Was ist Diversität?

In der Sitzung wollen wir gemeinsam die Frage „Was ist Diversität?“ beantworten und versuchen eine Arbeitsdefinition von Diversität zu erstellen. Dafür wird die Sitzung in drei Teile gegliedert:

  1. Im ersten Teil der Sitzung beschäftigen wir uns mit dem Text von Deborah Litvin „The Discourse of Diversity: From Biology to Management.“ Dazu wird es von uns einen kurzen Input zum Text geben und anschließend werden wir ihn im Plenum diskutieren. Die Ergebnisse der Diskussion werden wir in einer Tabelle festhalten.
  2. Im zweiten Teil der Sitzung beschäftigen wir uns mit den Texten von Ulrika Mayer „Der Ansatz 'Kritische' Diversität“ und „Diversity and Intersectionality“ von Hardmeier/Vinz. Hier gibt es ebenfalls einen kurzen Input von uns und anschließend eine Diskussion im Plenum, die wir auch in einer Mindmap und einer Liste festhalten.
  3. Im dritten Teil der Sitzung gibt es eine Gruppenarbeit, in der ihr eine Definition von Diversität erarbeitet. Diese Definitionen werden wir danach im Plenum diskutieren.

Unterfragen:

  • Wie können wir Diversität für das Seminar definieren?
  • Worauf möchten wir bei unserer Definition achten?
  • Welche Punkte anderer Definitionen wollen wir übernehmen?

Ideen für eine Diversitätsdefinition:

Übernahme und Änderung von Ulrika Mayers Definition:
„In der kritischen Arbeit mit Diversität geht es darum, Macht- und Herrschaftsverhältnisse wahrnehmbar zu machen, Privilegien zu hinterfragen, Bewertungssysteme und strukturelle Diskriminierungen zu erkennen und abzubauen sowie neue, vielfältige Lebens- und Repräsentationsweisen aufzuzeigen und zu ermöglichen.“1)

Wichtige Punkte für uns:

  • Anerkannte Gleichheit/Verschiedenheit
  • intersektionale Perspektive

Offene Fragen/Probleme:

  • Was ist Diversität? Konzept? Vorstellung? Konstrukt?
  • verschiedene Ebenen, auf die der Diversitätsbegriff angewendet werden kann, z.B. praktische Umsetzung, theoretische Arbeit, …

The discourse of diversity: From Biology to Management - Deborah Litvin

Thema:

Litvin beschäftigt sich in ihrem Text mit dem Diversitätsbegriff im Personal-Mangement. Diesen untersucht sie mithilfe von Lehrmaterial, da dieses „the accepted canon of ‚knowledge‘ in the fields of management and organizational behavior“ 2) zeige.

Forschungsfrage:

Sie stellt ganz allgemein die Frage: „how the particular definitions of diversity the authors assume shape their constructions of ‘reality’,” 3) und spezifiziert: „What is the nature of the workforce diversity produced through this discourse? How is workforce diversity to be defined and identified? What are the carryover effects of the importation of diversity from bio-physical to a social-political environment? And finally, what are the personal and organizational consequences of the adoption of this diversity discourse into the workplace?” 4)

These:

Litvin stellt die These auf: „Diversity discourse, as analyzed in organizational behavoir texts, constructs differences among indviduals as primarily a group phenomenon. The acquisition of knowledge about groups exotically, essentially and immutably different from one’s own is prescribed as an effective strategy for managing diversity. The assumptions and meanings upon which worforce diversity discourse is built extend deep into the traditions of western philosophy and natural science.” 5)

Argumentation:

Litvin argumentiert, dass der Begriff der Diversität unhinterfragt in das Management übernommen wurde, sodass auch die Annahmen und Bedeutungen des Begriffes aus dem ursprünglichen Verwendungskontext transferiert wurden.
Sie erklärt, dass der Begriff der Diversität auf Platon zurückgehe, der die Annahme verfolgte, dass es eine begrenzte Anzahl von festen und unveränderlichen Formen oder Essenzen gäbe, wodurch Organismen/Leben typologisiert werden könne.
Auch wenn diese Annahme in der Biologie (durch Darwin) längst widerlegt ist, zeigt Litvin auf, dass es auch in aktuellen biologischen Forschungsprojekten zu einer Reaktivierung dieser Annahmen kommt.
Deshalb schlussfolgert sie: „with its adoption of diversity, managerial discourse has unreflectively incorporated essentialist ontological assumptions from the realm of natural science.“6)
Für die “Workforce Diversity” stellt Litvin fest, dass Diversität meist in zwei Dimensionen dargestellt wird. Das hat zur Konsequenz, dass

