Alt Right
„I absolutely believe that unrepentant anti-Semitism needs to remain at the core of the movement, just as it has been from the beginning.“ (Anglin 2016).
„The Alt-Right wages a situational and ideological war on those deconstructing European history and identity.“ (Spencer 2017).
„It is more accurate to say that the Alt Right cares about western supremacy, rather than white supremacy, it cares about western values, it cares about liberal, capitalist, western democracy.“ (CNBC 2016).
Obige Zitate stammen von Andrew Anglin, Richard Spencer und Milo Yiannopoulos, die entweder als Ideologen der Alt Right gelten, oder denen, wie im Falle Yiannopoulos', zumindest Sympathien vorgeworfen wurden. Ihre Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die zugrundeliegenden Werte der Alt Right drückt die Schwierigkeit aus, die Bewegung von innen oder von außen zu fassen. Der Begriff ‚Alt Right‛ wird immer wieder als Sammelbegriff für eine radikale, internetaffine Rechte oder auch als Synomym für die neue Rechte gebraucht. Für Angela Nagle erscheint die Alt Right etwa als Zusammenwuchs vieler „cross-polinating subcultures“ (Nagle 2017: 21), sie versteht den Begriff offenbar als Sammelbegriff dieser Subkulturen, sodass etwa auch MGTOW und Proud Boys – letztere grenzen sich explizit von der Alt Right ab (allerdings kann ich bisher nicht sagen, ob diese Abgrenzung, die 2017 begann, bereits zum Zeitpunkt der Verfassung von Nagles Buch, das ebenfalls 2017 erschien, stattgefunden hatte) – darunter gezählt werden (vgl. ebd. 78ff.). Auch Andrew Anglin (vgl. 2016) versteht die Alt Right als führerloses Amalgam von Trollen, Verschwörungstheoretikern, Libertären, Paläokonservativen, Antifeministen, Videospielern, Identitären und alten White Nationalists.
Nagle (vgl. ebd.: 21) begreift die Alt Right als Negativ linker Identitätspolitik, insofern sie einerseits deren Tendenzen und Argumentationsstrategien nur mit umgekehrten Vorzeichen versehe, sie sonst aber übernehme, und sich andererseits über die Negation linker Identitätspolitik identifiziere. Auch laut Annalisa Merelli (vgl. 2017) ist der Hauptfeind der Alt Right die „Political correctness“ (ebd.), andere verachtete Gruppen oder Konzepte stellen demnach Schwarze, „Non-whites“ (ebd.), Juden, Immigranten und Geschlechtergleichheit dar. Im Gegensatz zu anderen U.S.-amerikanischen rechtsextremen Bewegungen wie dem Ku Klux Klan sei die Alt Right aber nicht (explizit) gegen Katholiken, Schwule und Lesben, oder gesellschaftliche Desegregation gerichtet. Aaron Winter (vgl. 2019: 11) unterstellt der Alt Right das Fehlen einer dominanten Ideologie oder Organisationsform. Ansonsten gilt als signifikantes Merkmal der Alt Right ein frischer, jugendhafter und bissig-aneckender Stil (vgl. ebd.), der sich vom ‚dümmlichen‛ Ruf des Skinhead-Neonazismus ebenso abheben will wie vom zum ‚Establishment‛ gerechneten Neokonservatismus.
Geprägt wurde der Begriff Alternative Right 2008 von Richard Spencer (vgl. ebd.: 10f.), der auch weiterhin als einer ihrer Hauptagitatoren gelten kann. Als Hauptpropagandamaschinen der Bewegung zählt Winter (vgl. ebd.) den von Andrew Anglin betriebenen Blog The Daily Stormer und das von Mike Peinovich betriebene Forum The Right Stuff.
Seit der Wahl von Donald Trump, die die Alt Right befeuerte und feierte, kam es wohl zu einer gewissen Enttäuschung der Bewegung mit dem Präsidenten. Vor kurzem kündigte Richard Spencer medienwirksam auf Twitter an, in den kommenden Wahlen für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Joe Biden, zu stimmen (vgl. Palmer 2020), während Andrew Anglin scheinbar aus schierer Existenzangst Trump unterstützt (vgl. Anglin 2020A), obwohl er diesen als israelische Marionette versteht (vgl. Anglin 2020B). Die Unzufriedenheit mit Trump, und damit mit der eigenen, vor vier Jahren noch als Trump befördernd gefeierten Methode, könnte neue Entwicklungen in der Alt Right ankündigen.