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›Denken der Differenz‹ und ›Feministisch streiten‹

Der folgende Eintrag umfasst eine Zusammenfassung der Texte „Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne“ von Christina Thürmer-Rohr und „Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs“ von Koschka Linkerhand. Der Fokus liegt auf dem Umgang des Feminismus mit Differenzen und Gleichheiten, sowohl zwischen Männern und Frauen, als auch zwischen Frauen unter sich. Darauf aufbauend werden die Grundzüge der feministischen Bewegungen und ihre Besonderheiten dargestellt und betrachtet, wie sie Differenz denken.

Die Autorinnen

Christina Thürmer-Rohr

Koschka Linkerhand

Zusammenfassung: Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne. (Thürmer-Rohr)

Ausgangspunkt: der Feminismus ist zersplittert

Hauptkritikpunkt am Feminismus der westlichen weißen Welt: der Universalismus. Das bedeutet, dass Partikularinteressen nicht (mehr) genug Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Drei feministische Grundpositionen

Christina Thürmer-Rohr geht von drei unterschiedlichen feministischen Grundpositionen aus, die sich sowohl in ihrer politischen Ausrichtung, wie auch in ihrer Sicht auf Geschlechterkonstrukte unterscheiden.

„Teils verwendet der liberale Feminismus ökonomische Argumentationen wie die Verschwendung von weiblichem Humankapital aufgrund von diskriminierenden Sperren zu qualifizierten Berufen. Deswegen wurde er aufgrund einer Nähe zum Neoliberalismus kritisiert.“ (Heinrich-Böll-Stiftung)

„Denken der Differenz“ und die Postmoderne

„Jeder Versuch, der Kategorie ‚Frauen‘ einen universellen oder spezifischen Gehalt zuzuweisen, schaffe gerade nicht das, was er garantieren will, nämlich Solidarität, sondern zwangsläufig Zersplitterung“ (Butler 1993: 49).

Weibliche Mittäterschaft

„Mittäterschaft geht von der These aus, dass Frauen in der patriarchalen Kultur Werkzeuge entwickeln und sich zu Werkzeugen machen lassen, mit denen sie das System stützen und zu dessen unentbehrlichen Bestandteil werden können.“ (Thürmer-Rohr 2010: 88).
„wenn wir, Frauen der westlichen Welt, uns nicht nur als Beschädigte patriarchaler Gewalt und als Benachteiligte patriarchaler Dominanz begreifen, sondern als Mitglieder einer Kultur, an deren Herrschaftspraktiken auch wir mitagieren“ (91)

Konsequenzen

Zusammenfassung: Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs. (Koschka Linkerhand)

Ausgangspunkt: Das feministische Wir zwischen Gleicheit und Differenz

Gleichheit

„Schwesterlichkeit“ als solidarisches und enthusiastisches Zusammenhalten gegen das mächtige Patriarchat.

Differenz

Konsequenzen

„Streit zwischen Gleichheit und Differenz als dialektische[r] rote[r] Faden […], der die Geschichte des feministischen Wir durchzieht.“ (23)

Kritik an Queerfeminismus: ‚Queere Identitätspolitik und ihre Liebe zur Differenz‘

These: Queerfeminismus als „extremer Differenzfeminismus“

„Identitäre Kategorien wie homo-, pan- und asexuell werden in einem schillernden Wechsel als total fluide und total fix gesetzt.“ (25)

Konsequenzen

„Während die patriarchale Machtposition des Mannes noch zur Folie der männlichen, weißen, cis- und heterosexuellen Hegemonie taugt, von der Queers sich abgrenzen können, ist von einem Frausein, das strukturell die Hälfte der Menschheit betrifft, kaum mehr die Rede.“ (27)

Forderung: Die identitätskritische Seite des Queerfeminismus sollte versuchen, Abstand zu gewinnen vom Zwang der Zurichtung hinsichtlich Geschlecht und Sexualität

Negative Auswirkungen

„Der feministische Kampf verliert an Nachdruck und die feministische Theorie an analytischer Schärfe, wenn sich Feministinnen nicht mehr im Bewusstsein ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Lage als Frauen solidarisch aufeinander beziehen.“ (30)

Materialistische Kontexualisierung: Neoliberalismus

„Die ‚doppelte Vergesellschaftung‘ der Frau als Ehefrau und Mutter und gleichzeitig als Arbeitnehmerin verlangte von Frauen, sich bitteschön zum arbeitsmarktfähigen Subjekt zu emanzipieren, ohne dabei ihre reproduktive Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung zu vernachlässigen“ (31)
„Die Forderung lautet, in allen Dingen flexibel zu sein und dennoch immer ganz bei sich […] Auch die eigene Geschlechtlichkeit muss auf diese Weise als gnadenlos individuell und selbstbestimmt umgewertet und sich angeeignet werden.“ (33)
„Das detaillierte Ausmalen von Zugehörigkeit entspricht einer adäquaten Identifizierung mit den neoliberalen Produktionsverhältnissen und seinen flexibilisierten Ausbildungs- und Arbeitsbiographien.“ (38)

Drei Einwände gegen das einseitige Differenzdenken des Queerfeminismus

  1. auch die neoliberalen und „postmodernen Flexi-Identitäten“ (wie Roswitha Scholz sie nennt) sind nach wie vor männliche und weibliche Subjekte. Frauen werden dabei, z.B. durch die fortbestehende geschlechtliche Arbeitsteilung des Kapitalismus, weiterhin systematisch benachteiligt
  2. Linkerhand fasst den Einwand unter „queerem Identitätenfetisch“ zusammen: Der ständige und unreflektierte Wechsel zwischen der alternativen Identitätsfindung einerseits und der Identitätskritik anderseits führe dazu, „dass eine entlastende, nachsichtige, auch humorvolle Distanz zur eigenen Identität kaum mehr möglich ist“ (37)
  3. die Ablehnung der Annahme einer biologischen Zweigeschlechtlichkeit oder überhaupt eines biologisch bestimmbaren Geschlechts, wie die dekonstruktivistische Theorie es vertritt, sei nicht zielführend

Skizze einer neuen materialistisch-feministischen Herangehensweise

Die Leitfrage muss lauten:

„Wie können wir uns vom leidvollen binären Geschlechterverhältnis emanzipieren, das nicht nur die kapitalistische Ökonomie, unsere Alltagskultur und unsere Vorstellungen von Körpern und Ästhetik durchzieht, sondern tatsächlich jede zwischenmenschliche Beziehung und unsere Möglichkeiten zu Genuss und Glück?“ (43)

Umgang mit dem Subjekt Frau

„Es gilt, die Differenz der weiblichen Subjektivität, die alle Frauen betrifft, sowie die Differenzen unter Frauen zu ihrem Recht kommen zu lassen – innerhalb einer feministischen Gesellschaftskritik, die die patriarchale Herstellung der weiblichen Differenz radikal kritisiert.“ (45)

Herangehensweisen

→ Forderung eines Paragidmenwechsels nach 25 Jahren Queerfeminismus

Quellen

Linkerhand, K. 2018. Das politische Subjekt Frau. Rehabilitierung eines Kampfbegriffs. In: Dies. (Hrsg.): Feministisch streiten. Berlin: Querverlag, 18–50.

Thürmer-Rohr, C. 1995: Denken der Differenz. Feminismus und Postmoderne. In: beiträge zur feministischen theorie und praxis, 39: 87-98.

Thürmer-Rohr, C. 2010: Mittäterschaft von Frauen. Die Komplizenschaft mit der Unterdrückung. In: Becker, R./ Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 88-93.

Butler, J. 1993: KÖRPER VON GEWICHT. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts