Soziale Netzwerke

Crackdown auf den Mainstream-Plattformen

2015 erreichte die Zahl von rechtsextremen Online-Netzwerken, Webseiten, Foren und Blogs ihren Höhepunkt. Zu dieser Zeit verlegte sich der Schwerpunkt rechtsextremer Netz-Aktivität auf die sozialen Netzwerke (vgl. Winter 2019: 9).

2017 wurde in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erlassen, das Betreibern von Online-Plattformen hohe Strafzahlungen einbringt, wenn sie illegale Inhalte nicht 24 Stunden nach ihrer Veröffentlichung zensieren (vgl. Ebner et al. 2020: 7), Frankreich und Großbritannien erließen vergleichbare Gesetze (vgl. ebd.: 16). Bereits 2017 wurde vermerkt, dass die Plattformen Facebook, YouTube und Twitter ihre Bemühungen erhöhten, Hassrede, Volksverhetzung und Falschmeldungen zu unterdrücken, indem etwa entsprechende Nutzerinnen und Influencerinnen von den Plattformen verbannt werden. Von rechten Medien wie Breitbart wurde dies teilweise als Zensur gebranntmarkt (vgl. DFR Lab 2017).

Aufstieg der Alternativplattformen

In Reaktion hierauf wurde eine Reihe von Alternativplattformen etabliert, die explizit damit werben, freie Rede nicht einzuschränken. Zumeist orientieren sie sich am Design populärer Plattformen: Seen.life orientiert sich an Facebook, Voat an Reddit, Gab an Twitter, Good Gopher an Google (vgl. DFR Lab 2017), BitChute an YouTube und Minds ebenfalls an Facebook (vgl. Ebner et al. 2020: 20). Seen.life, Voat und Good Gopher kämpften schon 2017 mit ihrer Finanzierung (vgl. DFR Lab 2017).

Als libertäre Plattformen gelten außerdem die von Pavel Durov designte Facebook-Alternative VK und das ebenfalls aus Durovs Feder stammende Telegram. Durov, der der russischen Regierung gegenüber kritisch war, wurde 2011 zum Verkauf seiner VK-Anteile an Kremltreue Unternehmen gezwungen, seither dominiert eine Kremlfreundliche Zensurpolitik auf VK. 2014 ging Durov ins Exil, wo er den Messenger-Dienst Telegram startete. Nachdem die Applikation von Islamisten, insbesondere von Akteuren des Islamischen Staates, zu Organisations- und Propagandazwecken genutzt wurde, begann sie gegen diese vorzugehen und arbeitete Ende 2019 erstmals mit Europol zusammen (vgl. Ebner et al. 2020: 57ff.).

Neben diesen speziell auf freie Rede ausgerichteten Plattformen, wurden auch Plattformen, die eigentlich einem anderen Zweck dienten, wie die Videospiel-App Discord, von rechtsextremen Nutzern zur Koordination zweckentfremdet (vgl. Ebner et al. 2020: 58). Betreiber solcher Plattformen ermangeln manchmal der Ressourcen, um unerwünschte Inhalte schnell und effektiv ausfindig zu machen und zu entfernen (vgl. ebd.: 7).

Nutzerinnen von rechtsextremen Discord-Kanälen gaben in Umfragen an, dass der motivierendste Grund für ihre Nutzung für sie der Wunsch nach Gemeinschaft (39%) und nach politischem Wandel (41%) sei. Für Nutzerinnen von Gab stand hingegen die freie Rede im Vordergrund (54%) (vgl. Ebner et al. 2020: 23ff.).

Für rechtsextreme Netzwerke auf den Plattformen VK, Telegram, Gab, BitChute, Reddit, Voat und Minds wurde bereits die Stärke der relativen Behandlung verschiedener Themen untersucht. Auf VK, Telegram, Voat und Reddit ist demnach Immigration das meistbehandelste Thema, auf Gab sind es politische Gegner, Verschwörungstheorien auf BitChute und faschistische sowie populistische Inhalte auf Minds (vgl. Ebner et al. 2020: 27).

Abbildung: Das Diagramm stellt den prozentualen Anteil von bestimmten Inhalten in Relation zu anderen Inhalten auf verschiedenen rechtsextremen Plattformen dar. Quelle: Ebner et al. 2020: 27.

Julia Ebner et al. (vgl. 2020: 37ff.) fanden heraus, dass Influencer, die auf Plattformen blockiert wurden, die von den Forscherinnen als ‚Mainstream‛ kategorisiert wurden, in ihrer Reichweite auch auf Alternativplattformen, wie den oben genannten libertären Plattformen, geschwächt sind. Dies ist ein Indiz gegen die These, dass ihre Abonnenten ihnen schlicht zu schwerer verortbaren Plattformen folgen, sobald Influencer im Mainstream blockiert werden.

r/The_Donald

Reddit begann bereits nach der Gamergate-Kontroverse 2014 seine Zensur-Richtlinien zu verschärfen (vgl. Ebner et al. 2020: 56), 2016 wurde die Plattform dennoch zum Wirt des Subreddits r/The_Donald. Wie im Eintrag zur Geschichte der extremen Rechten im Netz herausgestellt, fungierte der Subreddit als Epizentrum einer Agitprop-Kampagne zur Unterstützung des Präsidentschaftswahlkampfes des republikanischen Kandidaten. Tim Squirrell (vgl. 2017) unterstellt r/The_Donald eine starke Integrationskraft für die sonst disparaten Gruppen der U.S.-Rechten gehabt zu haben. Trevor Martin (vgl. 2017) untersuchte die Verbindungen von r/The_Donald zu anderen Subreddits. Er fand Überschneidungen zu konservativen Subreddits, Anti-Clinton Subreddits und zu solchen über politisch rechte Weltsicht. Wurden Nutzerinnen, die sich für das Politik-Unterforum r/politics interessierten, ausgeklammert, so wurden die Gemeinsamkeiten des Pro-Trump-Subreddits mit rassistischen, Alt Right- und 4chan-Subreddits stärker. r/The_Donald wurde noch 2016 aufgrund von dort verbreiteten Aufrufen zur Gewalt von Reddit gesperrt (vgl. Ebner et al. 2020: 56).

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Zum Literaturverzeichnis

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