Kritische Diskursanalye nach Jäger
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[Ausblenden]- 1 Foucaults Diskursanalyse
- 2 Leontjews Tätigkeitstheorie
- 3 Die Kritische Diskursanalyse als Methode der qualitativen Sozialfoschung
- 4 Kritik der Kritischen Diskursanalyse
- 5 Literatur
- 6 Anhang: Zusammenfassung von Siegfried Jäger 2006: Diskurs und Wissen – theoretische und methodische Aspekte einer kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse
Die Kritische Diskursanalyse ist eine im Rahmen des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) entwickelte qualitative Methode der Sozialforschung. Das Institut konzentriert sich dabei auf die Untersuchung der „Genese von sozialen und kulturellen Ordnungen, um emanzipative Ansätze für eine demokratische Praxis in Politik, Pädagogik und Journalismus zu fördern.“ (DISS) Im Folgenden soll sich auf die Darstellung der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger bezogen werden.
1 Foucaults Diskursanalyse
Jägers Methode der Kritischen Diskursanalyse fußt auf einer Auseinanderetzung mit Foucaults Diskurstheorie. Wichtig für das Verständnis von Foucaults Werk ist es, seine ständige Auseinandersetzung mit früheren Stadien seiner Theorien und Weiterentwicklungen zu berücksichtigen. Foucault ist kein einheitlicher Denker, sondern lässt verschiedene Phasen und Brüche erkennen. Die Entwicklung der Diskursanalyse fällt in die Phase seiner „archäologischen Arbeiten […], die sich auf die Untersuchung von Aussageordnungen und Wissensformationen“ (Bröckling 2010, 409) konzentrieren.
1.1 Diskurs als Fluss von Wissen
Foucault stellt sich in der Archäologie des Wissens die Aufgabe, nicht „die Diskurse als Gesamtheit von Zeichen (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte oder Repräsentationen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen.“ (Foucault 1990, 74) Eine Aufgabe, mit der er sich gleichzeitig gegen den klassischen Strukturalismus – indem er den Schwerpunkt seiner Analyse von den Signifikanten auf die Praktiken verlagert (vgl. Sarasin 2012, 100f.) – als auch gegen sein eigenes Konzept der Episteme wendet. Der Diskursbegriff ist
„ein Analyseinstrument, das einen größeren Auflösungsgrad hat, eine handlichere, konkrete, analytischere Kategorie als die große, unbewegliche episteme, eine Kategorie also, die es erlaubt, en détail sichtbar zu machen, wie in einzelnen Wissenschaften und Diskursfeldern Objekte des Wissens erscheinen.“ (ebd. 100; Herv. i. O.)
Die Analyse von Diskursen ist damit nicht (nur) die Analyse eines bestimmten sprachlichen Systems als vielmehr des Systems an Praktiken in einer Gesellschaft, die den Dingen ihre Bedeutung geben. Die Diskurse beinhalten daher ein „Mehr“, das nicht in Signifikant und Signifikat aufgeht: „Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen die Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. […] Dieses mehr muß man ans Licht bringen und beschreiben.“ (Foucault 1990, 74; Herv. i. O.)
Um zu verstehen, wie der Diskurs Dingen Bedeutung zuschriebt, muss sein Verhältnis zum Wissen geklärt werden. Der Diskurs, so Jäger, kann als „Fluß von Wissen“ oder „sozialen Wissensvorräten durch die Zeit“ (Jäger 2006, 86) verstanden werden. Ein Diskurs stellt also die spezifische Struktur von Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Wissen wird hier in seinem größten Umfang als „alle Arten von Bewußtseinsinhalten bzw. Bedeutungen“ (ebd. 83) verstanden. Der Diskurs stellt also jeweils historisches Wissen bereit, in dessen Form die Individuen Welt begreifen und ihr einen Sinn geben. Wissen muss dabei immer als historisch gültiges verstanden werden und damit als wahres Wissen. Wahrheit ist also als ein „diskursiver Effekt“ (Jäger 1999, 129) zu verstehen. Anders ausgedrückt markiert der Diskurs damit auch die Grenze des jeweils Sagbaren (vgl. ebd. 130), da nur über das gesprochen (oder in irgendeiner anderen Form interagiert) werden kann, dem Bedeutung über (gültiges) Wissen zugewiesen wurde. Letztlich existieren Dinge für den Menschen daher auch nur innerhalb des Diskurses:
„[D]er Gegenstand wartet nicht in der Vorhölle auf die Ordnung, die ihn befreien und ihm gestatten wird, in einer sichtbaren und beredten Objektivität Gestalt anzunehmen; er ist sich selbst nicht präexistent, von einem Hindernis zurückgehalten an den ersten Ufern des Lichts. Er existiert unter den positiven Bedingungen eines komplexen Bündels von Beziehungen. […] Sie bestimmen nicht seine innere Konstitution, sondern das, was ihm gestattet, in Erscheinung zu treten, sich neben andere Gegenstände zu stellen […].“ (Foucault 1990, 68)
Da es Foucault aber um das „Mehr“ an Wissen geht, soll nicht in einer historischen Darstellung gezeigt werden, welche Signifikate mit welchen Signifkanten verknüpft werden, sondern gerade das Bündel von Beziehungen erfasst werden, welche der Verknüpfung vorausgeht; also auch das wie der Verknüpfungen von Bedeutungen. Sarasin beschreibt die Diskursanalyse daher auch als Suche „nach dem Algorithmus […], mit dem bestimmte Aussagen generiert und andere ausgeschlossen werden können“. (Sarasin 2012, 112)
An dieser Stelle kann auch Foucaults Begriff des Dispositivs eingeführt werden. Dieses liegt auf einer höheren Ebene als der Diskurs, indem unter ihm ein „heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, administrative Maßnahmen […] kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst.“ (Foucault 1978, 119f.) Das Dispositiv ist also das Netz zwischen mit Bedeutung versehenen diskursiven und nicht-diskursiven Praxen (vgl. ebd. 120f.)
„ein Analyseinstrument, das einen größeren Auflösungsgrad hat, eine handlichere, konkrete, analytischere Kategorie als die große, unbewegliche episteme, eine Kategorie also, die es erlaubt, en détail sichtbar zu machen, wie in einzelnen Wissenschaften und Diskursfeldern Objekte des Wissens erscheinen.“ (ebd. 100; Herv. i. O.)
Die Analyse von Diskursen ist damit nicht (nur) die Analyse eines bestimmten sprachlichen Systems als vielmehr des Systems an Praktiken in einer Gesellschaft, die den Dingen ihre Bedeutung geben. Die Diskurse beinhalten daher ein „Mehr“, das nicht in Signifikant und Signifikat aufgeht: „Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen die Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. […] Dieses mehr muß man ans Licht bringen und beschreiben.“ (Foucault 1990, 74; Herv. i. O.)
Um zu verstehen, wie der Diskurs Dingen Bedeutung zuschriebt, muss sein Verhältnis zum Wissen geklärt werden. Der Diskurs, so Jäger, kann als „Fluß von Wissen“ oder „sozialen Wissensvorräten durch die Zeit“ (Jäger 2006, 86) verstanden werden. Ein Diskurs stellt also die spezifische Struktur von Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Wissen wird hier in seinem größten Umfang als „alle Arten von Bewußtseinsinhalten bzw. Bedeutungen“ (ebd. 83) verstanden. Der Diskurs stellt also jeweils historisches Wissen bereit, in dessen Form die Individuen Welt begreifen und ihr einen Sinn geben. Wissen muss dabei immer als historisch gültiges verstanden werden und damit als wahres Wissen. Wahrheit ist also als ein „diskursiver Effekt“ (Jäger 1999, 129) zu verstehen. Anders ausgedrückt markiert der Diskurs damit auch die Grenze des jeweils Sagbaren (vgl. ebd. 130), da nur über das gesprochen (oder in irgendeiner anderen Form interagiert) werden kann, dem Bedeutung über (gültiges) Wissen zugewiesen wurde. Letztlich existieren Dinge für den Menschen daher auch nur innerhalb des Diskurses:
„[D]er Gegenstand wartet nicht in der Vorhölle auf die Ordnung, die ihn befreien und ihm gestatten wird, in einer sichtbaren und beredten Objektivität Gestalt anzunehmen; er ist sich selbst nicht präexistent, von einem Hindernis zurückgehalten an den ersten Ufern des Lichts. Er existiert unter den positiven Bedingungen eines komplexen Bündels von Beziehungen. […] Sie bestimmen nicht seine innere Konstitution, sondern das, was ihm gestattet, in Erscheinung zu treten, sich neben andere Gegenstände zu stellen […].“ (Foucault 1990, 68)
Da es Foucault aber um das „Mehr“ an Wissen geht, soll nicht in einer historischen Darstellung gezeigt werden, welche Signifikate mit welchen Signifkanten verknüpft werden, sondern gerade das Bündel von Beziehungen erfasst werden, welche der Verknüpfung vorausgeht; also auch das wie der Verknüpfungen von Bedeutungen. Sarasin beschreibt die Diskursanalyse daher auch als Suche „nach dem Algorithmus […], mit dem bestimmte Aussagen generiert und andere ausgeschlossen werden können“. (Sarasin 2012, 112)
An dieser Stelle kann auch Foucaults Begriff des Dispositivs eingeführt werden. Dieses liegt auf einer höheren Ebene als der Diskurs, indem unter ihm ein „heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, administrative Maßnahmen […] kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst.“ (Foucault 1978, 119f.) Das Dispositiv ist also das Netz zwischen mit Bedeutung versehenen diskursiven und nicht-diskursiven Praxen (vgl. ebd. 120f.)
1.2 Genealogie und Subjekt
Im Verlauf der Geschichte lösen einzelne Diskurse, als bedeutungszuweisende Bündel von Beziehungen, einander ab, knüpfen aber auch immer an frühere an: „Es geht in der Archäologie [des Wissens, L.P.] darum, eine spezielle Schicht von Regeln freizulegen, die als spezifisches ‚inhaltliches‘ Ordnungsmuster für die involvierten Subjekte erkennbare Dinge erzeugen und ihre Welt strukturieren“. (Sarasin 2012, 115f. Herv. i. O.) Jede Aussage trägt damit auch immer ein Moment aller anderen abgelösten Diskurse in sich: „Jeder manifeste Diskurs [beruht] insgeheim auf einem bereits Gesagten“. (Foucault 1990, 39) Demgemäß geht es Foucault auch um die Realisierung einer neuen Geschichtsschreibung, einer Geschichte die „von der Konstitution des Wissen[s], von Diskursen, von Gegenstandsfeldern usw. berichtet, ohne sich auf ein Subjekt zu beziehen“. (Foucault 1978, 32)
Damit zeigt sich auch die Rolle, die der Diskurs bei der Herausbildung von Subjektivität einnimmt. Foucault will sich mit seinem Verständnis von Geschichte als Genealogie von der Subjektzentrierung lösen, da diese selbst bloßes Ergebnis der jeweiligen historischen Diskursformation ist: „Der so begriffene Diskurs ist nicht die majestätisch abgewickelte Manifestation eines denkenden, erkennenden und es aussprechenden Subjekts: Im Gegenteil handelt es sich um eine Gesamtheit, worin die Verstreuung des Subjekts und seine Diskontinuität mit sich selbst sich bestimmen können.“ (Foucault 1990, 82) Das Subjekt ist bloß eine Funktion, die sich aus bestimmten Diskursen ergibt. (vgl. Sarasin 2012, 117) Dementsprechend muss der Diskurs auch als überindividuell betrachtet werden. Jäger folgert daher: „Das Individuum macht den Diskurs nicht, eher ist das umgekehrte der Fall.“ (Jäger 2006, 88)
Damit zeigt sich auch die Rolle, die der Diskurs bei der Herausbildung von Subjektivität einnimmt. Foucault will sich mit seinem Verständnis von Geschichte als Genealogie von der Subjektzentrierung lösen, da diese selbst bloßes Ergebnis der jeweiligen historischen Diskursformation ist: „Der so begriffene Diskurs ist nicht die majestätisch abgewickelte Manifestation eines denkenden, erkennenden und es aussprechenden Subjekts: Im Gegenteil handelt es sich um eine Gesamtheit, worin die Verstreuung des Subjekts und seine Diskontinuität mit sich selbst sich bestimmen können.“ (Foucault 1990, 82) Das Subjekt ist bloß eine Funktion, die sich aus bestimmten Diskursen ergibt. (vgl. Sarasin 2012, 117) Dementsprechend muss der Diskurs auch als überindividuell betrachtet werden. Jäger folgert daher: „Das Individuum macht den Diskurs nicht, eher ist das umgekehrte der Fall.“ (Jäger 2006, 88)
1.3 Macht und Wissen
Foucault charakterisiert das zentrale Problem seiner Bücher folgendermaßen: „wie ist in den abendländischen Gesellschaften die Produktion von Diskursen, die (zumindest für eine bestimmte Zeit) mit einem Wahrheitswert geladen sind, an die unterschiedlichen Machtmechanismen und -institutionen gebunden?“ (Foucault 2012, 8) Damit spricht Foucault die für den Diskursbegriff zentrale Verknüpfung von Macht und Wissen an. Die Machtwirkung des Diskurses steht in Verbindung mit seinem Wissenscharakter. Da der Diskurs gültiges Wissen strukturiert, bestimmt er, was für die Individuen als Wirklichkeit und Wahrheit gilt. Denn, so Foucault, der Besitz des Diskurses stellt auch das „Recht zu sprechen“, die „Kompetenz des Verstehens“, den „Zugang der bereits formulierten Aussagen“ sowie die Fähigkeit „diesen Diskurs in Entscheidungen, Institutionen oder Praktiken einzusetzen“ dar. (Foucault 1990, 100) Auf den Punkt gebracht schreibt Foucault in seinem Vortrag Was ist Kritik? zum Verhältnis von Wissen und Macht:
„[N]ichts kann als Wissenselement auftreten, wenn es nicht mit einem System spezifischer Regeln und Zwänge konform geht […]. Umgekehrt kann nichts als Machtmechanismus funktionieren, wenn es sich nicht in Prozeduren und Mittel-Zweck-Beziehungen entfaltet, welche in Wissenssystemen fundiert sind. Es geht also nicht darum, zu beschreiben, was Wissen ist und was Macht ist und wie das eine das andere unterdrückt oder mißbraucht, sondern es geht darum, einen Nexus von Macht-Wissen zu charakterisieren, mit dem sich die Akzeptabilität eines Systems – sei es das System der Geisteskrankheit, der Strafjustiz, der Delinquenz, der Sexualität usw. – erfassen läßt.“ (Foucault 1992, 33)
Abzugrenzen wäre der Begriff der Macht, insbesondere in Foucaults späteren Schriften, von dem Begriff der Herrschaft. Macht stellt für Foucault eine Art ontologischer Konstante dar, die in Verbindung mit Wissen ständig durch die Körper der Individuen zirkuliert. Herrschaft liegt dann vor, wenn diese Zirkulation aussetzt und sich eine bestimmte Macht-Wissen-Konstellation gefestigt hat. Foucaults kritische Intention setzt bei dieser Verfestigung an.
