Der Christchurch-Anschlag und Brenton Tarrant

Im März 2019 verübte Brenton Tarrant einen Terroranschlag auf eine Moschee in Christchurch, Neuseeland, der nicht nur wegen seiner hohen Opferzahlen Aufmerksamkeit erregte, sondern auch weil Tarrant seinen Anschlag deutlich stärker in das Internet einbettete als vorangegangene rechtsextreme Terroristen. Kevin Roose (2019) schrieb in der New York Times gar vom ersten Terrorangriff, der „internet native“ sei: Tarrant selbst war ein reger Nutzer von Imageboards und in deren Subkultur integriert, die er in seinem ‚Manifest‛ – welches er natürlich online, auf Twitter, veröffentlichte – mehrfach referenziert. Er kündigte seine Tat auf 8chan an und übertrug sie schließlich als Facebook-Livestream an einige hundert Zuschauer. Robert Evans (vgl. 2019) sieht in seinem Manifest deutliche Tendenzen zum ‚Shitposting‛ und überlegt, dass dieses den Effekt haben soll, seine politischen Gegner zu irritieren und zu provozieren, und gleichzeitig seine Verbündeten zu befriedigen.

Meines Erachtens besteht Tarrants Manifest nicht zu solch übermäßigen Teilen aus provokativem Shitposting oder ‚Trollen‛. Das Manifest ist als Fragenkatalog gehalten, in dem Tarrant auf selbstgestellte Fragen antwortet, von denen er antizipiert, dass sie die Öffentlichkeit nach dem Anschlag stellen würde. An drei oder vier Stellen antwortet er mit äußerstem Sarkasmus auf diese Fragen, wobei der Sarkasmus stets deutlich als solcher gekennzeichnet ist und sich abgrenzt von den anderen, ernsthaften Antworten.

Spannend an dem Dokument ist weiterhin, dass viele Strategiepläne der neuen Rechten sich hier wiederfinden. Tarrant betont etwa die Relevanz von Polarisierung und Destabilisierung, ebenso wie seine Feindschaft zu Kommunismus und Egalitarismus. Gegenüber Ausländern und Juden betont er ständig, dass er sie anerkenne wenn sie sich in ihre Staatsgrenzen zurückziehen würden, sie jedoch in ‚seinem‛ Land als Invasoren betrachte (vgl. Tarrant 2019).

Bereits im Oktober desselben Jahres fand Tarrant in Deutschland einen mit der Alt Right vernetzten Nachahmer, der seinen Anschlag auf eine Synagoge ebenfalls live übertrug (vgl. Lasch 2020).

In Reaktion auf den Anschlag Tarrants wurde ein Gipfel abgehalten, bei dem sich mehrere Regierungen und Unternehmen verpflichteten, Schritte zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte im Netz zu unternehmen (vgl. Ebner et al. 2020: 16). Dies trug weiter zu einer in den letzten Jahren spürbar gewordenen Tendenz bei, rechtsextreme Akteure von populären sozialen Medien zu verdrängen.

Zurück zur Einstiegsseite

Zum Literaturverzeichnis

Drucken/exportieren