden Tweets verwendet wird, deutet darauf hin, dass der Inhalt des Tweets in irgendeiner Weise mit Feminismus zu tun hat. Welche Art von Feminismus, also bspw. neoliberal, konservativ o. ä., kann allein aufgrund des Hashtags allerdings noch nicht genauer bestimmt werden. Der Hashtag #totheGirls, der im Deutschen so viel wie „An die Mädchen“ bedeutet, wie es in einem Artikel der Huffington Post vom 17.06.2020 heißt, wurde ursprünglich auf Twitter initiiert, um Ratschläge von Frauen an Mädchen und junge Frauen ([[https://www.huffpost.com/entry/tothegirls-twitter-advice-to-teens_n_7064600?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmNvbS8&guce_referrer_sig=AQAAAIxgij4KhyDSLR4Yu__2r5ajxIpjM6t021V1ucUTfThJOFWQvSnF0YuSDeEzyBgy2kMJWIvhPIKxnA4Ru08niQEbgmg5yAQGsj5Y0vToonGIOPbokBiAosZGjRgE6lsyUihAAZcPl1v8Ink174UrkCVM3uYsuThzJjZwGESsRoUL|Huffington Post]]) zu sammeln. In dieser ursprünglichen Funktion waren ältere, bzw. lebenserfahrener Frauen die hauptsächlichen Verwenderinnen. |
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| Der Sinn bestand darin, junge Frauen über Klischees, Genderstereotype und gesellschaftliche Erwartungshaltungen zu informieren und diese vor allem zu dekonstruieren (z.b. zu Themen wie Körperbehaarung, das Erreichen von Zielen oder die gesellschaftliche Erwartung einer Familiengründung). Die Tweets, die diesen Hashtag enthielten, hatten somit eine sehr empowernde Funktion. Die Verwendung des Hashtags durch Botoloco legt somit nahe, dass auch Tweet 1 einen Ratschlag für junge Frauen bereithalten soll. |
| Der Hashtag #truestory (dt. „wahre Geschichte“), der im ersten Beitrag zum Einsatz kommt, suggeriert, dass der*die Autor*in des Tweets einen gewissen Wahrheitsanspruch an den veröffentlichten Inhalt erheben möchte. Betrachtet man die Beiträge, die mit diesem Hashtag auf Twitter verlinkt werden, so zeigt sich, dass es sich dabei vor allem um kurze Geschichten, Erfahrungen oder Anekdoten aus dem alltäglichen Leben der User*innen handelt, die zu verrückt, absurd oder aber auch zu schlimm erscheinen, um wahr zu sein. Botoloco könnte also mit der Verwendung des Hashtags darauf anspielen, dass auch der Inhalt von Tweet 2 einen derartigen Inhalt darstellt. |
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| Der collageartige Charakter des Tweets, der ein Zitat aus einem populären Rap bzw. Hip-Hop Song, mit einem beliebigen Künstler eben dieser Musikszene und einem Zitat aus der links-feministischen Protestartikulation verbindet und unter Hashtags verortet, die das Schlagwort Feminismus enthalten oder auf feministische Diskussionen verweisen, wirkt willkürlich. Jedoch ermöglicht die Verbindung der syntaktischen und der inhaltlichen Ebene der Tweets die Feststellung, dass gezielt zwei scheinbar gegensätzliche Äußerungen in Zusammenhang gebracht werden: Eine Aussage aus dem Bereich des Deutschrap, in dem teilweise diskriminierende Äußerungen über Frauen und Minderheiten verwendet werden und eine Aussage aus dem Bereich feministischer Protestartikulation, wo Gleichstellung und Frauenrechte gezielt eingefordert werden. Das zeigt sich beispielsweise im ersten Tweet, wo die gegensätzlich konnotierten Begriffe „Nuttensöhne“ und „Feminismus“ zusammengebracht werden. Die syntaktische Anordnung der Zitate verdeutlicht, dass der Tweet darauf zielt, das Zitat aus einem Rap-Songtext in eine feministische Aussage umzudeuten. |
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| Was die Rezepetion der Tweets angeht, kann festgehalten werden, dass beide Beiträge bisher wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erregt haben, da sie weder geliked, noch retweeted oder kommentiert wurden. Ein Blick auf das Profil von Botoloco zeigt, dass der*die User*in insgesamt nur sehr wenige, nämlich nur neun Follower*innen hat. Es lässt sich jedoch nicht sagen, wie viele Personen den Tweet möglicherweise gelesen und aber als nicht relevant oder interessant genug eingestuft, um darauf in irgendeiner Weise zu reagieren. Somit kann man sagen, dass Botoloco insgesamt keine große Reichweite und damit auch keinen größeren Einfluss auf die Community hat. Betrachtet man den Account von @botoloco2 jedoch genauer, so lässt sich feststellen, dass dort dreimal pro Tag in größeren Abständen Tweets abgesetzt werden, die dem oben beschriebenen Schema folgen, wobei jeweils unterschiedliche Zitate und Namen von Rappern zum Einsatz kommen. |
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| ===== Theoriebildung ===== |