„[N]ichts kann als Wissenselement auftreten, wenn es nicht mit einem System spezifischer Regeln und Zwänge konform geht […]. Umgekehrt kann nichts als Machtmechanismus funktionieren, wenn es sich nicht in Prozeduren und Mittel-Zweck-Beziehungen entfaltet, welche in Wissenssystemen fundiert sind. Es geht also nicht darum, zu beschreiben, was Wissen ist und was Macht ist und wie das eine das andere unterdrückt oder mißbraucht, sondern es geht darum, einen Nexus von Macht-Wissen zu charakterisieren, mit dem sich die Akzeptabilität eines Systems – sei es das System der Geisteskrankheit, der Strafjustiz, der Delinquenz, der Sexualität usw. – erfassen läßt.“ (Foucault 1992, 33)
Abzugrenzen wäre der Begriff der Macht, insbesondere in Foucaults späteren Schriften, von dem Begriff der Herrschaft. Macht stellt für Foucault eine Art ontologischer Konstante dar, die in Verbindung mit Wissen ständig durch die Körper der Individuen zirkuliert. Herrschaft liegt dann vor, wenn diese Zirkulation aussetzt und sich eine bestimmte Macht-Wissen-Konstellation gefestigt hat. Foucaults kritische Intention setzt bei dieser Verfestigung an.
2 Leontjews Tätigkeitstheorie
Aus der Sicht Jägers besteht ein Problem in Foucaults Vermittlung von Subjekt und Diskurs. Jäger erhofft sich aus dem Rückgriff auf A.N. Leontjews (1903–1979) Tätigkeitstheorie[1] ein besseres Verständnis davon zu erhalten, wie sich das Subjekt durch den Diskurs konstituiert, wobei gleichzeitig der Diskurs als historisches Produkt menschlicher Tätigkeit zu begreifen ist. (vgl. Jäger 1999, 21) Der Psychologe A.N. Leontjew galt als ein Vertreter der in den 1920er Jahren in der Sowjetunion entstandenen sogenannten Kulturhistorischen Schule, die sich die Frage nach dem Zusammenhang von menschlichem Bewusstsein und der menschlichen historischen Entwicklung stellte. (vgl. ebd. 82) Von Interesse für Jäger und die qualitative Sozialforschung ist Leontjews Ansatz, da er nicht von einem individualistischen Begriff von Psychologie ausgeht, sondern „menschliches Bewußtsein von Anfang an als Bewußtsein von Menschen, die in einem sozialen Kontext ‚sozialisiert‘ sind begreift". (ebd. 83, Herv. i. O.) Ausgangspunkt Leontjews ist ein weitgefasster Begriff von Tätigkeit, um der vom Marxismus kritisierten Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit im Kapitalismus entgegenzuwirken. (vgl. ebd. 80ff.) Tätigkeit ist als „Zusammenhang von Denken, Sprechen und Handeln“ (ebd. 83) zu begreifen. Sprechen oder Denken sind also auch Tätigkeiten. Darüber hinaus geht Leontjew davon aus, dass Denken und Sprechen ohne die in der Vergangenheit, d. h. der geschichtlichen Entwicklung des Menschen, geleistete Tätigkeit gar nicht möglich wäre. Tätigkeit wird so zur „Voraussetzung der Menschwerdung“ (ebd.) – und rückt damit durchaus in Nähe Foucaults archäologisches Geschichtsverständnis.
Die Aufhebung der Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit in der Tätigkeitstheorie zeigt sich in der Art wie Leontjew die Vermittlung von Subjekt und Objekt denkt. Ein Gegenstand erhält für ihn seine Bedeutung immer erst in einem sozialen Kontext. Den Dingen werden Bedeutungen zugeschrieben und diese Zuschreibung wird als aktive Tätigkeit (nämlich Denken) verstanden. Subjekt und Objekt werden also über Tätigkeit vermittelt. (vgl. ebd. 88ff.) Der soziale Kontext, der diese Bedeutungszuschreibung selbstverständlich beeinflusst (bspw. durch Erziehung, Medien,…) ist wiederum aus der kollektiven Tätigkeit aller in einer Gesellschaft lebender (und früher lebenden) Individuen entstanden. Hier kann die für Jäger so bedeutende Brücke zwischen dem, was Foucault als Diskurs bezeichnet (also der soziale Kontext), und dem Subjekt gefunden werden:
„Indem ich tätig mit der Wirklichkeit umgehe, eigne ich mir Wissen über die Wirklichkeit an [=Aneignung bzw. Interiorisation, L.P.]; zugleich und im Zusammenhang damit verwende ich mein erworbenes Wissen über die Wirklichkeit, um sie so zu gestalten, wie mir das angemessen erscheint.“ [=Vergegenständlichung bzw. Exteriorisation, L.P.] Und weiter heißt es: „Das Bewußtsein ist also nicht von Anfang an gegeben und wird nicht durch die Natur erzeugt: Das Bewußtsein […] wird von den jeweiligen Menschen in der Gesellschaft, im Verkehr mit den kooperierenden Menschen erzeugt, oder anders im Diskurs.“ (ebd. 94; Herv. L.P.)
Um diese wechselseitige Durchdringung zu verstehen – und damit auch die von Jäger konstatierte Schwäche Foucaults aufzuheben – ist es notwendig, auf die Zielförmigkeit der Tätigkeiten zu verweisen. So ist es zentral, dass Leontjew davon ausgeht, dass jede Tätigkeit einem Bedürfnis folgt und unternommen wird, um dieses zu befriedigen. (vgl. ebd. 98) Wird ein Bedürfnis bewusst als Ziel einer Tätigkeit angepeilt, spricht Leontjew von Handlung (die einem Motiv folg). Für die Analyse der Gesellschaft bedeutender ist jedoch die Operation. Diese sind unbewusste, routinisierte Vorgänge, also „ehemals mühselig im gesellschaftlichen Prozeß, teils tief in der Vergangenheit der Menschheit bereits entwickelte Handlungen.“ (Ebd. 101) Diese Routinisierung kann bis zur Vergegenständlichung in Werkzeugen führen. Dies gilt ebenfalls für alle Bereiche von Tätigkeiten: „Im Hammer ist das routinisierte Hämmern vergegenständlicht, im Wort ein routinisierter Denkprozeß“. (ebd. 103) Es zeigt sich also auch hier, dass vor allem die Operationen einen Ansatzpunkt zu Ermittlung von Diskursen ermöglichen.
Besonders betont Jäger auch die – von ihm in nicht allen Punkten geteilte – Unterscheidung zwischen subjektivem Sinn und objektiver Bedeutung Leontjews. Das objektive Moment aller durch Tätigkeiten entstandenen Vergegenständlichung ist in ihrem Wesen als „Resultat sozialer menschlicher Arbeit“ (ebd. 109) zu sehen. Sie gelangen so zu „überindividueller Existenz und Gültigkeit“. (ebd.) Dass das einzelne Ding oder Wort für das konkrete Individuum Verständnisspielräume aufweist, ergibt sich aus der „individuellen Verstrickung in den Diskurs und [deren] subjektiver Verarbeitung“. (ebd. 110) Foucault, so Jäger, hat diesen subjektiven Aspekt in seiner Diskursanalyse vernachlässigt. Hervorzuheben ist dieses subjektive Moment insbesondere im Bezug auf Jägers Anspruch, eine Methodologie einer Kritischen Diskursanalyse vorzulegen, da dies die „Voraussetzung dafür darstellt, politische und pädagogische Arbeit, die meist auf die Subjekte bezogen ist, besser fundieren zu können.“ (ebd. 111) Zusammenfassend beschreibt Jäger den Nutzen der Tätigkeitstheorie für seine kritische Diskursanalyse wie folgt:
„Wie Foucault die Konstituierung der Subjekte im Diskurs verortet, so tut dies zwar auch Leontjew, wenn er zwischen Subjekt- und Objektwelt unterscheidet und die Abhängigkeit der Subjektbildung von den sozialen Bedingungen postuliert. Zusätzlich schließt er die Kluft zwischen Subjekt und Objekt durch das Konzept der [auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten, L.P.] Tätigkeit, das zwischen diesen Ebenen vermittelt. Diese Vermittlung erklärt die konkrete Subjektbildung ebenso wie die Herausbildung von Diskursen als Produkt menschlicher Tätigkeit/Arbeit. Dabei handelt es sich um eine wichtige Erweiterung der Foucaultschen Bestimmung des Verhältnisses von Subjekt und Diskurs, die Foucault zwar postulierte, aber nicht konkret machen konnte.“ (ebd. 111f.)
Die Aufhebung der Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit in der Tätigkeitstheorie zeigt sich in der Art wie Leontjew die Vermittlung von Subjekt und Objekt denkt. Ein Gegenstand erhält für ihn seine Bedeutung immer erst in einem sozialen Kontext. Den Dingen werden Bedeutungen zugeschrieben und diese Zuschreibung wird als aktive Tätigkeit (nämlich Denken) verstanden. Subjekt und Objekt werden also über Tätigkeit vermittelt. (vgl. ebd. 88ff.) Der soziale Kontext, der diese Bedeutungszuschreibung selbstverständlich beeinflusst (bspw. durch Erziehung, Medien,…) ist wiederum aus der kollektiven Tätigkeit aller in einer Gesellschaft lebender (und früher lebenden) Individuen entstanden. Hier kann die für Jäger so bedeutende Brücke zwischen dem, was Foucault als Diskurs bezeichnet (also der soziale Kontext), und dem Subjekt gefunden werden:
„Indem ich tätig mit der Wirklichkeit umgehe, eigne ich mir Wissen über die Wirklichkeit an [=Aneignung bzw. Interiorisation, L.P.]; zugleich und im Zusammenhang damit verwende ich mein erworbenes Wissen über die Wirklichkeit, um sie so zu gestalten, wie mir das angemessen erscheint.“ [=Vergegenständlichung bzw. Exteriorisation, L.P.] Und weiter heißt es: „Das Bewußtsein ist also nicht von Anfang an gegeben und wird nicht durch die Natur erzeugt: Das Bewußtsein […] wird von den jeweiligen Menschen in der Gesellschaft, im Verkehr mit den kooperierenden Menschen erzeugt, oder anders im Diskurs.“ (ebd. 94; Herv. L.P.)
Um diese wechselseitige Durchdringung zu verstehen – und damit auch die von Jäger konstatierte Schwäche Foucaults aufzuheben – ist es notwendig, auf die Zielförmigkeit der Tätigkeiten zu verweisen. So ist es zentral, dass Leontjew davon ausgeht, dass jede Tätigkeit einem Bedürfnis folgt und unternommen wird, um dieses zu befriedigen. (vgl. ebd. 98) Wird ein Bedürfnis bewusst als Ziel einer Tätigkeit angepeilt, spricht Leontjew von Handlung (die einem Motiv folg). Für die Analyse der Gesellschaft bedeutender ist jedoch die Operation. Diese sind unbewusste, routinisierte Vorgänge, also „ehemals mühselig im gesellschaftlichen Prozeß, teils tief in der Vergangenheit der Menschheit bereits entwickelte Handlungen.“ (Ebd. 101) Diese Routinisierung kann bis zur Vergegenständlichung in Werkzeugen führen. Dies gilt ebenfalls für alle Bereiche von Tätigkeiten: „Im Hammer ist das routinisierte Hämmern vergegenständlicht, im Wort ein routinisierter Denkprozeß“. (ebd. 103) Es zeigt sich also auch hier, dass vor allem die Operationen einen Ansatzpunkt zu Ermittlung von Diskursen ermöglichen.
Besonders betont Jäger auch die – von ihm in nicht allen Punkten geteilte – Unterscheidung zwischen subjektivem Sinn und objektiver Bedeutung Leontjews. Das objektive Moment aller durch Tätigkeiten entstandenen Vergegenständlichung ist in ihrem Wesen als „Resultat sozialer menschlicher Arbeit“ (ebd. 109) zu sehen. Sie gelangen so zu „überindividueller Existenz und Gültigkeit“. (ebd.) Dass das einzelne Ding oder Wort für das konkrete Individuum Verständnisspielräume aufweist, ergibt sich aus der „individuellen Verstrickung in den Diskurs und [deren] subjektiver Verarbeitung“. (ebd. 110) Foucault, so Jäger, hat diesen subjektiven Aspekt in seiner Diskursanalyse vernachlässigt. Hervorzuheben ist dieses subjektive Moment insbesondere im Bezug auf Jägers Anspruch, eine Methodologie einer Kritischen Diskursanalyse vorzulegen, da dies die „Voraussetzung dafür darstellt, politische und pädagogische Arbeit, die meist auf die Subjekte bezogen ist, besser fundieren zu können.“ (ebd. 111) Zusammenfassend beschreibt Jäger den Nutzen der Tätigkeitstheorie für seine kritische Diskursanalyse wie folgt:
„Wie Foucault die Konstituierung der Subjekte im Diskurs verortet, so tut dies zwar auch Leontjew, wenn er zwischen Subjekt- und Objektwelt unterscheidet und die Abhängigkeit der Subjektbildung von den sozialen Bedingungen postuliert. Zusätzlich schließt er die Kluft zwischen Subjekt und Objekt durch das Konzept der [auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten, L.P.] Tätigkeit, das zwischen diesen Ebenen vermittelt. Diese Vermittlung erklärt die konkrete Subjektbildung ebenso wie die Herausbildung von Diskursen als Produkt menschlicher Tätigkeit/Arbeit. Dabei handelt es sich um eine wichtige Erweiterung der Foucaultschen Bestimmung des Verhältnisses von Subjekt und Diskurs, die Foucault zwar postulierte, aber nicht konkret machen konnte.“ (ebd. 111f.)
3 Die Kritische Diskursanalyse als Methode der qualitativen Sozialfoschung
3.1 Wie kann die Diskursanalyse zu "repräsentativen" Ergebnissen führen?
3.1.1 Repräsentativität und Diskurstheorie: Verbindung von Subjektivem und Objektivem
Um darzulegen, wie oder warum die Diskursanalyse für die qualitative Forschung von Interesse ist, muss erneut auf das Verhältnis von Subjekt und Diskurs eingegangen werden. Wird das Subjekt als Funktion des Diskurses betrachtet – bzw. als über Tätigkeit mit dem Diskurs vermittelt – gibt es nichts, was das Subjekt sagt oder tut, das außerhalb des Diskurses d. h. des Sozialen, existiert. In jeder subjektiven Tätigkeit wird damit auf den „objektiven“ Diskurs als „Materialität sui generis“ (Jäger 2006, 84) verwiesen. Auch vom Zusammenhang von Wissen und Diskurs kann auf das überindividuelle des Diskurses verwiesen werden. Da der Diskurs das Wissen der Subjekte strukturiert, bildet er auch die Grenze des jeweils Sagbaren. (vgl. ebd. 85) Was das Subjekt nicht kennt, d. h. nicht weiß, von dem kann nicht gesprochen werden. Diese Grenze verweist quasi negativ auf den Diskurs der zugrundeliegt. Bei Jäger heißt es daher: „Da bereits das einzelne sozial ist, bereitet der Übergang vom Individuellen zum Gesellschaftlichen [in der Theorie, L.P.] auch keine prinzipiellen Schwierigkeiten.“ (Jäger 1999, 205)
3.1.2 Erfassung der qualitativen Vollständigkeit eines Diskursstranges
Erlaubt die Diskurstheorie also den Schluss von der einzelnen, subjektiven Aussage auf den „objektiven“, gesellschaftlichen Diskurs, so stellt sich doch die Frage, wie dieser Schluss praktisch in der qualitativen Forschung erreicht werden kann. Jäger führt zunächst etliche Punkte an, warum eine befragte oder beobachtete Einzelperson nicht den vollständigen Diskurs abdecken können und die daher in der Forschung berücksichtigt werden müssen. (vgl. ebd. 208)
Auch diese Besonderheiten stellen für die Diskursanalyse allerdings Fälle des Allgemeinen – d. h. den Diskurs – dar. Jede subjektive Äußerung muss immer innerhalb des Diskurses bleiben. (vgl. ebd. 209) Die genannten Punkte weisen auf Kurzschlüsse hin, die begangen werden können.
Ziel der Diskursanalyse nach Jäger ist es letztlich, „ganze Diskursstränge (und/oder Verschränkungen mehrerer Diskursstränge) historisch und gegenwartsbezogen zu analysieren.“ (ebd. 171) Dieses Ziel ist mit der „qualitativen Vollständigkeit der Erfassung des Diskursstrangs“ geleistet, also wenn ein „Diskursstrang in seiner qualitativen Bandbreite erschöpfend erfaßt ist“. (ebd. 205, 219) Wird der Diskurs als Bündel von Ordnungsmustern, die Wissen in eine Struktur gießen, verstanden, wird auch deutlich, dass es weniger – wie es in der quantitativen Sozialforschung der Fall ist – darum geht, zu Aussagen zu gelangen, die für eine möglichst große Anzahl an Menschen der Grundgesamtheit zutreffen (entsprechend dem quantitativen Verständnis von Repräsentativität), sondern vielmehr darum, die Struktur und Funktion eines Diskurses zu erfassen.
Insbesondere der hegemoniale Diskurs weist dabei eine besondere Homogenität der Struktur auf. (vgl. ebd. 213f.) Gleichzeitig hindert es die Diskursanalyse nicht daran, Gegendiskurse zu analysieren, da diese in dem gleichen Beziehungs- und Machtgeflecht entstehen wie hegemoniale Diskurse. Auch Foucault nimmt an, dass es kein „außerhalb der Macht“ (Foucault 1978, 210) und d. h. kein außerhalb eines bestimmten (Gegen-)Wissens geben kann. Auch der antihegemoniale Diskurs kann also Gegenstand der Analyse sein.
Die vollständige qualitative Erfassung eines Diskursstranges bildet so auch das Kriterium der Sättigung eines Forschungsprozesses: Aus der relativen Homogenität und Stabilität eines (hegemonialen) Diskurses ergibt sich diese Vollständigkeit „meist erstaunlich bald“. (Jäger 2006, 103) Die Bandbreite von Argumenten und Inhalten zu einem speziellen Thema sind durch den spezifischen Diskurs meist recht eingeschränkt. Auch hier wird deutlich, dass es um die Erfassung einer spezifischen diskursiven Struktur – d. h. eine Macht-Wissens-Struktur und damit um das Feld des Sagbaren zu einem bestimmten Zeitpunkt geht –, nicht um Repräsentativität im statistischen Sinne als eine Übertragbarkeit auf eine große Anzahl von Personen geht.
- Das untersuchte Individuum hat nicht das gesamte Wissen des Diskurses oder will es nicht preisgeben (entsteht beispielsweise durch kurze Befragungszeiten, aber auch normative Bedenken und Angst vor sozialer Sanktionierung)
- Da Diskurse sich historisch verändern, können ältere Menschen durch andere Spielarten der Diskurse geprägt sein
- Einwirkung des unmittelbaren Erfahrungsraums (Bspw. Wohngebiet), das den eigentlich untersuchten Diskurs überlagert
- Verschiedene Individuen besitzen unterschiedliche Diskurspositionen
Auch diese Besonderheiten stellen für die Diskursanalyse allerdings Fälle des Allgemeinen – d. h. den Diskurs – dar. Jede subjektive Äußerung muss immer innerhalb des Diskurses bleiben. (vgl. ebd. 209) Die genannten Punkte weisen auf Kurzschlüsse hin, die begangen werden können.
Ziel der Diskursanalyse nach Jäger ist es letztlich, „ganze Diskursstränge (und/oder Verschränkungen mehrerer Diskursstränge) historisch und gegenwartsbezogen zu analysieren.“ (ebd. 171) Dieses Ziel ist mit der „qualitativen Vollständigkeit der Erfassung des Diskursstrangs“ geleistet, also wenn ein „Diskursstrang in seiner qualitativen Bandbreite erschöpfend erfaßt ist“. (ebd. 205, 219) Wird der Diskurs als Bündel von Ordnungsmustern, die Wissen in eine Struktur gießen, verstanden, wird auch deutlich, dass es weniger – wie es in der quantitativen Sozialforschung der Fall ist – darum geht, zu Aussagen zu gelangen, die für eine möglichst große Anzahl an Menschen der Grundgesamtheit zutreffen (entsprechend dem quantitativen Verständnis von Repräsentativität), sondern vielmehr darum, die Struktur und Funktion eines Diskurses zu erfassen.
Insbesondere der hegemoniale Diskurs weist dabei eine besondere Homogenität der Struktur auf. (vgl. ebd. 213f.) Gleichzeitig hindert es die Diskursanalyse nicht daran, Gegendiskurse zu analysieren, da diese in dem gleichen Beziehungs- und Machtgeflecht entstehen wie hegemoniale Diskurse. Auch Foucault nimmt an, dass es kein „außerhalb der Macht“ (Foucault 1978, 210) und d. h. kein außerhalb eines bestimmten (Gegen-)Wissens geben kann. Auch der antihegemoniale Diskurs kann also Gegenstand der Analyse sein.
Die vollständige qualitative Erfassung eines Diskursstranges bildet so auch das Kriterium der Sättigung eines Forschungsprozesses: Aus der relativen Homogenität und Stabilität eines (hegemonialen) Diskurses ergibt sich diese Vollständigkeit „meist erstaunlich bald“. (Jäger 2006, 103) Die Bandbreite von Argumenten und Inhalten zu einem speziellen Thema sind durch den spezifischen Diskurs meist recht eingeschränkt. Auch hier wird deutlich, dass es um die Erfassung einer spezifischen diskursiven Struktur – d. h. eine Macht-Wissens-Struktur und damit um das Feld des Sagbaren zu einem bestimmten Zeitpunkt geht –, nicht um Repräsentativität im statistischen Sinne als eine Übertragbarkeit auf eine große Anzahl von Personen geht.
3.2 Vorgehen der Kritischen Diskursanalyse
Jägers Hauptanliegen ist es, eine methodische Grundlage für die kritische Analyse von Diskursen vorzulegen. Diese Analyse kann in drei Schritte gegliedert werden: Die Strukturierung des Diskurses, die Analyse des Diskursstranges und die damit eng verknüpfte Feinanalyse von (typischen) Diskursfragmenten. Weitere Ebenen bieten die Analyse eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses und die Dispositivanalyse. Auch wenn Jägers kritische Diskursanalyse den Anspruch stellt, auf viele Bereiche anwendbar zu sein, z. B. auch auf Kunstwerke oder Interviews, legt Jäger einen deutlichen Fokus auf die Analyse von Medien.
3.2.1 Die Struktur des Diskurses
Diskurse existieren nie isoliert. Foucault selbst stellt sich die Frage, wie man das „monotone, wimmelnde Gebiet des Diskurses abstuft.“ (Foucault 1990, 104) Auch für Jäger bildet die Strukturierung des Diskurses – als das Auflösen des „Gewimmels“ (vgl. Jäger 1999, 158f.) – die Grundlage für die Analyse eines Diskursfragments und der eigentlichen Diskursanalyse. Zur Strukturierung stellt Jäger eine Reihe von Terminologien zur Verfügung. (vgl. im Folgenden: ebd. 159–169)
- Spezialdiskurse und Interdiskurse. Spezialdiskurse sind die Diskurse der Wissenschaften. Der Interdiskurs ist die Übereinstimmung verschiedener diskursiver Elemente der einzelnen Spezialdiskurse. (vgl. ebd. 141) Dabei werden alle nicht-wissenschaftliche Diskurse als Bestandteile des Interdiskurses aufgefasst.
- Diskursfragment. Ein Diskursfragment ist ein Text oder Textteil zu einem bestimmten Thema. In einem Text können also mehrere Diskursfragmente zu verschiedenen Themen enthalten sein (vgl. Diskursverschränkung)
- Diskursstrang. Diskursfragmente zum gleichen Thema verbinden sich zu Diskurssträngen. Sie können daher als „thematisch einheitliche Diskursverläufe“ (Jäger 2006, 98) verstanden werden. Jeder Diskursstrang besitzt eine synchrone und eine diachrone Ebene. Ein synchroner Schnitt durch einen Diskursstrang ermittelt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt die Grenzen des Sagbaren waren. Eine diachrone Analyse verfolgt das Ziel den Wandel dieser Grenzen durch einen bestimmten Zeitraum festzustellen.
- Diskursstrangverschränkungen. Diskursstränge treten nie einzeln auf. Stattdessen sind sie miteinander verschränkt, beeinflussen und stützen sich und rufen so besondere diskursive Effekte hervor. Für die Analyse ist es daher auch von Wichtigkeit, nicht nur Diskursfragmente zu dem zu analysierenden Themen zu berücksichtigen, sondern auf Verschränkungen mit anderen Themen zu achten. (vgl. ebd. 99)
- Diskursive Ereignisse und diskursiver Kontext. Alle Ereignisse sind streng genommen diskursiv, da keine Tätigkeit eußerhalb eines Diskurses stattfindet. Als diskursive Ereignisse sind daher nur solche Ereignisse zu begreifen, die große mediale Wirkung entfalten. (Bsp.: Die Kernschmelze im AKW Fukushima oder die Proteste anlässlich der Öffnung der Ehe 2013 in Frankreich) Also Ereignisse, die „Richtung und Qualität des Diskursstranges, zu dem sie gehören, mehr oder minder stark beeinflussen.“ (Jäger 1999, 162) Die Herausarbeitung von diskursiven Ereignissen ist für die Diskursanalyse auch deshalb hilfreich, da sie die Nachzeichnung für den aktuellen diskursiven Kontext ermöglicht, auf den sich ein gegenwärtiger Diskursstrang bezieht.
- Diskursebene. Als Diskursebene werden die sozialen Orte (Politik, Medien, Medizin, Recht…) bezeichnet, von den aus gesprochen wird. Dabei findet intensiver Austausch zwischen den Diskursebenen statt.
- Diskursposition. Die Diskursposition bezeichnet den spezifischen politischen Standort eines Sprechers/Mediums innerhalb eines Diskurses. Sie ist „der Ort, von dem aus eine Beteiligung am Diskurs und seine Bewertung für den Einzelnen […] bzw. für Gruppen und Institutionen erfolgt.“ (M. Jäger 1996, zit. nach ebd. 164) Die Ermittlung von Diskurspositionen ist ebenfalls ein Ziel der Diskursanalyse.
- Gesamtgesellschaftlicher Diskurs. Die Gesamtheit aller Diskursstränge und ihre Verschränkungen in einer Gesellschaft werden als gesamtgesellschaftlicher Diskurs bezeichnet. Bei der Diskursanalyse ist zu bedenken, dass kein Diskursstrang außerhalb des gesamtgesellschaftlichen Diskurses existieren kann und jeder einzelne damit eine spezifische Rolle spielt.
- Kollektivsymbole. Von Jürgen Link übernimmt Jäger das Konzept der Kollektivsymbole. Link versteht darunter „die Gesamtheit der sogenannten ‚Bildlichkeit‘ einer Kultur, die Gesamtheit ihrer am weitest verbreiteten Allegorien und Emblemen, Metaphern, Exempelfälle, anschauliche Methoden und orientierende Topiken, Vergleiche und Analogien." (Link 1997, 25. Zit. nach Jäger 1996, 133f.) Mit ihnen steht den Mitgliedern einer Gesellschaft ein „Repertoire an Bildern“ (ebd. 133) zur Verfügung, mit denen Wirklichkeit gedeutet wird. Die Gesamtheit dieser Bildlichkeiten einer Gesellschaft bezeichnet Link als Syskoll (System kollektiver Symbole). Am aufschlussreichsten für die Diskursanalyse ist dabei die Verkettung von verschiedenen Symbolen (Katachrese bzw. Bildbruch). (vgl. ebd. 133f.) So verweist bspw. die Metapher der „Flüchtlingslawine“ auf eine Wahrnehmung von Flüchtlingen als eine Art bedrohende Naturkatastrophe, die nicht aufzuhalten ist.
- Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Diskursstränge. Da Diskurse als Strom von Wissen durch die Zeit verstanden werden – d. h. verschiedene Diskurse historisch miteinander verbunden sind – muss die Diskursanalyse dieses zeitliche Moment berücksichtigen.
3.2.2 Vom Diskursstrang zum gesamtgesellschaftlichen Diskurs und Dispositiv
Bevor die Analyse des einzelnen konkreten Diskursfragments beschrieben werden kann, stellt sich in der Praxis erst die Frage, welches Material zum ausgewählten Thema untersucht wird. Zur Gewinnung des Materialcorpus bietet es sich an, auch den diskursiven Kontext bzw. wichtige diskursive Ereignisse, die das Thema betreffen, zu berücksichtigen. Denn „[s]olche diskursiven Ereignisse markieren Höhepunkte der Entwicklung des Diskursstranges und strukturieren ihn.“ (Jäger 1999, 190, Herv. i. O.) Für die Auswahl von Texten (im Fall der Medienanalyse) bietet es sich außerdem an, die Artikel in chronologischer Reihenfolge zu sichten und in einer ersten Voranalyse wichtige Momente (Kollektivsymbole, Schlagworte, Autorin/Autor, Textsorte, Bebilderung,…) festzuhalten. „Auf der Grundlage dieser Analyse wird sodann der gesamte Diskursstrang (z. B. einer Zeitung) erfaßt, inhaltlich genau beschrieben und in seiner Grundstruktur analysiert. Es liegt damit die Strukturanalyse des gesamten betreffenden Diskrusstrangs vor.“ (ebd. 191, Herv. i. O.)
Im Zuge dieser ersten inhaltlichen Analyse sollte deutlich geworden sein, welche Themen und Unterthemen wiederholt auftauchen. In einem nächsten Schritt, so Jäger, geht es daher um die Erfassung der thematischen qualitativen Bandbreite des Diskursstranges, an dessen Ende das Dossier steht. (vgl. ebd. 192) Hierbei taucht durchaus ein Moment quantitativer Forschung auf, da Häufungen bestimmter Themen Rückschlüsse über den Diskursstrang erlauben: „Die bei diesem Prozess sichtbar werdenden Häufungen, die sozusagen als quantitativer Aspekt der Analyse sehr ernst genommen werden sollten, verweisen auf Aufmerksamkeitsschwerpunkte bzw. Trend im betreffenden Diskursstrang“. (ebd.)
In einem nächsten Schritt sollten nun die für einen Diskursstrang typischen Artikel ermittelt werden, um sie der Feinanalyse zuzuführen. Da inzwischen die Häufigkeit von bestimmten (Unter-)Themen durch das Dossier ebenso bekannt ist, wie durch die erste Strukturanalyse „inhaltliche, formale und auch ideologische Schwerpunkte“ (ebd. 193) eines Diskursstranges auf einer Diskursebene (hier: Medien), sollte sich die Auswahl der typischen Artikel nach diesen Erkenntnissen richten. Jäger führt folgende Kriterien zur Auswahl von typischen Artikeln heran (vgl. ebd.):
Die so ermittelten typischen Artikel einer Zeitung sollten am Ende den Diskursstrang durch Entsprechung der obigen Kriterien besonders gut abbilden. Erst jetzt kann die Gesamtanalyse eines Diskursstranges erfolgen, indem die Erkenntnisse aus der Analyse des diskursiven Kontexts, der Strukturanalyse sowie die Ergebnisse der Feinanalyse einzelner typischer Diskursfragmente reflektiert und zusammengeführt werden. (vgl. ebd. 194) Je nach anfänglicher Fragestellung – ob nur ein Medium untersucht wird oder die gesamte Diskursebene „Medien“ – kann nach der Analyse eines Mediums die synoptische Analyse mehrerer Medien erfolgen. (vgl. ebd.) So wird ein ziemlich großer Teil eines Diskursstranges erfasst, was letztlich auch die Vorarbeit für Aussagen über den gesamtgesellschaftlichen Diskurs darstellt: „Diese gesamte Bandbreite des Mediendiskurses gilt es aber zu erfassen, da er in dieser Bandbreite auch auf das Bewußtsein einer ‚Gesellschaft‘ wirkt.“ (ebd.)
Mit dem Ziel, auch gesamtgesellschaftliche Diskurse zu erfassen, hat die Diskursanalyse den Anspruch, Gesellschaftsanalyse zu sein. Diesen Anspruch kann die Diskursanalyse nur einlösen, wenn sie zur Dispositivanalyse wird. (vgl. ebd. Fn. 214, 199) Eine Methodologie der Dispositivanalyse – hier wird die relative Offenheit der methodischen Ausarbeitung der Diskursanalyse deutlich – existiert allerdings erst in Umrissen. Ziel, so Jäger, der Dispositivanalyse ist es, nicht nur das Wissen, das der Diskurs produziert, zu erfassen, sondern auch das Wissen, das in „Handlungen als nichtdiskursiven Praxen“ und „Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen“ die durch diskursive und nicht-diskursive Praxen aufrechterhalten werden, zu erfassen. (Jäger 2006, 108) Ähnlich dem Diskurs besitzt das Dispositiv eine gewisse Festigkeit, unterliegt aber ebenso historischem Wandel. Insbesondere betont Foucault die „strategische Funktion“ (Foucault 1978, 120) des Dispositivs, die darin besteht, auf einen historischen Notstand der Macht zu antworten. Diese Funktion muss dabei ebenso herausgearbeitet werden wie der „prozessierende Zusammenhang von Wissen" (Jäger 2006, 108) zwischen Diskursen, nicht-diskursiven Praxen und in Sichtbarkeiten bzw. Vergegenständlichungen. Dabei stellen sich durchaus einige Probleme. Kann das Wissen, das in gewissen Praxen steht, oftmals durch Nachfragen ermittelt werden, existiert dieser Zugang bei vergegenständlichtem Wissen, etwa einem Gebäude, nicht. Hier kann zunächst das eigene (Alltags-)Wissen als Zugang dienen, meist muss das Verständnis aber über die Befragung von (Fach-)Büchern oder Experten ausgeweitet werden. (vgl. ebd. 111) Bleibt die Darstellung der Dispositivanalyse auch nur skizzenhaft, zeigt sich doch der Grundgedanke darin, nicht nur diskursives Wissen in der Analyse zu berücksichtigen. Jäger betont hier das Fehlen einer expliziten Methode und Verweist auf Foucaults „bastelndes“ Vorgehen. (ebd. 112) [2]
Im Zuge dieser ersten inhaltlichen Analyse sollte deutlich geworden sein, welche Themen und Unterthemen wiederholt auftauchen. In einem nächsten Schritt, so Jäger, geht es daher um die Erfassung der thematischen qualitativen Bandbreite des Diskursstranges, an dessen Ende das Dossier steht. (vgl. ebd. 192) Hierbei taucht durchaus ein Moment quantitativer Forschung auf, da Häufungen bestimmter Themen Rückschlüsse über den Diskursstrang erlauben: „Die bei diesem Prozess sichtbar werdenden Häufungen, die sozusagen als quantitativer Aspekt der Analyse sehr ernst genommen werden sollten, verweisen auf Aufmerksamkeitsschwerpunkte bzw. Trend im betreffenden Diskursstrang“. (ebd.)
