“Ich denk' heut noch oft zurück an meine Straße
An die Alten und die Kids aus meiner Straße
Aus der Platte, die aus meiner Etage
Man hat uns vergessen dort, Anfang der 90er-Jahre
Desolate Lage, jeden Tag mit der Bagage
Frag nicht, was bei mir ging, hing jeden Tag mit der Bagage
Neue bunte Scheine sprechen eine eigne Sprache
Neue bunte Welt erstrahlt in der Leuchtreklame”
In seinem Song „Grauer Beton” verarbeitet der ostdeutsche Musiker Trettmann seine persönlichen Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der DDR und der darauf folgenden Wiedervereinigung 1989/90. Er verdeutlicht darin die enttäuschten Erwartungen, welche ein Teil der ostdeutschen Gesellschaft erlebt hat. Sein Song erschafft das Bild einer kollektiven ostdeutschen Erfahrung und die daraus resultierende Mentalität seiner eigenen Generation.
Welche Relevanz hat die Wende bis heute? Inwiefern prägt sie die deutsche Gesellschaft? Diese Fragen stellt dieses Wiki. Es befasst sich mit unterschiedlichen Aspekten des Transformationsprozesses der Wende. Es entstand im Zuge eines Seminars am Instituts für Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Im Lektüreseminar „Ostdeutsche Transformationsgesellschaft“ haben wir, Studierende der Universität, uns im Wintersemester 2022/2023 mit der Monografie „Lütten Klein – Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft“ von Steffen Mau beschäftigt. Der Soziologe geht darin auf verschiedene Aspekte des Lebens in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, den Zusammenbruch des Staates und den darauffolgenden Wiedervereinigungsprozesses ein. Mau ist selbst in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen. Seine sozialwissenschaftlichen Analysen verbindet er mit autobiografischen Inhalten.
Im Mittelpunkt seines Buches steht die These, dass die teils negativen Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der DDR sowie mit dem Prozess der Einigung bis heute Nachwirkungen zeigen. Dies erläutert er mit dem Begriff der frakturierten Gesellschaft. Der medizinische Begriff Fraktur beschreibt einen Knochenbruch. Soziologisch versinnbildlicht das Adjektiv „frakturiert“ viele kleine Brüche innerhalb einer Gesellschaft, die dazu führen, dass diese weniger belastbar, beweglich und anpassungsfähig ist. Enttäuschte Erwartungen und nicht erfüllte Forderungen der ostdeutschen Bürger:innen während der Wende haben beispielsweise zu solchen Frakturen geführt. Einige Frakturen werden auf verschiedenen Seiten des Wikis beschrieben.
Des Weiteren verwendet Mau im Titel den Begriff der „Transformationsgesellschaft“. Mau verdeutlicht damit, dass die Wende 1989/1990 kein abgeschlossenes historisches Ereignis ist. Die Wende ist ein Prozess, der bereits vor dem Zusammenbruch des Staates begonnen hat und bis heute anhält.
In diesem Wiki werden verschiedene Aspekte des Transformationsprozesses in Ostdeutschland aufgegriffen und näher untersucht. Allerdings erhebt das Wiki keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da es sich um ausgewählte thematische Schwerpunkte handelt. Diese werden weiterführend näher erläutert.
Widerstand und Bürgerbewegungen in der DDR im zeitlichen Überblick
Der politische Widerstand durch Bürger*innen war ein wichtiger Faktor für den Niedergang der Deutschen Demokratischen Republik. Dieses Wiki enthält einen historischen Abriss über die verschiedenen Formen des Widerstands und der Bürgerbewegungen seit Gründung der DDR bis hin zur Friedlichen Revolution.
Kulturelle und soziale Abwertung
Der Zerfall der DDR war für viele Ostdeutsche mit einem Identitätsverlust verbunden. In kurzer Zeit sollten sie sich einem neuen System, einer neuen Regierung und einer neuen Kultur anpassen. In diesem Wiki wird aufgezeigt, inwiefern Ostdeutsche eine kulturelle und soziale Abwertung nach der Wende erfahren haben.