  1. „diversity is presented as discrete rahter than continuous.“7)
  2. „the depiciton […] privilges a particular taxonomy of humanity as objective, ‚natural‘ and above all, clear and obvious.“8)
  3. und „the third way in which ‚reality‘ is structured by these texts‘ defintions and treatment of diversity is the portayal of […] dimensions of diversity as innate characteristics which define the essence of the individual.”9)

Als Konsequenzen aus dieser Betrachtungsweise analysiert Litvin, dass Diversität als individuelles Problem betrachtet würde und die strukturellen, sozialen und historischen Ursachen und Gründen übersehen werden würden:
„this essentialized conceptualization of others denies the overarching influence of macro level […] forces, and fosters a narrowly focused, ahistorical and dencontexualized assement of the thoughts and actions of specific individuals in particular organizational situations.” 10)

Diskussion:

„Diversity discourse can be seen, thus, as subscribing to the ‘fallacy of suppressed structure’ whereby the influences exerted by forces exogenous to a situation are taken as given, and thereby rendered invisible and unquestioned.”11)


Nach der Lektüre dieses Zitats und der Lektüre des Textes:

Wie würde für Litvin ein bessere Begriffsdefinition von Diversität aussehen, der nicht ein „fallacy of suppressed structures“12) inne liegt?

Unterfragen:

  • Was kritisiert sie an bisherigen Diversitätsdiskursen und den darin enthaltenen Diversitäts-Definitionen?
  • Welche Punkte sind Litvin für eine ‚bessere‘ Begriffsdefinition wichtig?

Diversity und Intersectionality - Hardmeier/Vinz

Thema:

Mit ihrem Aufsatz „Diversity und Intersectionaity- Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft“ (2007) liefern Hardmeier und Vinz eine kritische Auseinandersetzung mit den Konzepten Intersektionalität und Diversität, die nun auch in der deutschsprachigen Gender-Forschung präsenter werden.

Forschungsfrage:

Neben einer Begriffsklärung der Ansätze, werden diese auch auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Im Hinblick auf Theorien, an die Intersektionalität und Diversität anknüpfen und ihrer praktischen Anwendung in Methodologie und Empirie, sollen ihrer „Trag- und Zukunftsfähigkeit […] für politikwissenschaftliche Gender-Forschung“ 13) nachgegangen werden.

These:

„Insgesamt schätzen wir die Situation für Intersektionalität positiver ein. Dieser Ansatz ist stärker in einer sozialwissenschaftlichen Tradition verankert und weist Potenziale für die Gender-Forschung auf – insbesondere aufgrund der Nähe zur Ungleichheitsforschung und weil der inhärente Blick auf Interaktionen von Differenzlagen im Mainstream der empirisch-quantitativen Sozialwissenschaft beliebt ist.“ 14)

„Diversity wird, so unsere These, als positiv konnotierter und Marketing-geeigneter Containerbegriff in der Zukunft an Relevanz gewinnen und dabei nicht nur der stärkeren inhaltlichen und personellen Verknüpfung von Forschungsschwerpunkten, sondern auch pragmatisch ihrer Absicherung dienen.“ 15)

Begriffsklärung:

1) Intersektionalität: Der Ansatz sei an sich nicht als neuartig zu betrachten. Die Juristin Kimberly Crenshaw führte den Begriff der Intersektionalität bereits 1989 ein und nahm dabei selber Bezug auf eine Rede von Sojourner Truth aus dem Jahr 1851. Der Begriff „Intersektionalität“ leitet sich von dem englischen Wort „intersection“ (Kreuzung) ab. „Er fokussiert […] nicht auf die Addition von Diskriminierungsachsen, sondern auf die Interaktion und Interpendezen derselben.“ 16) Dabei wird der Anspruch „ein sozialwissenschaftliches Analyse-Tool, wenn nicht sogar ein Beitrag zur Geselschaftstheorie zu sein“ erhoben. 17)

2) Diversität: Dieser Ansatz finde sich vornehmlich praktisch umgesetzt unter dem Namen „Diversity Management“18) in der privaten Wirtschaft wieder. „Der Begriff „Diversity“ steht für Differenz, Heterogenität und Verschiedenheit, wird aber mit positiver Konnotation vor allem als Vielfalt übersetzt und geht mit der Zielvorgabe einher, Verschiedenheit von Menschen anzuerkennen und im organisatorischen Kontext von Unternehmungen positiv zu nutzen.“ 19) Hierbei kann das Konzept als „empirisch-deskriptive“ oder als „normativ-präskriptive“ 20) Kategorie fungieren.

Diskussion:

Frage:
Welche Schwachstellen werden bei den Ansätzen erkannt und welche möglichen Lösungsansätze werden vorgestellt? Inwiefern werden die Konzepte als gewinnbringend angesehen?

