Inhaltsverzeichnis
Analyse Fallbeispiel Youtube
Im Rahmen des Seminars haben wir einen Screenshot der Plattform YouTube hinsichtlich der Fragestellung „Wie antwortet der Screenshot auf die Frage „Was ist Feminismus?“?“ analysiert.
Der Screenshot bietet eine enorme Menge an Informationen: Er zeichnet sich durch ein variationsreiches Material aus, das Bild und Text miteinander kombiniert, die eigentlich nur zur Beschreibung eines bildbewegten Mediums - eines Videos - dienen. Die Verknüpfung von Einzelmedien (Bild, Text und Film), sowie die Dichte des vorhandenen Materials sind eine zentrale Eigenschaft internetbasierter Daten (Schirmer, 2017). Genau diese Kombination von dichtem, variationsreichem Material war eine große Herausforderung beim Vorgehen unserer Analyse. Der Entstehungsprozess der Analyse stellt deshalb einen wichtigen Teil unserer Lernerfahrung dar. Diesen versuchen wir ihn in unserer Arbeit kenntlich zu machen und zu erklären.
Im Folgenden stellen wir kurz die Plattform YouTube im Allgemeinen, ihre zentralen Eigenschaften, ihren Aufbau und ihre Nutzung dar. Anschließend erklären wir unser Vorgehen und unsere ausgewählte Methode und wenden diese dann auf vier ausgewählte Abschnitte des Screenshots an. Auf Basis unserer Analyse versuchen wir zum Schluss eine Theorie zu bilden, in der wir erklären wie der Screenshot Feminismus darstellt.
1. YouTube - zentrale Eigenschaften, Aufbau und Nutzung der Plattform
Um sich an das empirische Material unserer Analyse anzunähern, ist es wichtig sich mit der Social-Media-Plattform YouTube im Allgemeinen genauer auseinanderzusetzen. Im Folgenden werden wir deshalb kurz die zentralen Eigenschaften der Plattform und ihre Entstehungsgeschichte darstellen, sowie ihren Aufbau und die verschiedenen Funktionen. Zum Schluss gehen wir auf die Nutzer*innenschaft YouTubes ein, die die Entwicklung der Plattform wesentlich mitbestimmen.
1.1 Zentrale Eigenschaften der Plattform
YouTube ist ein Videoportal, das 2005 von YouTube LLC gegründet wurde und seit 2006 eine Tochtergesellschaft von Google LLC (Sitz in Kalifornien) ist. Die Plattform bietet das kostenlose Ansehen und auch Hochladen von Video-Clips, die sich online als Stream im Webbrowser betrachten lassen. YouTube ist nach Google die zweitgrößte Suchmaschine weltweit und die am häufigsten besuchte Seite nach Google (brandwatch, 2020). Die Art der Videos auf YouTube kann sehr verschieden sein: Es gibt u. a. Film- und Fernsehausschnitte, Musikvideos, Trailer, aber auch selbstgedrehte Filme und Slideshows. Somit findet sich von Tutorials über Verschwörungstheorien bis hin zu Spielfilmen allerlei Arten von Material. Haarkötter und Wergen (2019) behaupten, dass fast jedes Thema, Bedürfnis, Interesse oder jede Agenda in Videos auf YouTube zu finden sind, sowie u.a. Schminktutorials, How-to-Videos, Life Hacks und Let’s Plays oder Cover von Musikstücken auch faktenbezogene Inhalte (Haarkötter, 2019, 4, 11 & thinkwithgoogle, 2017). YouTube wird zunehmend auch als „kulturelle[s] Gedächtnis für Videoinhalte, die aktueller oder historischer Natur“ sind (Haarkötter & Wergen, 2019, 3). Jede Minute werden auf YouTube ca. 400 Stunden Videomaterial hochgeladen (brandwatch, 2020). Täglich werden also Videos mit einer Gesamtdauer von über einer Milliarde Stunden wiedergeben (youtube.com). Obwohl als reines Videoportal gegründet, hat YouTube seit einigen Jahren den Status eines sozialen Netzwerkes erreicht, da man die Videos kommentieren und bewerten kann, wenn man einen eigenen Google-Account erstellt hat. Durch diesen Account können auch eigene Videos auf YouTube hochgeladen werden, sowie ein eigener Kanal erstellt werden, den andere Personen als „Follower“ abonnieren können. Aus diesem Grund existiert bei YouTube keine klare Trennung zwischen Produzierenden und Konsumierenden (social-media-abc.de). Durch die Kommentarfunktion und das damit direkte Kontaktaufnehmen mit Urheber*innen sowie das eigenständige Hochladen von Inhalten, ist YouTubes durch eine hohe Reaktivität (auch als Dialogizität, Partizipativität oder Interaktivität bezeichnet) geprägt (Haarkötter & Wergen, 2019, 2). Trotz der Interaktivitätsfunktionen, erfolgt der meiste Videokonsum passiv. Die hervorragende Bildqualität, auch auf Smartphones und Tablet-Computern, macht YouTube bequem und wird dadurch immer mehr als Konkurrenzkanal zum klassischen Fernsehen und öffentlich-rechtlichen Sendern (Haarkötter & Wergen, 2019, 3). Dazu trägt auch der simple Aufbau der Plattform bei: das Anlegen eines eigenen Kontos und das Hochladen eigener oder fremder Videos, sowie eine “laxe Auslegung des Urheberrechts und anderer Lizenzrechte” haben YouTube zu einer erfolgreichen Plattform gemacht (Haarkötter & Wergen, 2019, 2).
1.2 Aufbau und Funktionen
Auf der Plattform kann man zu drei verschiedenen Seiten kommen, die alle etwas unterschiedlich aufgebaut sind: die Startseite, die Seite eines Kanals und die Seite eines Videos. Der Aufbau der Startseite sieht folgendermaßen aus: Oben mittig befindet sich das Suchfeld. In der linken oberen Ecke befinden sich drei Balken die das “Menü” (mit Funktionen wie “Start”, “Trends”, “Abos”, “Mediathek”, “Verlauf”, “Meine Videos”…) darstellen. Rechts daneben befindet sich das Logo von YouTube. Rechts neben dem Suchfeld ist eine graue Kamera mit einem Plus darin abgebildet, mit welcher man entweder Videos hochladen oder einen Livestream starten kann. Rechts daneben ist ein Symbol bestehend aus 9 Punkten, die in einem Quadrat angeordnet sind. Hier kann man zu speziellen “Arten” von YouTube wechseln, wie “YouTube Kids” oder “YouTube TV”. Rechts daneben sind drei Punkte untereinander abgebildet mit Hilfe dessen man Einstellungen vornehmen kann. In der rechten Ecke befindet sich ein Symbol, mit welchem man sich anmelden kann. Die restliche Seite ist mit Videovorschlägen – bestehend aus Überschrift und Thumbnail - gefüllt, die durch Überschriften geordnet sind wie “Empfohlen” oder “Trends”. Von der Startseite gelangt man nun entweder direkt zu einem Video oder zu einem YouTube-Kanal. Dies ist der individuelle Bereich eines*r YouTube-Benutzer*in. Hier findet man u.a. die öffentlichen Videos, Playlists und Informationen über den Kanal, welche sich individuell gestalten lassen (Titelbild, Titel des Kanals, Module der Playlists). Soweit der*die Bertreiber*innen eines Kanals eine Privatperson ist, nennt man diese auch „YouTuber*in“. Ein*e Nutzer*in kann mehrere Kanäle haben und Videos zu unterschiedlichen Rubriken hochlanden. Außerdem kann ein Kanal von einem Kollektiv oder von einer einzelnen Person geführt werden.