In einem nächsten Schritt sollten nun die für einen Diskursstrang typischen Artikel ermittelt werden, um sie der Feinanalyse zuzuführen. Da inzwischen die Häufigkeit von bestimmten (Unter-)Themen durch das Dossier ebenso bekannt ist, wie durch die erste Strukturanalyse „inhaltliche, formale und auch ideologische Schwerpunkte“ (ebd. 193) eines Diskursstranges auf einer Diskursebene (hier: Medien), sollte sich die Auswahl der typischen Artikel nach diesen Erkenntnissen richten. Jäger führt folgende Kriterien zur Auswahl von typischen Artikeln heran (vgl. ebd.):
- Diskursposition der Zeitung
- Thematische Schwerpunkt des Diskursstranges in der betreffenden Zeitung
- Tendenzielle quantitative Verteilung von Unterthemen, die sich aus der Strukturanalyse ergeben hat
- Berichtstil
- Formale Besonderheiten (Kollektivsymbole, Textsorte, Argumentationsstrategie,…)
Die so ermittelten typischen Artikel einer Zeitung sollten am Ende den Diskursstrang durch Entsprechung der obigen Kriterien besonders gut abbilden. Erst jetzt kann die Gesamtanalyse eines Diskursstranges erfolgen, indem die Erkenntnisse aus der Analyse des diskursiven Kontexts, der Strukturanalyse sowie die Ergebnisse der Feinanalyse einzelner typischer Diskursfragmente reflektiert und zusammengeführt werden. (vgl. ebd. 194) Je nach anfänglicher Fragestellung – ob nur ein Medium untersucht wird oder die gesamte Diskursebene „Medien“ – kann nach der Analyse eines Mediums die synoptische Analyse mehrerer Medien erfolgen. (vgl. ebd.) So wird ein ziemlich großer Teil eines Diskursstranges erfasst, was letztlich auch die Vorarbeit für Aussagen über den gesamtgesellschaftlichen Diskurs darstellt: „Diese gesamte Bandbreite des Mediendiskurses gilt es aber zu erfassen, da er in dieser Bandbreite auch auf das Bewußtsein einer ‚Gesellschaft‘ wirkt.“ (ebd.)
Mit dem Ziel, auch gesamtgesellschaftliche Diskurse zu erfassen, hat die Diskursanalyse den Anspruch, Gesellschaftsanalyse zu sein. Diesen Anspruch kann die Diskursanalyse nur einlösen, wenn sie zur Dispositivanalyse wird. (vgl. ebd. Fn. 214, 199) Eine Methodologie der Dispositivanalyse – hier wird die relative Offenheit der methodischen Ausarbeitung der Diskursanalyse deutlich – existiert allerdings erst in Umrissen. Ziel, so Jäger, der Dispositivanalyse ist es, nicht nur das Wissen, das der Diskurs produziert, zu erfassen, sondern auch das Wissen, das in „Handlungen als nichtdiskursiven Praxen“ und „Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen“ die durch diskursive und nicht-diskursive Praxen aufrechterhalten werden, zu erfassen. (Jäger 2006, 108) Ähnlich dem Diskurs besitzt das Dispositiv eine gewisse Festigkeit, unterliegt aber ebenso historischem Wandel. Insbesondere betont Foucault die „strategische Funktion“ (Foucault 1978, 120) des Dispositivs, die darin besteht, auf einen historischen Notstand der Macht zu antworten. Diese Funktion muss dabei ebenso herausgearbeitet werden wie der „prozessierende Zusammenhang von Wissen" (Jäger 2006, 108) zwischen Diskursen, nicht-diskursiven Praxen und in Sichtbarkeiten bzw. Vergegenständlichungen. Dabei stellen sich durchaus einige Probleme. Kann das Wissen, das in gewissen Praxen steht, oftmals durch Nachfragen ermittelt werden, existiert dieser Zugang bei vergegenständlichtem Wissen, etwa einem Gebäude, nicht. Hier kann zunächst das eigene (Alltags-)Wissen als Zugang dienen, meist muss das Verständnis aber über die Befragung von (Fach-)Büchern oder Experten ausgeweitet werden. (vgl. ebd. 111) Bleibt die Darstellung der Dispositivanalyse auch nur skizzenhaft, zeigt sich doch der Grundgedanke darin, nicht nur diskursives Wissen in der Analyse zu berücksichtigen. Jäger betont hier das Fehlen einer expliziten Methode und Verweist auf Foucaults „bastelndes“ Vorgehen. (ebd. 112) [2]
3.2.3 Die Feinanalyse von Diskursfragmenten
Um vor das Problem des übergroßen Datenmaterials gestellt zu werden, muss die Forscherin/der Forscher nicht eine Dispositivanalyse durchführen. Bereits bei der Herausarbeitung eines Diskursstrangs aus dem Gewimmel des gesamtgesellschaftlichen Diskurses, kann schon aus forschungspragmatischen Gründen nicht die Gesamtheit aller Diskursfragmente zu einem Thema analysiert werden. Die Feinanalyse verfolgt den „Zweck, in Rückkoppelung mit den Strukturanalysen stark verallgemeinernde Aussagen über einen Diskursstrang in einer bestimmten Zeitung etc. vornehmen zu können, ohne ‚vom Material erschlagen‘ zu werden.“ (Jäger 1999, 193)
Nach Auswahl eines Themas und der zu untersuchenden Diskursebene (hier: Medien) sowie der ersten Strukturanalyse des Diskursstranges durch Voranalyse und der Erfassung der qualitativen Bandbreite des Diskursstranges im Dossier, kann die Feinanalyse typischer Diskursfragmente beginnen. Hierzu arbeitet Jäger fünf Punkte der Materialaufbearbeitung heraus. (vgl. ebd. 174) Dabei sollen diese Punkte mehr als Orientierung und Anregung verstanden werden und nicht als „schematisch anwendbare Methode“. (Jäger 2006, 112)
1. Analyse des institutionellen Rahmens
„Jedes Diskursfragment steht in einem unmittelbaren institutionellen Kontext“. (Jäger 199, 176) Für die Medienanalyse bedeutet dies eine Charakterisierung des Mediums, in welchem der Text veröffentlicht wurde. Dabei sollten allgemeine Merkmale wie die Zielgruppe des Mediums, Bestimmung der Textsorte ebenso Beachtung finden wie etwa die konkrete Gestaltung oder Qualität des Materials (bei Printmedien). (vgl. ebd. 176) Auch wenn die Diskursanalyse gerade das Überindividuelle, Soziale – eben den Diskurs – ermitteln möchte, müssen auch die Autorin/der Autor bei der Analyse berücksichtigt werden (vgl. zur Vermittlung von Subjekt und Objekt oben). Dies geschieht etwa durch eine vorläufige Bestimmung der Diskursposition, durch Sichtung anderer Veröffentlichungen, Einschätzung des Bekanntheitsgrades usw. (vgl. ebd. 177)
2. Analyse der Textoberfläche
Dies bedeutet zunächst eine Analyse der Textstruktur. Also die Gliederung in Abschnitte, Absätze ebenso wie die Berücksichtigung von Überschriften. Über Inhaltsangaben von einzelnen (Sinn-)Abschnitten soll die Argumentationsstruktur ermittelt werden. „Dabei geht es nicht um die Autorenintention, die anzustellenden Vermutungen über die angezielte Wirkungsabsicht eines Autors/ einer Autorin können aber Hinweise geben“. (ebd. 178) Dabei können bereits erste Diskursverschränkungen ermittelt werden. Darüber hinaus kann in diesem Analyseschritt das Layout des Artikels berücksichtigt werden. Dies beinhaltet die Bedeutung, die etwa Schrift, Hervorhebungen, Platzierung von Graphiken, Bildern (Fotos, Karikaturen,…) für die Aussage des Textes haben. (vgl. ebd. 179)
3. Analyse der sprachlich-rhetorischen Mittel
Hier geht es um eine tiefergehende Analyse der Textstruktur. Also etwa die Frage, wie die einzelnen inhaltlichen Abschnitte miteinander (logisch) verknüpft werden – bspw. durch „Relativierung, Verleugnung, Nahelegung, Sprünge“. (ebd. 183) Gibt es Gliederungsschemata, die an bekannte Formen erinnern (bspw. literarische Gattungen, spezifische journalistische Textsorten)? (vgl. ebd. 179f.) So sollten auch die zugrundeliegenden Operationalisierungen (im Sinne Leontjews) des Textes herausgearbeitet werden, um „die ‚abgestorbenen Handlungen‘, die dem durchschnittlichen Sprecher selbst kaum […] bewußt sein mögen, zu ‚revitalisieren‘. (ebd. 180.) Hierzu kann es sich als nützlich erweisen, zu erarbeiten, inwiefern der Text Bezug auf Kollektivsymbole nimmt oder Katachresen aufweist. Dabei kann besonders auf die Bildlichkeit und Anspielungen der Sprache eingegangen werden (Bsp.: Bezüge zu Literatur, Antike, Märchen,…) aber auch die Verwendung eines bestimmten Jargons oder Implikate sollten berücksichtigt werden (vgl. ebd. 180f.), da auch diese bestimmten diskursiven Inhalt aufweisen. (Anspielungen auf die griechische Antike z. B. können auf einen humanistischen, bildungsbürgerlichen Standpunkt verweisen.) In einem weiteren, feingliedrigeren Schritt können systematisch alle Substantive nach Bedeutungsfeldern und Konnotationen geordnet werden. Auch die genaue Sichtung aller Pronomen, Verben (insbesondere deren Tempi) und Adjektive kann vorgenommen werden. (vgl. ebd. 183)
4.Analyse der inhaltlich-ideologischen Aussagen
In diesem Schritt können Einschätzungen hinsichtlich der Diskursposition über Aussagen bezüglich des Gesellschaftsverständnisses, Menschenbilds, Positionen zu Technik, Ökologie usw. getroffen werden. (vgl. ebd. 184)
5.Interpretation des Diskursfragments
Die vorangegangenen Schritte stellen die Vorarbeit für die eigentliche Interpretation des Diskursfragments dar. „Das heißt, alle festgestellten (wichtigen) Fakten, die sozialen und sprachlichen Besonderheiten müssen im Zusammenhang gesehen werden.“ (ebd. 184) Entscheidend ist dabei die vom Text erzielte Wirkung (die durch die unterschiedliche Einbindung der Leserin/des Lesers in die Diskurse unterschiedlich sein kann) – nicht die Intention von Autorin oder Autor. Es geht darum, das einzelne Fragment als Teil des größeren Diskurse zu verstehen, als Besonderes, das aber nur eine andere Form des Allgemeinen ist: „Als Fragment eines Diskurses steht der Text in gewisser Weise als Exemplar seiner Gattung da“. (ebd.) Um diese Allgemeinheit zu erfassen ist es notwendig, mehrere Texte zugleich zu untersuchen, um das „Gattungshafte“ des einzelnen Textes erkennen zu können. Auch hier möchte Jäger kein Schema liefern, das bei der Analyse befolgt wird, sondern gibt eine Reihe von Fragen, die beantwortet werden können: (vgl. ebd. 185)
Bedacht werden sollte bei der Analyse immer, dass auch die Forscherin/der Forscher nicht außerhalb des Diskurses tätig sein kann, also weder interpretieren noch denken. Jäger empfiehlt daher, diese (notwendigen) Interpretationen bzw. Bedeutungszuschreibungen während der Analyseschritte schriftlich festzuhalten. Gerade für den letzten Schritt – die Gesamtinterpretation des Diskursfragments – können sich diese Notizen zur individuellen Bedeutungszuweisung bspw. von Kollektivsymbolen als nützlich erweisen. (vgl. ebd. 186f.) [3]
Nach Auswahl eines Themas und der zu untersuchenden Diskursebene (hier: Medien) sowie der ersten Strukturanalyse des Diskursstranges durch Voranalyse und der Erfassung der qualitativen Bandbreite des Diskursstranges im Dossier, kann die Feinanalyse typischer Diskursfragmente beginnen. Hierzu arbeitet Jäger fünf Punkte der Materialaufbearbeitung heraus. (vgl. ebd. 174) Dabei sollen diese Punkte mehr als Orientierung und Anregung verstanden werden und nicht als „schematisch anwendbare Methode“. (Jäger 2006, 112)