Ideen:

Intersektionalität:

- Versucht die Interpendenzen von Diskriminierungsformen zu erfassen

- Multiplikation (statt Addition)

- Mehrdimensionale Betrachtung

⇒ „Überschneidungstheorie“ (vgl. Metapher der Straßenkreuzung)

- In Tradition des Multicultural bzw. Postcolonial Feminism

- Anspruch: Analyse-Tool

- Chance: Beitrag zu Gesellschaftstheorie

Kritik:

- Methode → Frage nach Umsetzung

- Wenig Forschung

Lösung: Inter-Kategorialer Ansatz

Diversität:

- Vorkommen besonders in Privatwirtschaft als „Diversion Management“ u.a. in Form von Policy-Maßnahmen

- Ziel: Abbau von Diskriminierung durch den „richtigen“ Umgang mit Verschiedenheit → positiven Nutzen erzielen

Kritik:

- theoretisch wenig fundiert; bei Bezug auf Individuum Tendenz zu Beliebigkeit

- Rhetorik (Subtilisierung/ Gruppismus)

- Business-Perspektive überwiegt Equity-Perspektive (?)

Lösung: Arbeiten mit Teilidentitäten

Der Ansatz ‚Kritischer Diversität‘- Ulrike Mayer

Thema:

Ulrike Mayer zeigt am Beispiel der Universität für Musik und darstellende Künste Wien auf, wie „Kritische Diversität“ praktisch umgesetzt werden kann. Dafür stellt sie die konkreten Maßnahmen der mdw vor und kommentiert die bis dahin feststellbaren oder ausbleibenden Effekte.

Vorgehen:

In der gender- und diversitätsorientierten Organisationsentwicklung geht es um interne Prozess, die zur der Etablierung von Diversität beitragen sollen. Im Fall einer Universität sollen alle Instanzen (Lehre, Forschung und Verwaltung) miteinbezogen werden.

Während der Strategieentwicklung findet ein Hinterfragen der Identität der Universität statt bzw. die Auseinandersetzung mit dem Ziel, das angestrebt werden soll. Im Falle der mdw ist dies: „ein diskriminierungsfreieres Studier- und Arbeitsumfeld“ 21) Dafür sei auch eine Bestandsaufnahme des Status-quo und aktuellen „Diskriminierungsrealitäten“ notwendig.

Es wird ein Team ins Leben gerufen, dem die Verantwortung über Koordination und Kommunikation im Rahmen des Projekts zukommen. Das Verständnis des Prozesses als „Leitungsaufgabe“ 22) unterstreicht die Investiertheit der Institution. Gleichzeitig wird zu der Beteiligung aller Mitglieder der mdw aufgerufene und diese somit gesamtseitlich einbezogen. Hierdurch sollen sich möglichst vielseitige und interdisziplinäre Fokusgruppen (s.Abb.) zusammenfinden, denen konkrete Aufgabenbereiche zugeteilt werden. Auch bestehende „Wissens- und Machtverhältnisse“ sollen durch diesen partizipativen Ansatz aufgebrochen werden. Ergänzend wird die Beschäftigung mit Diversität durch Literaturempfehlungen zugänglicher gemacht.

Diskussion:

Frage:
Welche Maßnahmen der mdw haltet ihr für sinnvoll, welche für schwer umsetzbar? Gibt es Diversitätsstrategien, die Ihr gerne an Eurer Uni sehen würdet?

1)
Mayer, Ulrike, „Der Ansatz 'Kritischer Diversität' am Beispiel der Diversitätsstrategie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien“, Zeitschrift für Diversitätsforschung und -Management 5 (1), (2020): 76.
2)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 189.
3)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 190.
4) , 6)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 188.
5)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 187.
7) , 8)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 200.
9)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 202.
10) , 11) , 12)
Deborah Litvin, „The Discourse of Diversity: From Biology to Management,“ Organization 4, 2, (1997): 204.
13)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 23.
14)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 30.
15)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 31.
16)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 24.
17) , 18) , 19)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 27.
20)
Hardmeier, Sibylle und Dagmar Vinz, „Diversity und Intersectionality. Eine kritische Würdigung der Ansätze für die Politikwissenschaft.“ Femina Politica, Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 1, (2007): 27,29.
21)
Mayer, Ulrike, „Der Ansatz 'Kritischer Diversität' am Beispiel der Diversitätsstrategie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien“, Zeitschrift für Diversitätsforschung und -Management 5 (1), (2020): 79.
22)
Mayer, Ulrike, „Der Ansatz 'Kritischer Diversität' am Beispiel der Diversitätsstrategie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien“, Zeitschrift für Diversitätsforschung und -Management 5 (1), (2020): 80.
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