1.3 Nutzer*innendaten
Jeden Monat benutzen mehr als 1,9 Milliarden angemeldete Nutzer*innen die Plattform YouTube (youtube.com). Damit ist YouTube die zweitbeliebteste Social Media Plattform nach Facebook (brandwatch, 2020). Jeden Tag werden über 1 Milliarde Stunden an YouTube Videos angesehen, mehr als auf Netflix und Facebook zusammen (brandwatch, 2020). YouTube spricht viele Zielgruppen an. Die Annahme, dass YouTube nur etwas für junge Menschen ist, ist überholt. YouTube hat Nutzer*innen und Zuschauer*innen über alle Altersklassen und Zielgruppen mit unterschiedlichsten Interessen hinweg: Jugendliche, Eltern, Gamer*innen, Musikbegeisterte oder DIY-Interessierte ‒ die Plattform zeichnet sich also durch ihre große Diversität an Zuschauer*innen aus (thinkwithgoogle, 2017). Trotzdem sind ein Großteil der Nutzer*innen Jugendliche und junge Menschen: Laut einer ARD/ZDF Onlinestudie nutzen 40% der deutschen Bevölkerung mindestens einmal in der Woche YouTube, bei jungen Erwachsenen sind es sogar 82% Prozent (klicksafe.de). Eine weitere Studie (JIM-Studie 2018) gibt Aufschluss über die Mediennutzung 12- bis 19 Jähriger, bei denen YouTube die beliebteste Plattform für Bewegtbildinhalte ist: 90 % der Jugendlichen nutzen YouTube mindestens mehrmals pro Woche davon 64 % täglich. Dabei gilt auch für die Gruppe der 12- bis 19-Jährigen, dass YouTube vor allem mobil (Smartphone: 89%) genutzt wird (klicksafe.de). Allerdings nutzen die meisten Menschen YouTube passiv: Laut klicksafe.de wird auf Youtube das 90-9-1 Prinzip angewandt, bei dem 90% als stille Beobachter*innen gelten (also Menschen, die sich lediglich die Videos angucken ohne zu kommentieren oder zu (dis-)liken), 9% Kommentare und Bewertungen abgeben und 1% Videos produzieren und veröffentlichen (klicksafe.de).
2. Methode & Vorgehen
2.1 Methode
Unser Ziel ist es, die Inhalte des Screenshots zu analysieren, also um die Verhandlungen von Sachverhalten (Schirmer, 2017). Dabei geht es besonders um das Herausarbeiten impliziter Bedeutungen von Äußerungen und weniger um die Personen dahinter (Schirmer, 2017), wofür sich eine Methode der qualitativen Analyse besonders gut eignet. Der zu analysierende Screenshot beinhaltet eine große Menge an Daten und zeichnet sich zudem durch eine hohe Multimedialität, bestehend aus Text, Symbolen und Bildern, aus. Diese Charakteristika, typisch für internetbasiertes Datenmaterial, bieten sich besonders gut für qualitative Forschung an, die „,reiches’, ‚dichtes’ und variationsreiches Material” braucht (Schirmer, 2017). Allerdings stellen internetbasiertes Datenmaterial die Forschenden auch vor besondere methodische Herausforderungen, wie Fragen zur Auswahlstrategie, der Materialreduktion und auch zur Berücksichtigung von Reaktivität auf bestimmte Beiträge (Schirmer, 2017). Methodisch haben wir uns für die Dreischritt-Analyse von Panofsky entschieden. Diese eignet sich besonders gut, da sie Subjektivität des Forschenden berücksichtigt wird. Die Strukturierung und Einordnung der manifesten Bedeutungen im ersten Schritt hat zum Ziel die subjektive und direkte Interpretation des Forschenden erst einmal zu eliminieren. Wenn dieser erste Schritt, der systematisch und materialgetreu vorgenommen werden soll, erfolgt ist, kann eine Interpretation erfolgt und später die Theoriebildung (Schirmer, 2009). Diese Methode eignet sich für unsere Analyse besonders gut, da unsere Beiträge multimedial aufgebaut sind (bestehend aus Text und Bild) und deshalb eine systematische Einordnung des Materials sinnvoll für die Herausarbeitung latenter Bedeutungen ist. Im Folgenden werden wir die Dreischritt-Analyse nach Panofsky noch einmal genauer erläutern.
Die Dreischritt-Analyse besteht aus der vorikonografischen Beschreibung, der ikonografischen Interpretation und dem ikonologischen Sinngehalt. Methodisch muss eine Unterscheidung der Sinnesebenen stattfinden. Erst durch die differenzierte Betrachtung der vorikonografischen und der ikonographischen Ebenen kann auf den ikonologischen Sinn geschlossen werden, der auf Prinzipien schließen lässt, die Grundeinstellungen enthüllt. Die vorikonografische Ebene ist eine vorreflexive Ebene. Im Bild werden Formen und Motive beschrieben. Die Beschreibung bleibt möglichst einfach und klammert jegliche Interpretation aus (2003, Bohnsack).
„Die Besonderheit und Eigensinnigkeit des Bildes im Unterschied zum Text, d.h. die Besonderheit der bildhaften, der ikonischen Zeichen entscheidet sich also auf der denotativen oder vor-ikonographischen Ebene. Wenn wir zu jener Botschaft vordringen wollen, die nur durch das Bild zu vermitteln ist, finden wir sie somit auf dieser Ebene. Bei der Entschlüsselung dieser Botschaft müssen wir allerdings immer zuerst durch die darüber gelagerte Ebene des ikonographischen oder konnotativen Codes hindurch, der sich uns gleichsam aufdrängt.“ (Bohnsack, 2003, 245)
Beispiel: Vorikonographischen/ denotative: Was passiert hier? (Darstellung) Jemand zieht einen Hut
Im zweiten Schritt, der ikonologischen Ebene, wird auf angeeignetes Wissen zurückgegriffen, um das Bild zu Interpretieren. Das Wissen kann aus unterschiedlichen Quellen stammen und ordnet das abgebildete in einen Kontext ein (Panofsky, 1975).
Beispiel: Ikonographischen/ konnotative: Was passiert hier? (Interpretation) Gebärde kann als Gruß interpretiert werden = alltägliche (Stereo-)Typisierung/Common Sense
Der dritte Schritt beschreibt den Sinngehalt des Bildes. In dieser Ebene geschieht eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Kontext des Herstellungsprozesses. Wann wurde das Bild gemacht? In welcher politischen Situation befinden sich die Abgebildeten und die Bildproduzent*innen? Welche Haltungen werden widergespiegelt? (Panofsky, 1975)
Beispiel: Ikonologische Sinnesgehalt: Wie wird die Gebärde des Hutziehens ausgeführt? (Theorie) Frage nach dem Herstellungsprozess (modus operandi) und somit nach dem Habitus der Bildproduzent*innen. Die Bildproduzent*in hat zum einen die Dimension der abbildendenden und der abgebildeten Akteure. Enthüllung als Habitus einer bestimmten Klasse, zu einer bestimmten Epoche.
Soziale Szenerien, Gebärden, Gestik und Mimik werden in einer Gesellschaft beobachtet, nachgeahmt und dadurch verinnerlicht. Zur Begrüßung den Hut zu ziehen, ist eine übliche Gebärde einer bestimmten Klasse in einer bestimmten Epoche. Die Verinnerlichung dieses Wissens geht in ein implizites Wissen ein und strukturiert und orientiert das Handeln. Aus diesem Grund ist die Erkenntnis, dass sich Realität nicht nur durch Bilder repräsentieren lässt, sondern Bilder Realität mit konstruieren, ausschlaggebend wenn man mit einer Methode der Bilderinterpretation arbeitet (Bohnsack, 2003).
Anhand der Dreischritt-Methode von Panofsky werden wir Thumbnails und Texte bestimmter Beiträge auf Youtube analysieren, um eine Antwort zu geben auf die Frage: „Wie wird Feminismus auf Youtube dargestellt?„. Im ersten Schritt werden wir die Darstellung des einzelnen Beitrags dokumentieren, anschließend werden wir die Interpretation des Beitrags diskutieren. Im letzten Schritt soll eine Theorie erstellt werden um Auskunft zu geben, wie Feminismus im Beitrag dargestellt wird.
2.2 Vorgehen und verworfene Arbeitsansätze
2.2.1 Annäherung an das Material
Bevor wir uns als Gruppe auf die eben erklärte Methode einigten, haben wir uns dem Material auf verschiedene Weise angenähert. Zuerst haben wir den gesamten Screenshot beschrieben, um einen Überblick über seinen Aufbau und die verschiedenen Beiträge zu bekommen. Anschließend haben wir die Beiträge systematisch in einer Tabelle geordnet, um die Auswahl für die Analyse einzelner Beiträge zu treffen.
Beschreibung des Interface
In der obersten Zeile des Screenshots ist zu erkennen, dass ein Menü-Symbol links oben aufgerufen werden kann. Daneben befindet sich das Logo von Youtube Deutschland, welches vermuten lässt, dass die Suchergebnisse von der Landesversion der Seite abhängen. Das Logo besteht aus einem abgerundeten roten Viereck, auf welchem ein weißes Play-Dreieck abgebildet ist. Mittig ist eine Suchleiste zu sehen, in welche das Wort „feminismus“ eingegeben wurde. Rechts oben befinden sich drei Menüsymbole: Eine Kamera (ein Upload-Tool?), ein Quadrat geformt aus neun kleinen Quadraten und eine Glocke (ein Benachrichtigungs-Tool?). Etwas tiefer links unterhalb des Youtube-Logos ist die Option gegeben die Suchanfrage zu filtern. Diese wurde augenscheinlich nicht genutzt. Vertikal am linken Rand reihen sich vier weitere Icons: Ein Haus, das als „Start“ betitelt ist, eine Flamme, die als „Trends“ betitelt ist, eine Reihe Youtube-Logos, die mit „Abos“ betitelt ist und zwei etwas versetzt aufeinanderliegende Youtube-Logos, die als „Mediathek“ betitelt sind. Mittig reihen sich dann die einzelnen Videos, die unter der Suchanfrage erscheinen. Zu jedem Video sind Informationen gelistet, die im Folgenden beschrieben und assoziiert werden.
Insgesamt scheint das Interface recht simpel und nicht extrem dicht zu sein. Die recht linear organisierte Form lässt die*den User*in gleich verstehen, wie der Inhalt zu finden ist und Videos angeklicht werden können. Die „Zusatzfunktionen“ in Form von Icons erschließen sich zwar nicht sofort, aber sie lassen auch nicht vermuten, dass sie essentiell sind um ein Video zuschauen. Auf diesem Interface sind keine Interaktionsmöglichkeiten (kommentieren, abonnieren, liken etc.) gegeben.
Kanäle: Die Mehrheit der Videos wurden von Kanäle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hochgeladen. Manche Beiträge sind aus Sendungen, die für ein jüngeres Publikum konzipiert wurden.
Videonamen: Der Titel des Videos steht rechts neben dem Video in dicker und großer Schrift. Unterhalb der Überschrift sind in kleiner Schrift noch mehr Informationen zu finden. Auf der linken Seite steht der Titel und meist steht durch einen vertikalen Strich getrennt danach der Kanal. Die Videonamen sind beschreibend, provokativ, fragend, Neugier weckend, usw. Unter dem Videonamen steht: der Name des Kanals, ein Häckchen, die Zahl der Aufrufe und das Jahr des Uploads.
Videobeschreibungen: Die Videobeschreibungen sind meist nur ein bis zwei Sätze lang und führen in den Beitrag ein.
Thumbnails: Auf dem Screenshot sind 20 Einträge zu sehen, von denen 15 ein Thumbnail haben. Das Thumbnail ermöglicht einen ersten Eindruck des Beitrages und verrät die Länge des Videos in der unteren rechten Ecke des Thumbnails. Auf den Thumbnails sind vor allem junge weiße, als weiblich gelesene Personen zu sehen. Auf zwei Thumbnails sind weiße, als männlich gelesene Personen abgebildet, eine recht Person und eine Person mittleren Alters. Auf keins der Bilder sind People of Color zu sehen. Vier der Thumbnails zeigen zwei oder mehrere Menschen und kündigen so möglicherweise Diskussionen oder Gesprächsrunden an. Bis auf sechs Videos sind alle Videos kurz Beiträge, die unter 10 Minuten dauern.
Tabellarische Übersicht der Beiträge
Anfangs haben wir direkt festgestellt, dass die Komplexität und Diversität der Beiträge auf dem Screenshot gleichzeitig eine Chance und eine Herausforderung darstellen. Wie von Schirmer (2017) treffend beobachtet wird, ist es vor allem bei sozialen Medien essenziell, sich auf eine strukturierte und zielgerichtete Materialanalyse festzusetzen, um sich nicht in der Menge des Materials zu verlieren. Dafür haben wir uns zuerst eine Übersicht über die numerischen Eigenschaften der Videos verschafft und zu jedem der zwanzig Videobeiträge die Informationen (1) Kanalname, (2) Kanaltyp, (3) Abonnent*innenanzahl, (4) Videoaufrufe, (5) Länge, (6) Upload-Datum, (7) Likeanzahl, (8) Dislikeanzahl und (9) Kommentaranzahl in einer Tabelle festgehalten. Somit konnten wir uns strukturierter über eine Vergleichbarkeit der Beiträge Gedanken machen. Uns ist sofort aufgefallen, dass es vergleichsweise viele Videos gibt, die von Kanälen öffentlich-rechtlicher Fernsehsender geteilt wurden. Außerdem sind uns große Diskrepanzen bezüglich der Videoaufrufe und (Dis)likes aufgefallen. Nach mehrmaliger Umstrukturierung der Tabelle, haben wir schließlich mit der folgenden Gesamtübersicht gearbeitet, um festzulegen mit welchen Beiträgen wir arbeiten.
Numerische Übersicht
Videonummer | Videotitel | Kanal | Kanaltyp | Abonnent*innenanzahl | Aufrufe [1] | Länge | Upload-Datum | Likeanzahl [1] | Dislikeanzahl [1] | Kommentaranzahl [1] |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Was geht Feminismus Männer an? Frau TV WDR | WDR | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 588.000 | 22.205 | 06:11 | 27.02.2020 | 391 | 1.300 | 586 |
2 | Gerechtigkeit für Frauen Kreatur - Das feministische Magazin ARTE | ARTEde | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 814.000 | 28.991 | 29:53 | 14.10.2018 | 246 | 1.000 | 499 |
3 | Svenja Gräfen - Feminismus | Poetry Slam TV | Privatkanal | 177.000 | 109.880 | 06:08 | 15.05.2017 | 4.100 | 998 | 532 |
4 | Ruthe.de - Nachrichten - Feminismus | ruthe.de | Privatkanal | 795.000 | 271.165 | 03:33 | 07.08.2019 | 12.000 | 268 | 422 |
5 | Feministische Künstlerin provoziert mit anstößigen Bildern Capriccio BR | Bayerischer Rundfunk | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 437.000 | ||||||
6 | Sookee über Feminismus in Rap-Videos Bremen Next | Bremen Next | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 20.600 | 10.547 | 04:22 | 29.04.2017 | 98 | 409 | 306 |
7 | Feministische Geschichten mal anders erzählt! Frau tv WDR | ARD | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 690.000 | ||||||
8 | Feministin trifft Anti-Feministin 1LIVE Ausgepackt - Folge 5: Feminismus | 1LIVE | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 366.000 | 2.087.644 | 08:38 | 22.09.2017 | 33.000 | 2.000 | 15.585 |
9 | Feminismus: Warum ist das Wort negativ behaftet SRF Virus | SRF Virus | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Schweiz | 34.900 | 3.128 | 04:05 | 05.03.2020 | 50 | 46 | 23 |
10 | Am Anfang war die Vagina Kreatur - Das feministische Magazin ARTE | ARTEde | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 814.000 | 8.332 | 40:00 | 21.03.2018 | 111 | 126 | 47 |
11 | DER SPIEGEL live: Gespräch über Feminismus | DER SPIEGEL | Zeitung | 881.000 | 11.091 | 12:07 | 24.11.2018 | 53 | 361 | 214 |
12 | Brauchen wir FEMINISMUS Mirrellativegal | mirrelativegal | Privatkanal | 568.000 | 170.103 | 08:03 | 06.10.2016 | 16.000 | 3.000 | 3.097 |
13 | Warum Feminismus gut für Männer ist | Heinrich-Böll-Stiftung | Parteinahe Stiftung | 12.500 | 3.424 | 02:00:19 | 13.10.2019 | 53 | 194 | gesperrt |
14 | Stutenbiss #3 Das queer-feministische Talkformat | ALEX Berlin | Privatkanal | 12.300 | 2.035 | 30:06 | 27.11.2017 | 13 | 52 | 12 |
15 | Jugendliche über Feminismus | ALEX Berlin | Privatkanal | 12.300 | 3.614 | 28:33 | 25.04.2017 | 9 | 207 | 46 |
16 | Feinbild Feminismus | DHM Dresden | Öffentliches Museum | 2.140 | 2.956 | 01:39 | 05.06.2019 | 18 | 67 | 22 |
17 | Feminismus ist für alle. Auch für Männer! Auf Klo | Auf Klo | Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 297.000 | 40.357 | 10:39 | 30.03.2017 | 1.800 | 1.500 | 761 |
18 | Killt Feminimus die Männlichkeit? Wolfgang Kubicki vs. Katharina Schulze DISKUTHEK | stern | Zeitung | 146.000 | 196.077 | 40:15:00 | 05.12.2019 | 2.200 | 589 | 2.155 |
19 | Kopftuch und Feminismus -Ist das ein Widerspruch? DISKUTHEK | stern | Zeitung | 146.000 | ||||||
20 | Gleichberechtigung einfach erklärt (explainity® Erklärvideo) | explainity® Erklärvideo | Privatkanal | 172.000 | 32.915 | 03:52 | 04.04.2018 | 485 | 76 | 137 |
[1] Die hier angegebenen Daten stammen vom 08/09/2020. Wir haben sie nicht dem Screenshot entnommen, da wir wollten, dass die Aufrufe und die Like-/Dislike-/Kommentaranzahlen vom gleichen Tag stammen. Letztere konnten wir nicht vom Screenshot entnehmen, also haben wir ein kohärentes Datum gewählt. Die Videos 5, 7 und 19 waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr online und somit nicht auswertbar.
Auswahl der Methode
Nachdem wir uns einen Überblick über den Screenshot verschafft haben, haben wir uns zwei Methoden aus der Literaturliste unseres Kurses herausgenommen und diese angewandt. Hierdurch wollten wir ein Gefühl für die Anwendbarkeit der Ansätze bekommen. Die erste Methode war der bereits erwähnte Dreischritt nach Panofsky (Bohnsack, 2003) und die zweite war die Grounded Theory der offenen Kodierung nach Breuer und Muckel (2016). Außerdem haben wir verschiedene Quellen aus der Literaturliste untereinander aufgeteilt, die Texte zusammengefasst und einander telefonisch vorgestellt:
Als wir einige Videos nach den zwei Methoden analysiert und im Kurs besprochen haben, merkten wir, dass eine eingehende Beschreibung und Interpretation Übung voraussetzt. Wir hatten beispielsweise teilweise Probleme uns im Dreischritt auf der beschreibenden Ebene von wertenden Formulierungen zu lösen. Tipps und Übungen in den Kurssitzungen mit Fr. Schirmer haben uns geholfen diese Ebenen besser voneinander zu trennen. Unser Fazit hierzu war es also wesentlich mehr Zeit in die kollektive Besprechung einzelner Videos zu investieren. Somit haben wir uns vorgenommen die Mehrzahl unserer bereits angefangenen Analysen zu verwerfen und uns auf wenige gut besprochene Beiträge zu beschränken. Die Dreischritt-Analyse nach Panofsky erschien uns bei dieser Art der kollektiven Erarbeitung zugänglicher.
2.2.2 Auswahl des Analysematerials
Um uns auf wenige unserer bereits angefangenen Analysen zu beschränken und das zu analysierende Material zu reduzieren, haben wir anhand der Tabelle Kriterien bestimmt, die unsere Auswahl bestimmter Beiträge rechtfertigen könnten. Unser Ergebnis war es nur Videos öffentlich-rechtlicher Fernsehkanäle herauszunehmen, da der Screenshot zum größten Teil aus diesen Beiträgen besteht und somit die Vergleichbarkeit unserer Analyse erhöht. Anschließend fielen uns einzelne Videos öffentlich-rechtlicher Sender auf, die besonders polarisiert haben. Wir haben uns für drei Beiträge entschieden (diese sind in der obigen Tabelle fett markiert), die uns durch ihre relative Häufigkeit von Likes, Dislikes und Aufrufen besonders aufgefallen sind.
Infolge dieser Überlegungen haben wir uns auf die folgenden drei Videos geeinigt:
- Video 1: Was geht Feminismus Männer an? | Frau TV | WDR
- Video 2: Gerechtigkeit für Frauen | Kreatur - Das feministische Magazin | ARTE
- Video 8: Feministin trifft Anti-Feministin | 1LIVE Ausgepackt - Folge 5: Feminimus
Unsere Idee war es nun alle drei Videos zuerst alleine im Dreischritt zu analysieren und dann gemeinsam zu besprechen. Diese Besprechung erschien uns im Endeffekt als sehr produktiv und notwendig, da wir viel mehr Zeit beansprucht haben als gedacht: Bei vielen Einzelheiten waren wir uns nicht einig oder unsere Herangehensweisen waren teilweise widersprüchlich. So haben wir beispielsweise erst gemeinsam entschieden, Text- und Bildmaterialien zu trennen. Die gemeinsame Diskussion über alle Beiträge erzeugte also ein sehr differenziertes Bild und ermöglichte es uns die Analyse noch zu verdichten.
Im Folgenden legen wir unsere kollektive Analyse der gewählten Beiträge dar. Darauf aufbauend haben wir anschließend im Vergleich der Beiträge eine Theoriebildung gewagt, um unsere Forschungsfrage zu beantworten.
3. Materialanalyse
3.1 Video 1: Was geht Feminismus Männer an? | Frau TV | WDR
1. Vorikonographische Ebene (Beschreibung): Der Beitrag besteht aus einem Bild und einer Textsequenz. Das Bild ist auf der linken Seite platziert und nimmt ca. ¼ des Beitrags ein. Auf der rechten Seite ist Text zu sehen.
Textbeschreibung: Die erste Zeile des Textes ist in schwarzer Schrift abgebildet und größer als die darauf folgenden Textabschnitte. Dieser Teil des Textes ist der Titel des Videos und lautet „Was geht Feminismus Männer an?| Frau TV | WDR“. Darunter befindet sich eine Zeile, in der in kleiner grauer Schrift Informationen zum Video stehen: „WDR”, dahinter ein grauer Kreis, in dem ein weißes Häkchen abgebildet ist, „22.090 Aufrufe“, „vor 6 Monaten“. Unter der Infozeile befindet sich der Einleitungstext des Videos, der durch drei Punkte unterbrochen wird: „Robert Franken ist Feminist. Auch Männer sollten sich für Gleichberechtigung einsetzen, so seine Devise. Denn nur gemeinsam…“.
Bildbeschreibung: Das Bild auf der linken Seite nennt sich Thumbnail. Das Thumbnail zeigt linksmittig das Gesicht eines weißen Mannes, der in die Kamera schaut. Er hat eine Kurzhaarfrisur, einen mittellangen Bart und trägt eine helle große Flieger-Sehbrille. Im Hintergrund erkennt man eine bunte Wand mit Graffiti. Unten links steht in weißen Großbuchstaben geschrieben „WDR“ und oben rechts in der Ecke in weißen Großbuchstaben und pink untermalt in Anführungszeichen „Ich bin Feminist“. Unten rechts steht in weißer Schrift und schwarz untermalt „6:12“.
2. Ikonographische Ebene (Kontextualisierung):
Textinterpretation: Der Beitrag wurde vor 6 Monaten vom verifizierten öffentlich-rechtlichen Sender WDR publiziert und gehört zur Serie „Frau TV“. Der Reim des Titels (“Frau TV”) wirkt etwas unseriös und ironisch. Die Frage “Was geht Feminismus Männer an?” stellt die Dichotomie Feminismus/Männer auf und versucht sie zu durchbrechen. Sie könnte auch als rhetorische Frage gedeutet werden. Es kann vermutet werden, dass es sich um ein Porträt/Interview handelt, wobei der Fokus auf das männliche Geschlecht im Zusammenhang mit Feminismus gelegt wird. Die Tatsache, dass Robert Franken sich als Feminist bezeichne und dies „seine Devise“ sei, lässt einen eine gewisse Distanzierung verspüren. Der Einleitungstext stellt Robert Franken als Feminist dar, der findet, dass sich Männer auch für Gleichberechtigung einsetzen sollten. Der Beschreibungssatz „Auch Männer sollten sich für Gleichberechtigung einsetzten, so seine Devise“, erweckt den Eindruck, als adressiere Robert seine Nachricht an andere Männer. Vorstellbar ist die Adressierung an Männer, die sich mit dem Feminismus nicht identifizieren, weil sie möglicherweise an ein binäres Geschlechterverhältnis und an ein traditionelles Rollenverständnis glauben, indem Männlichkeit über eine asymmetrische Machtverteilung definiert wird. Gleichberechtigung von Männern und Frauen* würde dann ein Einbruch der Männlichkeit bedeuten und als Zeichen der Schwäche gelten.
Bildinterpretation: Der Mann im Bild schaut selbstbewusst und mit einem leichten Lächeln direkt in die Kamera. Der Hintergrund aus Graffiti schafft eine informelle Atmosphäre. Das Zitat „Ich bin Feminist“ sowie der selbstbewusst erscheinende Mann lassen vermuten, dass dieser Mann sich mit stolz als Feminist bezeichnet und dies angeblich nicht bei allen Männern der Fall ist.
Text- & Bildinterpretation: Auf dem Thumbnail ist Robert Franken abgebildet, dessen Namen im Einleitungstext vorgestellt wird. Das Zitat „Ich bin Feminist“ sowie der Bart der auf dem Thumbnail abgebildeten Person, der die Person als männlich lesen lässt, bestätigen, dass die Person Robert ist. Das Video suggeriert, dass Männer sich weniger für Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen einsetzen und nicht allgemein anerkannt wird, dass Männer auch Feministen sein können. Die Hervorhebung des männlichen Geschlechts und der Identifizierung mit dem Feminismus, impliziert, dass Feminismus häufig eher „Frauensache“ ist. Somit kann vermutet werden, dass das Video von einem binären Geschlechterverhältnis ausgeht. Da es in vielen feministischen Diskursen umstritten ist, sich als Mann den hiesigen Diskurs anzueignen, lässt sich eine gewisse Provokation hinter der standhaften Fragestellung im Einleitungstext und der Affirmation auf dem Thumbnail erschließen.
3.2 Video 2: Gerechtigkeit für Frauen | Kreatur - Das feministische Magazin | ARTE
1. Vorikonographische Ebene (Beschreibung): Der Beitrag besteht aus einem Bild und einer Textsequenz. Das Bild ist auf der linken Seite platziert und nimmt ca. ¼ des Beitrags ein. Auf der rechten Seite ist Text zu sehen.
Textbeschreibung: Die erste Zeile des Textes ist in schwarzer Schrift abgebildet und größer als die darauf folgenden Textabschnitte. Dieser Teil des Textes ist der Titel des Videos und lautet „Gerechtigkeit für Frauen | Kreatur – Das feministische Magazin | ARTE“. Darunter befindet sich eine Zeile, in der in kleiner grauer Schrift Informationen zum Video stehen: „ARTEde ”, dahinter ein grauer Kreis, in dem ein weißes Häkchen abgebildet ist, „28.920“, „vor 1 Jahr“. Unter der Infozeile befindet sich der Einleitungstext des Videos, der aus zwei Fragen besteht: „Können sich Frauen auf die Justiz verlassen, wenn sie Opfer von Gewalt werden? Werden solche Taten angemessen bestraft?“.
Bildbeschreibung: Das Bild auf der linken Seite nennt sich Thumbnail. Das Thumbnail zeigt drei weiße, weiblich gelesene Menschen, die in einem Raum sitzen. Links befindet sich eine Fensterfront und rechts ein Holzschrank. Zwei der Frauen sitzen auf Sesseln im Vordergrund. Sie haben beide kurze blonde Haare und tragen Blaser (die linke Frau einen hellbraunen, die rechte Frau einen schwarzen). Die linke Frau guckt die rechte Frau an, diese hat ihre linke Hand von sich wegzeigend vor die Brust gehoben und schaut in die untere linke Ecke, den Mund halb geöffnet. Die dritte Frau sitzt im Hintergrund auf einem Stuhl; man erblickt sie zwischen den beiden Frauen, auf Höhe ihrer Köpfe. Sie hat lange Haare und trägt eine weiße Bluse. Links am Rand steht mittig senkrecht in weiß „arte“ geschrieben. Unten mittig steht in Großbuchstaben „Gerechtigkeit für Frauen“. Unten rechts steht in weißer Schrift und schwarz untermalt „29:54“.
2. Ikonographische Ebene (Kontextualisierung):
Textinterpretation: Das Video wurde vor einem Jahr vom verifizierten öffentlich-rechtlichen Sender Arte publiziert und gehört zur Serie „Kreatur – Das feministische Magazin“. Das Video betrachtet Gerechtigkeit für Frauen aus einem juristischen Blickwinkel. Aus dem Einleitungstext geht hervor, dass es nicht um allgemeine Gerechtigkeit geht, sondern um Gerechtigkeit nach Erfahrung von Gewalt. Das Video fragt, ob es die Justiz angemessen handelt, wenn Frauen Opfer von Gewalt werden. In dem Beschreibungstext wird ein Szenario beschrieben in denen Frauen Opfer werden. Die Frage, um die es offensichtlich geht, ist ob Gerechtigkeit durch eine Strafverfolgung geschaffen wird, wenn Frauen die Opfer sind. Die Frage, „Können sich Frauen auf Justiz verlassen?“ impliziert, dass das Rechtssystem nicht selbstverständlich funktioniert, wenn Frauen es brauchen und zeigt somit eine Ungleichbehandlung der Geschlechter und somit eine schwerwiegende Schwäche des Rechtssystems auf und ein Verstoß gegen das Grundgesetz Art. 3, in welchem alle Menschen vor dem Gesetz gleichgestellt sind. Die Infragestellung und Abstrahierung eines vermeintlich eindeutigen und rationalen Bereichs (die Justiz) spiegelt sich auch in dem Wort „Kreatur“ und den rhetorischen Fragen der Beschreibung wider.
Bildinterpretation: Der Raum, in dem die Frauen sitzen, sowie die Kleidung der Frauen erweckt ein seriöses Setting. Die kalten hellen Farben erzeugen eine kühle Atmosphäre. Die Szene wirkt als würde es sich um einen Dokumentarfilm handeln. Die rechte Frau scheint über ein ernstes Thema zu sprechen. Dieses Setting deutet daraufhin, dass die Frauen sich mit der Justiz auskennen und zu dem Thema eine Meinung haben. Alternativ kann vermutet werden, dass es sich bei den abgebildeten Frauen um entweder Opfer einer Straftat/deren Angehörige handelt oder Juristinnen, die eine Straftat besprechen. Auffällig ist, dass kein gelesener Mann zu sehen ist. Das könnte den Eindruck erwecken, dass das Thema für Frauen „interessanter“/„wichtiger“ ist.
Text- und Bildinterpretation: Die geschlechtsspezifische Infragestellung eines Grundrechts, deutet auf eine praktische Unterscheidung eines binären Geschlechtes an und spiegelt ein asymmetrisches Machtverhältnis zwischen Frau und Mann wider. Im Zusammenhang mit dem Titel wird suggeriert, dass Frauen im deutschen Rechtsstaat nicht unbedingt mit „Gerechtigkeit“ rechnen können, wenn sie zum Opfer einer (sexualisierten?) Straftat werden. Eine bestimmte, ungeklärte Definition des Konzepts „Gerechtigkeit“ wird also zum feministischen Thema. Das Thema Feminismus wird als Thema gehandelt, das benötigt wird, um Grundrechte (Artikel 3 GG) und Menschenrechte (Recht auf faires rechtliches Verfahren) für Frauen zu erlangen. Dem Thema wird also eine große Wichtigkeit zugeschrieben und diese wird durch das seriöse Format und die Reputation des Senders „arte“ unterstrichen, denn „arte“ gilt als gut recherchierte und vielfach ausgezeichnete Medienfirma (Giessen, 2019).
3.3 Video 8: Feministin trifft Anti-Feministin | 1LIVE Ausgepackt - Folge 5: Feminimus
1. Vorikonographische Ebene (Beschreibung): Der Beitrag besteht aus einem Bild und einer Textsequenz. Das Bild ist auf der linken Seite platziert und nimmt ca. ¼ des Beitrags ein. Auf der rechten Seite ist Text zu sehen.