1. Analyse des institutionellen Rahmens
„Jedes Diskursfragment steht in einem unmittelbaren institutionellen Kontext“. (Jäger 199, 176) Für die Medienanalyse bedeutet dies eine Charakterisierung des Mediums, in welchem der Text veröffentlicht wurde. Dabei sollten allgemeine Merkmale wie die Zielgruppe des Mediums, Bestimmung der Textsorte ebenso Beachtung finden wie etwa die konkrete Gestaltung oder Qualität des Materials (bei Printmedien). (vgl. ebd. 176) Auch wenn die Diskursanalyse gerade das Überindividuelle, Soziale – eben den Diskurs – ermitteln möchte, müssen auch die Autorin/der Autor bei der Analyse berücksichtigt werden (vgl. zur Vermittlung von Subjekt und Objekt oben). Dies geschieht etwa durch eine vorläufige Bestimmung der Diskursposition, durch Sichtung anderer Veröffentlichungen, Einschätzung des Bekanntheitsgrades usw. (vgl. ebd. 177)
2. Analyse der Textoberfläche
Dies bedeutet zunächst eine Analyse der Textstruktur. Also die Gliederung in Abschnitte, Absätze ebenso wie die Berücksichtigung von Überschriften. Über Inhaltsangaben von einzelnen (Sinn-)Abschnitten soll die Argumentationsstruktur ermittelt werden. „Dabei geht es nicht um die Autorenintention, die anzustellenden Vermutungen über die angezielte Wirkungsabsicht eines Autors/ einer Autorin können aber Hinweise geben“. (ebd. 178) Dabei können bereits erste Diskursverschränkungen ermittelt werden. Darüber hinaus kann in diesem Analyseschritt das Layout des Artikels berücksichtigt werden. Dies beinhaltet die Bedeutung, die etwa Schrift, Hervorhebungen, Platzierung von Graphiken, Bildern (Fotos, Karikaturen,…) für die Aussage des Textes haben. (vgl. ebd. 179)
3. Analyse der sprachlich-rhetorischen Mittel
Hier geht es um eine tiefergehende Analyse der Textstruktur. Also etwa die Frage, wie die einzelnen inhaltlichen Abschnitte miteinander (logisch) verknüpft werden – bspw. durch „Relativierung, Verleugnung, Nahelegung, Sprünge“. (ebd. 183) Gibt es Gliederungsschemata, die an bekannte Formen erinnern (bspw. literarische Gattungen, spezifische journalistische Textsorten)? (vgl. ebd. 179f.) So sollten auch die zugrundeliegenden Operationalisierungen (im Sinne Leontjews) des Textes herausgearbeitet werden, um „die ‚abgestorbenen Handlungen‘, die dem durchschnittlichen Sprecher selbst kaum […] bewußt sein mögen, zu ‚revitalisieren‘. (ebd. 180.) Hierzu kann es sich als nützlich erweisen, zu erarbeiten, inwiefern der Text Bezug auf Kollektivsymbole nimmt oder Katachresen aufweist. Dabei kann besonders auf die Bildlichkeit und Anspielungen der Sprache eingegangen werden (Bsp.: Bezüge zu Literatur, Antike, Märchen,…) aber auch die Verwendung eines bestimmten Jargons oder Implikate sollten berücksichtigt werden (vgl. ebd. 180f.), da auch diese bestimmten diskursiven Inhalt aufweisen. (Anspielungen auf die griechische Antike z. B. können auf einen humanistischen, bildungsbürgerlichen Standpunkt verweisen.) In einem weiteren, feingliedrigeren Schritt können systematisch alle Substantive nach Bedeutungsfeldern und Konnotationen geordnet werden. Auch die genaue Sichtung aller Pronomen, Verben (insbesondere deren Tempi) und Adjektive kann vorgenommen werden. (vgl. ebd. 183)
4.Analyse der inhaltlich-ideologischen Aussagen
In diesem Schritt können Einschätzungen hinsichtlich der Diskursposition über Aussagen bezüglich des Gesellschaftsverständnisses, Menschenbilds, Positionen zu Technik, Ökologie usw. getroffen werden. (vgl. ebd. 184)
5.Interpretation des Diskursfragments
Die vorangegangenen Schritte stellen die Vorarbeit für die eigentliche Interpretation des Diskursfragments dar. „Das heißt, alle festgestellten (wichtigen) Fakten, die sozialen und sprachlichen Besonderheiten müssen im Zusammenhang gesehen werden.“ (ebd. 184) Entscheidend ist dabei die vom Text erzielte Wirkung (die durch die unterschiedliche Einbindung der Leserin/des Lesers in die Diskurse unterschiedlich sein kann) – nicht die Intention von Autorin oder Autor. Es geht darum, das einzelne Fragment als Teil des größeren Diskurse zu verstehen, als Besonderes, das aber nur eine andere Form des Allgemeinen ist: „Als Fragment eines Diskurses steht der Text in gewisser Weise als Exemplar seiner Gattung da“. (ebd.) Um diese Allgemeinheit zu erfassen ist es notwendig, mehrere Texte zugleich zu untersuchen, um das „Gattungshafte“ des einzelnen Textes erkennen zu können. Auch hier möchte Jäger kein Schema liefern, das bei der Analyse befolgt wird, sondern gibt eine Reihe von Fragen, die beantwortet werden können: (vgl. ebd. 185)
- Welche Botschaft vermittelt dieses Diskursfragment?
- Welche sprachlichen Mittel werden benutzt und wie wirken sie?
- Welche Zielgruppe wird angesprochen?
- Auf welche Weise möchte die Autorin/der Autor auf den hegemonialen Diskurs einwirken?
- In welchem diskursiven Kontext steht das Diskursfragment? Genauer: Welche gesellschaftlichen Bedingungen liegen dem Text zu Grunde? Wird Bezug auf bestimmte diskursive Ereignisse genommen?
Bedacht werden sollte bei der Analyse immer, dass auch die Forscherin/der Forscher nicht außerhalb des Diskurses tätig sein kann, also weder interpretieren noch denken. Jäger empfiehlt daher, diese (notwendigen) Interpretationen bzw. Bedeutungszuschreibungen während der Analyseschritte schriftlich festzuhalten. Gerade für den letzten Schritt – die Gesamtinterpretation des Diskursfragments – können sich diese Notizen zur individuellen Bedeutungszuweisung bspw. von Kollektivsymbolen als nützlich erweisen. (vgl. ebd. 186f.) [3]
4 Kritik der Kritischen Diskursanalyse
Die Diskursanalyse Jägers versteht sich explizit als eine kritische. Folgt man jedoch Foucault – was Jäger definitiv tut – und geht davon aus, dass Wahrheit nur als diskursiver Effekt existiert, d. h. historisch, ortsgebunden und relativ ist, stellt sich die Frage, auf welcher Basis Kritik geübt werden kann. (vgl. ebd. 215) Die Relativität von Wahrheit soll in diesem letzten Abschnitt zunächst auf das Kritikverständnis und abschließend auf das Problem der Repräsentativität bezogen werden.
4.1 Die Kritik der Diskursanalyse
In einem Interview erklärt Foucault: „Die Geschichte hat keinen ‚Sinn‘, was nicht heißen soll, daß sie absurd oder inkohärent ist. Im Gegenteil, sie ist intelligibel und muß bis in ihr allerkleinstes Detail hinein analysierbar sein: jedoch entsprechend der Intelligibilität der Kämpfe, der Strategien und der Taktiken.“ (Foucault 1978, 29) Aufgabe der Diskursanalyse ist es daher, jedes objektivistische Denken zu kritisieren, das sich durch die Angabe eines letzten Grundes (Gott, Natur, Kapital,…) mystifizieren muss und so den Menschen als alleinigen Urheber der Geschichte und jeder Bedeutung ignoriert. (vgl. Jäger 1999, 221) Es geht daher um das Aufbrechen jeder für überhistorisch gehaltene Macht-Wissen-Konstellation. Gesellschaft kann daher nicht kausal-logisch, sondern nur sozio-historisch erklärt werden. (vgl. 220f.)
Da Diskurse immer als historisch entstandene, von Menschen (z. T. unbewusst) gemachte Strukturen verstanden werden, die sich durch die Verknüpfung von Macht-Wissen und Wahrheit auszeichnen, ist jede Analyse von Diskursen bereits kritisch:
„Bereits die Erfassung der Diskurse fördert eine kritische Perspektive zu Tage, indem dabei die impliziten und nicht gesagten Voraussetzungen und als Wahrheiten vertretenen Setzungen oder zu Unrecht Konsens beanspruchenden Aussagen oder falsche Verallgemeinerungen und dementsprechende Fluchtlinien etc. sichtbar gemacht werden können. Diskursanalyse zeigt also, mit welchen Mitteln und für welche ‚Wahrheiten‘ in einer Bevölkerung Akzeptanz geschaffen wird was als normal und nicht normal zu gelten habe was sagbar (und tubar) ist und was nicht.“ (ebd. 223)
Dies wäre eine Form von Kritik, die dem Unternehmen Diskursanalyse inhärent ist. In seinem Vortrag Was ist Kritik? geht Foucault jedoch über diese Bestimmung hinaus und versteht Kritik als die Frage: „Wie ist es möglich, daß man nicht derartig, im Namen dieser Prinzipien da, zu solchen Zwecken und mit solchen Verfahren regiert wird – daß man nicht so und nicht dafür und nicht von denen da regiert wird.“ (Foucault 1992, 11f.) Dieses Vorhaben kann auch als der Versuch bezeichnet werden, Gegendiskurse zu etablieren. (vgl. Jäger 1999, 223) Dieser Versuch liegt bereits in der Themenauswahl. Darüber hinaus führt Jäger die „(nur teilweise Wieder-)Entdeckung einer menschlichen Vernunft, die sich nicht instrumentell und nur rational auf Subjekt und Objekt bezieht“ (ebd. 225) an, um mit dieser Vernunft die tatsächlichen gesellschaftlichen Wirkungen von Diskursen zu erkennen „in der Absicht, menschliche Verhältnisse zu verbessern“ (ebd.) Kritik ist insofern Haltung, Tugend und Ethos und „nicht ein gedankliches Tun, das sich darauf berufen kann über die Wahrheit zu verfügen.“ (ebd.) [4] Die Frage nach Wahrheit ist daher auch „kein wissenschaftsinternes Problem […], sondern ein gesellschaftlich-humanes.“ (ebd. 227) Diesem Wahrheitsverständnis folgt dementsprechend die Anerkennung eines „moralischer Pluralismus“ (ebd. 230) – die Kritik der Diskursanalyse ist somit auch „gesellschaftsspezifisch und gesellschaftsimmanent“. (ebd.) Nach Jäger besteht die vornehmste Aufgabe der Diskursanalyse daher auch in der Konfrontation von vorhandenen moralischen Vorstellungen in einer Gesellschaft mir der herrschenden Moral, um so auf Diskrepanzen hinzuweisen und Veränderung anzuregen. Außerdem kann die Diskursanalyse auf die „Relativität der unterschiedlichen Konstrukte der Welterklärung“ hinweisen, woraufhin „Modelle toleranter Kritik und Auseinandersetzung“ entwickelt werden können. (ebd. 232)
Da Diskurse immer als historisch entstandene, von Menschen (z. T. unbewusst) gemachte Strukturen verstanden werden, die sich durch die Verknüpfung von Macht-Wissen und Wahrheit auszeichnen, ist jede Analyse von Diskursen bereits kritisch:
„Bereits die Erfassung der Diskurse fördert eine kritische Perspektive zu Tage, indem dabei die impliziten und nicht gesagten Voraussetzungen und als Wahrheiten vertretenen Setzungen oder zu Unrecht Konsens beanspruchenden Aussagen oder falsche Verallgemeinerungen und dementsprechende Fluchtlinien etc. sichtbar gemacht werden können. Diskursanalyse zeigt also, mit welchen Mitteln und für welche ‚Wahrheiten‘ in einer Bevölkerung Akzeptanz geschaffen wird was als normal und nicht normal zu gelten habe was sagbar (und tubar) ist und was nicht.“ (ebd. 223)