| Das Fehlen personifizierender Information auf dem Nutzerkonto, die Bedeutung des Nutzernamens und die uniforme Syntax der Tweets sowie die präzise Regelmäßigkeit der Veröffentlichung haben zu der Annahme geführt, dass es sich bei dem Nutzerkonto um einen Bot handeln könnte. Ein sogenannter Twitterbot agiert ähnlich wie ein*e menschliche*r Nutzer*in auf Twitter, indem er unter Einsatz von Hashtags, Tweets absetzt, Beiträge retweetet und andere Konten abonniert, was jedoch völlig automatisiert geschieht. Das manipulative Potenzial für die Sichtbarmachung diskursiver Prozesse auf Twitter und die fehlende Authentizität des Kontos aufgrund der Automatisierung, führt dazu, dass Bots eher als Gefahren für die digitale Kommunikation wahrgenommen wurden. Als Instrumente zur Verbreitung von Spam, zur Ausübung von Datenklau oder durch die bewusste Manipulation öffentlicher Debatten aus politischen Interessen, indem beispielsweise eine Reihe von Tweets veröffentlicht werden, die einen bestimmten Hashtag enthalten, wodurch dieser eine größere Reichweite erhalten soll, vermögen Bots die Herstellung öffentlicher Meinung im Diskursraum Twitter zu behindern. |
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| Zugleich ermöglichen Bots Informationen unmittelbar verfügbar zu machen, wie beispielsweise @the_ephemerides, der Bilder von Raumsonden aus der NASA-Datenbank postet. Im Falle von @botoloco2 wird auf dessen Profil zwar nicht sichtbar gemacht, dass es sich um einen Bot handelt, eine weiterführende Analyse, die uns zu einem Tweet der [[https://twitter.com/IPWunibern/status/1230537564416770048|IPW UniBern]] (@ipwunibern) geführt hat, legt jedoch offen, dass es sich bei @botoloco2 um einen in einem Projekt unter dem Namen „Book-Clubs Smartphone“ erzeugten Bot handelt, der „Deutschrap mit tiefgründigen Gedanken kombiniert“. Er wird als überraschend automatisierter Denker des deutschsprachigen Raumes bezeichnet. Auch die Betrachtung der Nutzer*innenkonten, denen @botoloco folgt, zeigt, dass sich darunter Personen und andere Bots finden, die im Zusammenhang mit der Universität Bern stehen. |
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| ===== Fazit ===== |
| Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass wir anhand der detaillierten Analyse der beiden Beiträge von @botoloco2 feststellen konnten, dass neben menschlichen Nutzer*innen auch automatisierte und programmierte Bots den Diskurs zum Thema „Feminismus“ auf Twitter prägen. Der als Teil eines politikwissenschaftlichen Projekts programmierte @botoloco2 nutzt sowohl textliche Elemente aus der populären Musikszene als auch feministische Protestsprüche, um diese in einem durch die Anwendung des Hashtags #feminism in einem feministischen Kontext zu verorten. |
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| Die scheinbare Willkür, mit der die Elemente dabei verbunden werden, legen dabei offen, dass eine hermeneutische sinnsuchende Deutung der Texte, wie wir sie zu Beginn der Betrachtung zur Anwendung bringen wollten, dabei auch an ihr Grenzen stoßen kann. Vielmehr scheinen automatisierte Analyseprogramme, die die Gesamtheit der Tweets auf die Verwendung bestimmter Begriffe, Namen etc. untersucht, Aufschluss geben zu können, welchen Mustern der Bot bei der Erstellung der Tweets folgt. So hat die Analyse des Beitrages für uns auch ein selbstreflexives Moment enthalten, in dem wir festgestellt haben, dass nur eine synthetische Betrachtung plattformeigener-funktionaler und inhaltlicher-bedeutungstragender Elemente eines Tweets Aufschlüsse über dessen Charakter geben können. |
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| ===== Literatur ===== |
| * Muckel, P. & Breuer, F. (2016). Die Praxis der Reflexiven Grounded Theory. Beispielhaft erläutert an der Entwicklung erster Theoriefragmente aus den Kodes unterschiedlicher Daten und bereits bestehender Theorien. In: Equit / Hohage: 158–179. |
| * Schirmer, D. (2009): Empirische Methoden der Sozialforschung. Grundlagen und Techniken. Paderborn. |
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| ===== Weblinks ===== |
| * Die linke - linker Feminismus: https://www.die-linke.de/themen/feministische-politik/femlab/was-ist-eigentlich-linker-feminismus/ [zuletzt abgerufen am: 28.08.2020] |
| * Huffington Post: https://www.huffpost.com/entry/tothegirls-twitter-advice-to-teens_n_7064600?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmNvbS8&guce_referrer_sig=AQAAAIxgij4KhyDSLR4Yu__2r5ajxIpjM6t021V1ucUTfThJOFWQvSnF0YuSDeEzyBgy2kMJWIvhPIKxnA4Ru08niQEbgmg5yAQGsj5Y0vToonGIOPbokBiAosZGjRgE6lsyUihAAZcPl1v8Ink174UrkCVM3uYsuThzJjZwGESsRoUL [zuletzt abgerufen am: 17.06.2020] |
| * Lyrics: Hannybal - Kriminell: https://www.lyrics.com/lyric/36358638/Hanybal/Kriminell [zuletzt abgerufen am: 28.08.2020] |
| * Twitter-Profil der Uni Bern: https://twitter.com/IPWunibern/status/1230537564416770048 [zuletzt abgerufen am: 28.08.2020] |