Textbeschreibung: Die erste Zeile des Textes ist in schwarzer Schrift abgebildet und größer als die darauf folgenden Textabschnitte. Dieser Teil des Textes ist der Titel des Videos und lautet „Feministin trifft Anti-Feministin | 1LIVE Ausgepackt – Folge 5: Feminismus“. Darunter befindet sich eine graue Zeile, in der in kleiner grauer Schrift Informationen zum Video stehen: „1LIVE“, dahinter ein grauer Kreis, in dem sich ein weißes Häkchen befindet, „2 Mio.“, „vor 2 Jahren“. Unter der Infozeile befindet sich der Einleitungstext des Videos, der durch drei Punkte unterbrochen wird: „Was passiert, wenn eine Feministin auf eine Anti-Feministin trifft? Wir machen das Experiment und lassen die beiden im…“
Bildbeschreibung: Das Bild auf der linken Seite nennt sich Thumbnail. Das Thumbnail zeigt zwei weiße, weiblich gelesene Menschen. Durch eine weiße schräge Linie, die mittig und leicht diagonal von unten links bis oben rechts verläuft, werden die Frauen visuell getrennt dargestellt. Auf der linken Seite des Bildes ist das Gesicht einer Frau abgebildet, die einen sogenannten Undercut (eine Frisur bei der die rechte und linke Seite abrasiert werden und das Deckhaar kurz geschnitten wird) trägt. Sie trägt am rechten Ohr einen Ohrring. Der Hintergrund des linken Bildes ist schwarz. Auf der rechten Seite ist das Gesicht einer Frau abgebildet, die lange, braune Haare hat und um die Augen geschminkt ist. Der Hintergrund des Bildes ist weiß. Auf dem unteren Viertel des Bildes steht in Großbuchstaben „Feministin trifft Anti-Feministin“ geschrieben. Die Wörter sind zentral auf dem Bild platziert, unterstrichen und mit weißer Schrift geschrieben. Vor den Wörtern ist in weiß die Zahl Eins auf einem pinken Viereck abgebildet. Unten rechts steht in weißer Schrift und schwarz untermalt „6:12“.
2. Ikonographische Ebene (Kontextualisierung):
Textinterpretation: Das Video wurde vor zwei Jahren vom verifizierten öffentlich-rechtlichen Sender 1LIVE publiziert und gehört zur Serie „Ausgepackt“. „Ausgepackt“ ist ein Format, das zwei Menschen zusammenbringt, „deren Leben extrem unterschiedlich sind“(1Live Ausgepackt, 2020). Da es weiter heißt „Folge 5: Feminismus“ suggeriert, dass sich diese Serie nur in dieser Folge dem Feminismus gewidmet hat. Die Überschrift deutet darauf hin, dass es sich hier um eine Feministin und eine Anti-Feministin handelt. Das Video hat auf dem Screenshot die meisten Aufrufe und ca. 16 mal so viele Likes verglichen im Vergleich zur Anzahl der Dislikes. Daraus kann geschlossen werden, dass der Beitrag auf YouTube für Aufmerksamkeit gesorgt hat und durchscnittlich positiv bewertet wurde. In der Videobeschreibung wird ein Experiment angekündigt. Das Wort Experiment weckt die Assoziation, dass etwas Neuartiges ausprobiert wird, dessen Ende ungewiss ist. Damit wurde eventuell versucht eine Spannung aufzubauen. Zudem wird die Frage gestellt, was passiere wenn eine Feministin und eine Anti-Feministin aufeinandertreffen - eine Wortwahl die polarisierend wirkt.
Bildinterpretation: Die Frauen, beide etwa gleichen Alters, unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Frisur. Beide haben einen ernsten Gesichtsausdruck. Die Frauen wurden auf unterschiedlichen Hintergründen abgebildet: die Frau mit den kurzen Haaren auf dem schwarzen Hintergrund und die mit den langen Haaren auf dem weißen Hintergrund. Durch das Erscheinungsbild, die weiße Trennlinie, sowie die unterschiedlichen Hintergrundfarben wird eine Dichotomisierung vorgenommen, die die unterschiedlichen Positionen der Frauen unterstreichen.
Text- & Bildinterpretation: Die beiden Frauen werden als Feindbilder dargestellt. Diese Gegenüberstellung wird auf mehreren Ebenen unterstrichen: sowohl szenisch (Gegenüberstellung, weiße Trennlinie, unterschiedliche Erscheinungsbilder der Frauen), farblich (schwarz/weiß, blond/braun) als auch sprachlich („aufeinandertreffen“/„ausgepackt/„Experiment“). Das Video thematisiert ein Problem, dem der Feminismus seit es ihn gibt, gegenübersteht. Der Antifeminismus ist eine Gegenbewegung zum Feminismus, die von Männern als auch von Frauen vertreten wird. Den Feminist*innen wird von den Anitfeminist*innen unter anderem „unweibliches“ Verhalten vorgeworfen, das einhergeht mit dem physischen „unweiblichen“ Erscheinungsbild, wie kurze Haare etc. Aus diesem Grund scheint das Bild der Frau mit dem Undercut nicht zufällig gewählt worden zu sein. Es wurde eher mit einem Klischee gearbeitet, um bereits auf dem ersten Blick mögliche Erwartungen zu erfüllen. Außerdem hat die Tatsache, dass eine Frau die antifeministische Haltung einnimmt, eine verstärkende Wirkung auf den Konflikt. Das Thema Feminismus wird von einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender als Konfliktbereich verschiedener Überzeugungssysteme dargestellt. Die unterschiedlichen Positionen werden von Frauen vertreten, womit hervorgehoben wird, dass nicht unbedingt alle Frauen Feministinnen sind und der Begriff umstritten ist. Die Körperlichkeit der beiden Frauen wird hierbei genutzt und gegeneinander ausgespielt. Implizit ist Feminismus also ein gleichwertig vertretbares Thema wie Anti-Feminismus. Dies vermittelt eine mindere Wichtigkeit des Themas „Feminismus“.
3.4 Theoriebildung: Wie antwortet der Screenshot auf die Frage "Was ist Feminismus?"?
Im Folgenden möchten wir mithilfe unserer erarbeiteten Beschreibungen und Interpretationen eine Theorie bilden, um unsere Forschungsfrage zu beantworten.
Feminismus als Aushandlungsprozess
Zuerst können wir feststellen, dass das Thema Feminismus im öffentlichen Diskurs präsent ist, da öffentlich-rechtliche Rundfunksender dieses Thema behandeln und mit ihrer großen Reichweite Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen können. In den drei analysierten Beiträgen kann Feminismus als Aushandlungssprozess verstanden werden, da die vermittelten Inhalte sich mit der Bedeutung von Themen um Feminismus auseinandersetzen und diese als uneindeutig und umstritten wahrnehmen. Im Video 1 wird dies deutlich, da diskutiert wird, ob Männer sich auch für Feminismus einsetzen sollten. Im Video 8 wird die Diskussion zwischen den zwei Frauen (einer Feministin und einer Anti-Feministin) als „Experiment“ dargestellt. Außerdem fällt auf, dass der Begriff Feminismus im Zusammenhang mit weiteren Konzepten wie „Gerechtigkeit“ und „Gleichberechtigung“ diskutiert wird. Es handelt sich hierbei um Begriffe, deren Bedeutung und genaue Definition gesellschaftlich umstritten sind und deren Nennung im Zusammenhang mit dem bereits uneindeutigen Begriff Feminismus zu noch mehr Uneindeutigkeit führt. Im Video 2 wird beispielsweise über den komplexen und uneinheitlichen Begriff der Gerechtigkeit diskutiert und inwiefern dieser relevant für Frauen ist und in Video 1 wird Gleichberechtigung als ein relevantes Thema von Feminismus dargestellt. Außerdem führt die Nutzung dieser Begriffe dazu, dass dem Thema Wichtigkeit zugeschrieben wird. In Video 2 wird beispielsweise postuliert, dass Frauen keine „Gerechtigkeit“ vor dem Justizsystem genießen. Feminismus ist hier das Mittel, um aus dieser „Ungerechtigkeit“ zu entkommen.