Dies wäre eine Form von Kritik, die dem Unternehmen Diskursanalyse inhärent ist. In seinem Vortrag Was ist Kritik? geht Foucault jedoch über diese Bestimmung hinaus und versteht Kritik als die Frage: „Wie ist es möglich, daß man nicht derartig, im Namen dieser Prinzipien da, zu solchen Zwecken und mit solchen Verfahren regiert wird – daß man nicht so und nicht dafür und nicht von denen da regiert wird.“ (Foucault 1992, 11f.) Dieses Vorhaben kann auch als der Versuch bezeichnet werden, Gegendiskurse zu etablieren. (vgl. Jäger 1999, 223) Dieser Versuch liegt bereits in der Themenauswahl. Darüber hinaus führt Jäger die „(nur teilweise Wieder-)Entdeckung einer menschlichen Vernunft, die sich nicht instrumentell und nur rational auf Subjekt und Objekt bezieht“ (ebd. 225) an, um mit dieser Vernunft die tatsächlichen gesellschaftlichen Wirkungen von Diskursen zu erkennen „in der Absicht, menschliche Verhältnisse zu verbessern“ (ebd.) Kritik ist insofern Haltung, Tugend und Ethos und „nicht ein gedankliches Tun, das sich darauf berufen kann über die Wahrheit zu verfügen.“ (ebd.) [4] Die Frage nach Wahrheit ist daher auch „kein wissenschaftsinternes Problem […], sondern ein gesellschaftlich-humanes.“ (ebd. 227) Diesem Wahrheitsverständnis folgt dementsprechend die Anerkennung eines „moralischer Pluralismus“ (ebd. 230) – die Kritik der Diskursanalyse ist somit auch „gesellschaftsspezifisch und gesellschaftsimmanent“. (ebd.) Nach Jäger besteht die vornehmste Aufgabe der Diskursanalyse daher auch in der Konfrontation von vorhandenen moralischen Vorstellungen in einer Gesellschaft mir der herrschenden Moral, um so auf Diskrepanzen hinzuweisen und Veränderung anzuregen. Außerdem kann die Diskursanalyse auf die „Relativität der unterschiedlichen Konstrukte der Welterklärung“ hinweisen, woraufhin „Modelle toleranter Kritik und Auseinandersetzung“ entwickelt werden können. (ebd. 232)
4.2 Probleme der Kritischen Diskursanalyse
Ganz überzeugend scheint diese Erklärung der kritischen Momente jedoch nicht. Jäger weist selbst daraufhin, dass der kritischen Haltung des Diskursanalytikers die Entscheidung darüber „daß die Anwesenheit von Menschen auf dieser Welt irgendeinen Sinn macht oder als richtig, gut, usw. angesehen wird“ (ebd. 227) vorausgeht. Die Relativität von Wahrheit konsequent auch auf diese Ansicht zu beziehen, entzieht der Begründung von Kritik jeglichen Boden. Übrig bleibt eine – an Carl Schmitt erinnernde – Betonung der Entscheidung („Die Entscheidung ist normativ aus einem Nichts geboren.“ (Schmitt 2009, 38)) und der Austragung der Wahrheit im praktischen und politischen "Kampf". Manfred Dahlmann hat auf dieses Problem hingewiesen:
„Wo es allein um ein historisches, subjektloses Verhältnis der Mächte zu den ihrer ‚Objektivität entkleideten Körpern‘ geht, gibt es weder ein subjektives noch ein objektives Kriterium mehr, das irgendetwas als negativ, als schlecht, als böse, als häßlich oder sonstwie werten kann. Jede Negation kann, wie das Subjekt/Objekt-Verhältnis selbst, wiederum nur als Ausdruck spezifischer Machtverhältnisse betrachtet werden – etwa als der Widerstand einer lokalen Macht gegen eine andere. Für die Analyse der Macht heißt das, daß alle Kategorien des Negativen (vor allem der Begriff der Kritik – wie immer auch verstanden) am Problem der Macht vorbeigehen müssen.“ (Dahlmann 2000, 4)
Nicht nur der moralischen Dimension der Diskursanalyse als „Ethos“ oder „Tugend“ bereitet dieser relative Wahrheitsbegriff Schwierigkeiten, er berührt auch die erkenntnistheoretische Dimension und damit das Thema der Repräsentativität. Wenn Wahrheit nur ein diskursiver Effekt ist und das Subjekt ebenfalls Ergebnisse der Diskurse, relativiert sich die Frage nach der Repräsentativität der Ergebnisse der Diskursanalyse wesentlich. (Dabei ändert auch eine Änderung der Begrifflichkeit etwa in "konzeptuelle Repräsentativität" oder "Generalisierbarkeit" nichts.) Diese Relativität, die sich sowohl aus der Stellung des Subjekts, als auch aus der Veränderbarkeit von Wahrheit in der historischen Dimension ergibt, muss bei der Beurteilung der Ergebnisse stets bedacht werden.
„Wo es allein um ein historisches, subjektloses Verhältnis der Mächte zu den ihrer ‚Objektivität entkleideten Körpern‘ geht, gibt es weder ein subjektives noch ein objektives Kriterium mehr, das irgendetwas als negativ, als schlecht, als böse, als häßlich oder sonstwie werten kann. Jede Negation kann, wie das Subjekt/Objekt-Verhältnis selbst, wiederum nur als Ausdruck spezifischer Machtverhältnisse betrachtet werden – etwa als der Widerstand einer lokalen Macht gegen eine andere. Für die Analyse der Macht heißt das, daß alle Kategorien des Negativen (vor allem der Begriff der Kritik – wie immer auch verstanden) am Problem der Macht vorbeigehen müssen.“ (Dahlmann 2000, 4)
Nicht nur der moralischen Dimension der Diskursanalyse als „Ethos“ oder „Tugend“ bereitet dieser relative Wahrheitsbegriff Schwierigkeiten, er berührt auch die erkenntnistheoretische Dimension und damit das Thema der Repräsentativität. Wenn Wahrheit nur ein diskursiver Effekt ist und das Subjekt ebenfalls Ergebnisse der Diskurse, relativiert sich die Frage nach der Repräsentativität der Ergebnisse der Diskursanalyse wesentlich. (Dabei ändert auch eine Änderung der Begrifflichkeit etwa in "konzeptuelle Repräsentativität" oder "Generalisierbarkeit" nichts.) Diese Relativität, die sich sowohl aus der Stellung des Subjekts, als auch aus der Veränderbarkeit von Wahrheit in der historischen Dimension ergibt, muss bei der Beurteilung der Ergebnisse stets bedacht werden.
5 Literatur
Bröckling, Ulrich 2010: „Nichts ist politisch, alles ist politisierbar“ – Michel Foucault und das Problem der Regierung. In: Foucault, Michel: Kritik des Regierens. Schriften zur Politik. Frankfurt a. Main: Suhrkamp. S. 403–439.
Dahlmann, Manfred 2000: Das Rätsel der Macht. Über Michel Foucault. In: Bruhn, Joachim/ders./Nachtmann, Clemens (Hg.): Kritik der Politik. Johannes Agnoli zum 75. Geburtstag. Freiburg: ca ira. S. 83–108. (19.03.2016)
Foucault, Michel 2012: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit. Band 1. 19. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel 1992: Was ist Kritik. Berlin: Merve.
Foucault, Michel 1990: Archäologie des Wissens. 4. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel 1978: Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve.
Jäger, Siegfried 2006: Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse. In: Keller (Hg.) Handbuch sozialwissenschaftlicher Diskursanalyse. Bd. 1. S. 83–114. Wiesbaden: VS.
Jäger, Siegfried 1999: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. 2. Aufl. Duisburg.
Sarasin, Philipp 2012: Michel Foucault. Zur Einführung. 5. Aufl. Hamburg: Junius.
Schmitt, Carl 2009: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität. 9. Aufl. Berlin: Duncker&Humblot.
Dahlmann, Manfred 2000: Das Rätsel der Macht. Über Michel Foucault. In: Bruhn, Joachim/ders./Nachtmann, Clemens (Hg.): Kritik der Politik. Johannes Agnoli zum 75. Geburtstag. Freiburg: ca ira. S. 83–108. (19.03.2016)
Foucault, Michel 2012: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit. Band 1. 19. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel 1992: Was ist Kritik. Berlin: Merve.
Foucault, Michel 1990: Archäologie des Wissens. 4. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Foucault, Michel 1978: Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve.
Jäger, Siegfried 2006: Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse. In: Keller (Hg.) Handbuch sozialwissenschaftlicher Diskursanalyse. Bd. 1. S. 83–114. Wiesbaden: VS.
Jäger, Siegfried 1999: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. 2. Aufl. Duisburg.
Sarasin, Philipp 2012: Michel Foucault. Zur Einführung. 5. Aufl. Hamburg: Junius.
Schmitt, Carl 2009: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität. 9. Aufl. Berlin: Duncker&Humblot.
6 Anhang: Zusammenfassung von Siegfried Jäger 2006: Diskurs und Wissen – theoretische und methodische Aspekte einer kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse
0. Vorbemerkungen
2.Vom Diskurs zum Dispositiv
3.2 Zur Frage der Vollständigkeit von Diskursanalysen
3.3 Kleine Werkzeugkiste zur Durchführung von Diskursanalysen
3.4 Erste Überlegungen zur Analyse von Dispositiven
- Foucaults Diskursanalyse zielt auf folgende Fragen
- Was ist gültiges Wissen?
- Wie kommt es zu Stande und wird vermittelt?
- Funktionen des Wissens für die Konstituierung des Subjekts und der Gesellschaft
- Wissen = Alle Arten von Bewusstseinsinhalten/ Bedeutungen (mit denen historische Menschen Umgebung gestalten) erhalten Menschen aus den Diskursen in die sie eingebettet sind; d.h. sowohl Alltags als auch wissenschaftliches Wissen
- Anknüpfen an Jürgen Links Ansatz der Diskursanalyse für Kulturwissenschaft:
- a. auf aktuelle Diskurse die herrschaftslegitimierend wirken
- In Anschluss an Jürgen Link:
- Def.: Diskurs: "institutionell verfestigte Redeweise, insofern eine solche Redeweise schon Handeln bestimmt und verfestigt und also auch schon Macht ausübt." (84)
- Diskurs als Fluss von Wissen bzw. sozialen Wissensvorräten durch die Zeit, der individuelles und gesellschaftliches Handeln bestimmt wodurch er Macht ausübt.
- Diskurse als Materialität sui generis
- Nicht Ausdruck bestimmter Praxis, sondern als Mittel der Machtausübung
- Kritische Diskursanalyse:
- Kritik durch Analyse: Aufzeigen von Grenzen der Sag- und Machbarkeit, der Historizität d.h. der Relativität von Wahrheit
- Wissenschaftler steht nie außerhalb der Diskurse; Parteinahme kann sich nicht auf Wahrheit berufen
- Diskursanalyse erfasst das, was jeweils Sagbar ist in seiner qualitativen Bandbreiteund Häufigkeit (qualitativ und quantitativ)
- Aber auch Techniken/Strategien mit denen das Feld des Sagbaren ausgeweitet/ eingeengt werden kann (Relativierung, Verleugnung, Enttabuisierung)
- Vielzahl (Gewimmel) an Diskursen in die das Subjekt eingebettet ist: schafft Voraussetzungen für es. Analyse geht es um entwirren dieses Gewimmels
- Diskurse haben auch die Macht neue Diskurse zu induzieren
- Symbole als Bindemittel der Diskurse d.h. „kulturelle Stereotypen (häufig Topoi genannt) die kollektiv tradiert und benutzt werden“ (86) v.a. Untersuchung von Bildbrüchen (Katachresen)
- Diskurs/Macht Verhältnis
- Foucaults zentrale Frage: Wie ist die Produktion von Diskursen an Machtmechanismen –institutionen gebunden?