Homogenität des Begriffs
Trotz der existierenden Unsicherheit über die Bedeutung von Feminismus, ist allen Beiträgen gemeinsam, dass Feminismus nur im Singular existiert und man daher nur von einem Feminismus spricht, anstatt mehreren Feminismen. Es muss sich nach unserem Material also um einen einheitlichen Feminismus handeln. In Video 1 wird beispielsweise in der Überschrift von „Feminismus“ gesprochen. Und die Überschrift in Video 2 behauptet, dass Gerechtigkeit für Frauen etwas mit Feminismus zu tun hat. In Video 8 wird eine Frau als Feministin dargestellt, die „den“ Feminismus unterstützt und die andere Frau als Anti-Feministin, die „den“ Feminismus nicht unterstützt.
Provokation & polemische Darstellung
Des Weiteren wird das Thema Feminismus als provokant dargestellt. In Synergie mit den umstrittenen Begriffen, die es abhandelt, vermitteln die Bild- und Textinhalte unserer Analysen Dichotomien und herausfordernde Gesten. In Video 1 behauptet Robert Franken selbstbewusst er sei Feminist und gleichzeitig betitelt den Beitrag die provokante Frage „Was geht Feminismus Männer an?“. Dies geschieht in einem feministischen Diskurs, der häufig diese Selbstbezeichnung ablehnt. Im Video 8 wird provokant gefragt: „Was passiert, wenn eine Feministin auf eine Anti-Feministin trifft?” und die beiden Frauen werden selbstbezeichnend „Feministin“ und „Anti-Feministin“ genannt, die „aufeinandertreffen“. Es wird also eine Antagonismus konstruiert, der vermuten lässt, dass das Thema sehr umstritten ist. Es lässt sich vermuten, dass diese provokanten Formulierungen auch Grund für die erhöhte Diskursivität der Beiträge sein können.
Es kann auch festgestellt werden, dass Feminismus sowohl „seriös“ als auch „unseriös“ oder „polemisch“ dargestellt wird. In Video 2 wird ein sehr „seriöses“ Dokumenatarfilmformat präsentiert und es wird von Justiz, Gerechtigkeit und Institutionen gesprochen. Die Kleidung der Menschen wirkt, wie in der Interpretation dargelegt, formell. Hingegen weist der Thumbnail in Video 1 einen informellen Hintergrund (Graffiti) auf. Das Portraitformat erinnert an eine Talkshow und das Thema der Selbstbezeichnung des Protagonisten ist weniger seriös als das der Justiz in Video 2. In Text und Bild des Video 8 werden Personen polarisiert dargestellt, als entsprängen sie abermals eines polemischen Talkshowformats oder einer Comic-Ästhetik, in welcher dualistische Formate bildlich übertrieben gezeigt werden.
Frauensache
Besonders auffallend weist unsere Analyse auf, dass das Thema Feminismus als „Frauensache“ dargestellt wird. Feminismus ist ein Thema, das hier von weißen Frauen besprochen wird oder besprochen werden sollte. Dies wird deutlich, wenn es im Video 1 als etwas „Besonderes“ dargestellt, dass sich Männer mit Feminismus beschäftigen. Des Weiteren sind im analysierten Thumbnail der Videos 2 und 8 lediglich weiße weiblich gelesene Personen abgebildet. Das Video 8 geht sogar darüber hinaus und zeigt auf provokante Art durch den Thumbnail und die darauf abgebildeten Frauen, welche äußerlichen Erscheinungsmerkmale eine Feministin hat. Außerdem ist allen drei Beiträgen gemeinsam, dass sie von einer Binarität der Geschlechter ausgehen, da im Text keine Sternchen verwendet werden, um Menschen einzubeziehen, die sich nicht zu einer binären Geschlechtsidentität zählen. Im Video 1 ist zwar nur von Männern die Rede, aber die Formulierung “Auch Männer sollten sich für Gleichberechtigung einsetzen„, suggeriert, dass Feminismus eigentlich „Frauensache“ ist. Auch Video 2 stellt Frauen als eine einheitliche Kategorie dar: In der Justiz wird für „die“ Frauen, eine klare identitäre Einheit, für Gerechtigkeit gekämpft.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass unsere Analyse ergibt, dass Feminismus ein weit verbreitetes, umstrittenes und provokantes Thema ist, das sich mit provokanten und uneindeutigen Prämissen präsentiert. Es wird im Singular verwendet und es wird vorzüglich von weißen Frauen besprochen. Es ist unklar, ob es von Männern besprochen werden sollte. Außerdem kann es „seriös“ und „unseriös“ oder polemisch dargestellt werden.
Literaturverzeichnis
Bohnsack, Ralf (2003). Qualitative Methoden der Bildinterpretation. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6(2), 239–256.
Giessen, H. (2019). Ein Fernsehsender mit charakteristischen regards croisés. Synergies Pays Germanophones (12), 31-129.
Haarkötter, H., & Wergen, J. (2019). Das Youtubiversum. Wiesbaden: Springer VS.
Muckel, P., & Breuer, F. (2016). Über Kodieren: Die Praxis der Reflexiven Grounded Theory beispielhaft erläutert an der Entwicklung von Theoriefragmenten. Handbuch Grounded Theory. Von der Methodologie zur Forschungspraxis, 158-179.
Panofsky, E. (1975). Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance. Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, (1), 207.
Schirmer, D. (2009): Empirische Methoden der Sozialforschung. Grundlagen und Techniken. Paderborn.
Schirmer, D. (2017). Qualitativ Forschen mit internetbasierten Daten. QUASUS. Qualitatives Methodenportal zur Qualitativen Sozial-, Unterrichts- und Schulforschung. URL: https://quasus.ph-freiburg.de/qualitativ-forschen-mit-internetbasierten-daten/
Vielfältige Zielgruppen auf YouTube erreichen (2017, Dezember). Think with Google. https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/marketingkanaele/youtube/vielf%C3%A4ltige-zielgruppen-auf-youtube-erreichen/
YouTube (o.D). Social Media ABC. https://social-media-abc.de/wiki/YouTube
YouTube-Presseninhalte (o. D.) YouTube. https://www.youtube.com/intl/de/about/press/
Zahlen und Fakten - YouTube-Nutzung in Deutschland (o.D.) klicksafe. https://www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/youtube/zahlen-und-fakten-youtube-nutzung-in-deutschland/
57 interessante Zahlen und Statistiken rund um YouTube (2020, 3. März). Brandwatch. https://www.brandwatch.com/de/blog/statistiken-youtube/