- Diskurse nicht identisch mit Wirklichkeit; vielmehr entwickeln sie ein Eigenleben, obwohl sie Wirklichkeit Prägen und gestalten
- -> Materialität sui generis (Diskursanalyse als materialistische Theorie)
- Diskurs/Individuum
- determinieren also durch die handelnden Subjekte hindurch die Realität d.h. Diskurs ist überindividuell: „Das Individuum macht den Diskurs nicht, eher ist das Umgekehrte der Fall.“ 88
- enthält ein „Mehr“ an Wissen als dem einzelnen zugänglich ist, in seiner historischen Ablagerungsprozessen
- Da Diskurse andere D. induzieren und so den Gesamtdiskurs Strukturen, tritt das Individuum stark in den Hintergrund (macht Diskursanalyse für qualitative Forschung interessant) -> Genealogie: „eine Form der Geschichte, die von der Konstitution davon Wissen, von Diskursen von Gegenstandsfeldern usw. berichtet, ohne sich auf ein Subjekt beziehen zu müssen.“ (89)
- „Freiheit innerhalt der diskursiven Vorgaben“ „nicht gegen Subjekt, sondern gegen Subjektivismus und Individualismus“ (ebd.)
- Diskurs und Sprache
- Wenn Sprechen als Teil menschlicher Tätigkeit verstanden wird liegt Materialität und Machtwirkung vielleicht näher
2.Vom Diskurs zum Dispositiv
- Dispositiv ist das Zusammenspiel von: diskursiven Praxen+ nichtdiskursive Praxen+ Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen
- Wirklichkeit wird durch Bedeutungszuweisung geschaffen
- Wirklichkeit spiegelt sich also nicht im Bewusstsein, sondern das Bewusstsein bezieht sich auf die Wirklichkeit in der Form, wie die Diskurse Applikationsvorgaben machen -> Diskurse beeinflussen die Art was man unter Wirklichkeit versteht/geben Bedeutungen vor (Bsp.: leer stehende Bank)
- Foucault: Diskurse als „Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (90)
- Dispositiv zur Relativierung er Linguistik (91)
- Dispositiv ist die Beziehung zwischen Diskursen und Dingen und nicht diskursiven Praxen ; Foucault kann aber nicht empirisch Anführen worin diese Beziehung besteht; entsteht meisten in einem historischen Notstand -> strategische Funktion
- Weiterer Begriff als episteme (gesagt und geschriebene Wissen) sondern auch der gesamte Wissens-Apparat, die Gründe usw. in Gegenständen Handlungen usw. haust Wissen -> Diskurse und Gegenstände/Wirklichkeit sind wesentlich ineinander verschränkt (92)
- Jäger bezieht sich bei der Einbeziehung von nicht diskursiven Praxen auf die Tätigkeitstheorie Leontjews
- Objektorientierung: Gegenstände haben nicht nur physikalische Eigenschaften, sondern immer auch historisch sozial-kulturelle; was keine Bedeutung hat ist für mich auch nicht existent
- Laclau: Diskursives ist nicht eine Ebene des sozialen, sondern mit ihm identisch
- Leontjew als Mittel Lücke zwischen Diskurs und Wirklichkeit: Wie wann wird Dingen Bedeutung zuwiesen? Wenn aus Bedürfnissen Motive entstehen die Menschen veranlassen zu arbeiten bzw. durch nicht diskursive Praxen
- Das „Mehr“ an Wissen als praktisches, nicht formulierbares Wissen ? (95)
- Jäger relativiert den „im Verbalen verfangenen Diskursbegriff“ Foucaults und verlagert ihn ins Bewusstsein (d.h. Wissen vgl. Def. Am Anfang), das den Ausgangspunkt für die Gestaltung der Wirklichkeit bildet -> Einbau der Tätigkeitstheorie, die zeigen soll, wie Subjekte und Gegenstände miteinander in Beziehung stehen (97)
- Mit Bank innerhalb des Kapitaldispositivs
- Will also das Verhältnis der drei Elemente des Dispositivs genauer fassen: „Sichtbarkeiten als Vergegenständlichungen/Tätigkeiten von Wissen (Diskurs) begreife und die nicht-diskursiven Praxen als tätiges Umsetzen von Wissen“ (ebd.)
- Liste von Standartrepertoire, kann um linguistische Analysen erweitert werden um Texte als Teil von Diskursen zu identifizieren
- Um das „Gewimmel“ der Diskurse zu entwirren
- Spezialdiskurse – Interdiskurs: Spezialdiskurse sind die der Wissenschaften; Interdiskurs alle nicht wissenschaftlichen, erhält aber ständig Elemente des wissenschaftlichen Diskurses
- Diskursstränge
- = thematisch einheitliche Diskursverläufe im gesellschaftlichen Gesamtdiskurs
- Besitzt synchrone (qualitative, endliche Bandbreite; was konnte zu einem bestimmten Zeitpunkt gesagt werden) und diachrone Dimension
- Diskursfragmente
- =Text(teil) der ein bestimmtes Thema behandelt
- Diskursfragmente verbinden sich zu Diskurssträngen
- Diskursstrang-Verschränkungen
- d. h. ein Text kann Bezüge zu mehreren Diskursen haben; wenn ein Text mehrere Anspricht, aber auch, wenn nur ein Thema, bei dem Bezüge zu anderen vorgenommen wurden
- Diskursive Knoten: verknüpfen Diskursstränge , leichte Form der Verschränkung
- Diskursive Ereignisse und diskursiver Kontext
- Alle Ereignisse haben diskursive Wurzeln, d.h. sie lassen sich auf bestimmte diskursive Konstellationen zurückführen, deren Vergegenständlichung sie sind
- Diskursive Ereignisse sind aber nur solche, die politisch, d.h. auch medial besonderre Rolle spielen; d.h. den Diskursstrang zu dem sie gehören beeinflussen
- Diskursanalysen können ermitteln, ob solche Ereignisse zu diskursiven Ereignissen werden (hängt von politisch-medialen Konjunkturen ab, bzw. wie Diskursstränge gerade verlaufen: diskursiver Kontext – ein synchroner Schnitt, mit historischer Rückbindung)
- Diskursebenen
- Diskursstränge operieren auf verschiedenen Diskursebenen: Wissenschaft, Politik, Medien, Alltag, usw.
- Auch soziale Orte, von denen aus gesprochen wird
- Interdependenz: Eben wirken, beziehen, nutzen einander
- Diskurspositionen
- = spezifischer ideologischer Standort einer Person/Mediums
- Nach Margret Jäger: ideologischer Ort, von dem aus eine Beteiligung am Diskurs und seine Bewertung erfolgt; ist Resultat der „Verstricktheit“ des Individuums in verschiedene Diskurse
- Letztlich erst Ergebnisse der Diskursanalyse, häufig aber dem Alltagswissen schon recht klar
- Gesamtgesellschaftlicher Diskurs
- = alle Diskursstränge einer Gesellschaft in ihrer komplexen Verschränktheit
- Wiederum Teil eines (sehr heterogenen) Globalen Diskurses
- Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Diskursstränge
- Diskurse/stränge haben zeitliche Dimension -> Notwendigkeit einer Archäologie, Genealogie um die Prognose von diskursiven Ereignissen zu ermöglichen
- Beispiel für die Analyse des diskursiven Gewimmels
- i.d.R. wird zunächst ein einzelner Diskurssträng auf einer Diskursebene herausgearbeitet z.b. Der mediale Einwanderungs-Diskursstrang; daran knüpfen sich dann die Analyse gleicher Themen auf verschiedenen Diskursebenen an (Politik, Alltag)
- anschließend: in welchem Verhältnis stehen die Diskurse der einzelnen Ebenen?
3.2 Zur Frage der Vollständigkeit von Diskursanalysen
- = Frage nach der Repräsentativität, Verlässlichkeit und Gültigkeit
- Vollständig ist die Analyse dann, wenn keine inhaltlich und formal neuen Erkenntnisse sich ergeben (vgl. theoretical sampling)
- Meist erstaunlich bald
- Quantitativer Aspekt: welche Argumente treten gehäuft auf; qualitativer Aspekt überwiegt
- Möglichkeit längere Zeiträume über mehrere synchrone Schnitte bei diskursiven Ereignissen zu machen und zu vergleichen
3.3 Kleine Werkzeugkiste zur Durchführung von Diskursanalysen
- Auswahl des untersuchten Gegenstandes, Begründung, Vorschläge zur Vermeidung von Simplifikation
- Genaue Verortung der Untersuchung: Überlegen an welchen Orten, (Teil)Ebenen usw. man analysiert
- Warum wird dieser Sektor untersucht? Zeigt er es besonders deutlich, noch keine Untersuchungen
- Zeitpunkt/dauer, synchron, diachron?
- Vorgehensweise
- Knappe Charakterisierung (des Sektors) der Diskursebene: z.b. Printmedien, Frauenzeitschrift,usw.
- Erschließen und Aufbereiten der Materialbasis
- Strukturanalyse: Auswertung der Materialaufarbeitung hinsichtlich des zu untersuchenden Diskursstrangs
- Feinanalyse: eines oder mehrerer Sektoren, ermitteln der Diskurspositionen einer Zeitung, finden eines typischen Artikels
- Gesamtanalyse: alle bisherigen Einzelergebnisse reflektieren und in Gesamtaussage zusammengeführt
- Materialaufbearbeitung
- Synoptische Analyse einzelner Jahrgänge, Ausgaben, daher alle Analysen in gleicher Reihenfolge
- Aufnahme von Ideen, Einfälle (-> theoretical sampling)
- 1.) Ermitteln der Diskursposition des Magazins 2) Ermitteln eines typischen Artikels und dessen Verortung im Diskursstrang 3) Abschließende Interpretation des gesamten untersuchten Diskursstrangs unter Rückbezug auf Materialaufbearbeitung
3.4 Erste Überlegungen zur Analyse von Dispositiven
- vgl. oben: Diskurse als Voraussetzungen für Existenz von Dispositiven, von denen sie auch nicht getrennt werden können
- Dispositiv ist der prozessierende Zusammenhang von Wissen, welches in Sprechen/Denken (Diskursive Praxen, in denen primär Wissen transportiert wird) – Tun (nicht diskursive Praxen, denen Wissen vorausgeht, von ihm begleitet wird) – Vergegenständlichung eingeschlossen ist (vgl. 108)
- Gewisse Festigkeit, aber immer historischen Veränderungen unterworfen
- Interdependenz mit anderen Dispositiven
- Kann mittels synchronen Schnitt untersucht werden: Analyse der drei Eckpunkte des Dispositivs; Berücksichtigung dass ein Diskurs in verschiedenen Dispositiven wirksam ist (Verkehr: Ökonomie, Gesundheit, …) systematisch:
- Rekonstruktion des Wissens der diskursiven Praxen (s.o.)
- sowie der nicht diskursiven und die Rekonstruktion: Mann geht zum Bäcker
- der nichtdiskursiven Praxen, die zu Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen führen und das enthaltene Wissen: zunächst auf eigenes Wissen angewiesen, weitere Recherche (Verlässlichkeit?) -> geht nie um Wahrheiten, sondern immer um Zuweisungen von Bedeutungen, die immer mit Interessen verbunden sind
- Bsp.: Überwachen und Strafen: diskursiv: statistische Erfassungen, biologische Erklärungen usw. – nicht-diskursiv: Handeln z.b. der Henker, Folterknechte – Sichtbarkeiten: Kerker, Gefängnis, Panoptiken
- Faktisch resultiert Rekonstruktion von Wissen immer als Text, umfasst auch die Form des Wissens, breiter Wissensbegriff -> qualitatives Vorgehen
- Probleme:
- Verlässlichkeit und Relativität von Zuschreibungen
- Eigenes Wissen kann nie ausreichen (eigene Einbindung in Dispositive, Diskurse)
- Historizität von wissen und Zuschreibungen
- Machtaspekt: Wo Wissen ist da ist Macht, wo Vergegenständlichung vorliegt, war Macht und Wissen am Werk – Wo Wissen geschwächt werden kann, kann Macht geschwächt werden
- Keine feste methodische Vorgaben (Konzentration auf Diskursanalyse)
[1] Andere diskurstheoretische Ansätze ergänzen Foucaults Konzept stärker um wissenssziologische Elemente.
[2] vgl. hierzu die Punkte 3.2 und 5. des Eintrags zur Grounded Theory.
[3] vgl. die Rolle von Memos im Rahmen der Grounded Theory
[4] Inwiefern eine bestimmte Haltung ohne den Glauben oder wenigstens den Versuch einer Begründung der Wahrheit/Richtigkeit dieser Haltung überhaupt als eine solche bezeichnet werden kann, lässt Jäger offen.