Vorurteile im Wandel und Diskurs zur Zeit der Wende
Auch dieses Wiki beschäftigt sich mit der Abwertung von Ostdeutschen durch westdeutsche Bürger:innen. Die gängigen Vorurteile gegenüber Ostdeutschen, aber auch die gegenüber Westdeutschen werden aufgegriffen. Dabei geht es auch um die typischen Bezeichnungen „Ossi“ und „Wessi“.
Das Wiki Das Grundkonzept der sozialistischen Idee von Arbeit in der DDR und die Auswirkungen auf die Nachwendezeit der ostdeutschen Arbeitswelt thematisiert die Auffassung von Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik. Dabei wird auch die wirtschaftliche Umstrukturierung in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung thematisiert und deren gesellschaftliche Auswirkungen.
Geschlechterverhältnisse in der DDR mit Fokus auf die ostdeutsche Frau
In Debatten über Geschlechterverhältnisse wird häufig auf die Gleichstellungspraxis der DDR hingewiesen. Die Frage, ob ein Gleichstellungsvorsprung in der DDR gegenüber der BRD herrschte, ist Thema dieses Wikis. Zudem wird die Darstellung ,der‘ ostdeutschen Frau genauer betrachtet. Diese reicht vom Idealbild als „erwerbstätige Mutter“, wie es in der SED propagiert wurde, über abwertende Bezeichnungen als unreflektierte „Ost-Mutti“ bis hin zur emanzipierten starken Ostfrau.
Rollenbilder im Wandel und Diskurs zur Zeit der Wende
Ergänzend dazu betrachtet dieses Wiki die Rollenbilder zur Zeit der Wiedervereinigung. Dabei wird zunächst der Begriff Rollenbild definiert und ein Vergleich der Geschlechterrollen zwischen Ost und West gezogen. Anschließend wird neben der ostdeutschen Frau auch der ostdeutsche Mann und mögliche Erklärungen für die verbreiteten Geschlechterrollen betrachtet.
Fünf Wikis beschäftigen sich mit unterschiedlichen marginalisierten Perspektiven in der DDR und heute. Die Autor*innen positionieren sich kritisch gegenüber Maus Studie, in der viele Perspektiven zu kurz kommen. Nach einem einführenden Wiki zu marginalisierten Perspektiven, das die Ausgangslage und Rahmenbedingungen skizziert, setzen sich die vier folgenden Beiträge exemplarisch mit einigen Perspektiven im und auf den ostdeutschen Transformationsprozess auseinander, die keinen Eingang in Maus Buch gefunden haben:
- Jüdische Migrationsbewegungen in Ostdeutschland und dem wiedervereinigten Deutschland ab 1945
- Kampf um Sichtbarkeit: Zur Ost-Berliner Gruppe Lesben in der Kirche (1982-1989)
- Migrantische Perspektiven aus der BRD auf die Wende und die Wiedervereinigung
- Migrantische Perspektiven im ostdeutschen Transformationsprozess (DDR)
Das Wiki behandelt die Veränderung des deutschen Identitätsverständnisses und die Frage, wie diese deutsch-nationale Identität als Vereinigungsstrategie der Wende funktioniert hat. Weiterhin zeigt das Wiki, wie rechtsextremistische Strömungen in den neuen Bundesländern in Bezug zur DDR-Historie verstärkt wurden und gibt ein Einblick in deren Entwicklung.
Ostalgie - Annäherung an den Begriff und Einordnung des Phänomens
Dieses Wiki befasst sich mit dem Phänomen der „Ostalgie“. Es untersucht und vergleicht die Konzepte „Ostalgie“, „DDR-Nostalgie“ sowie „Ostidentität“. Daran anknüpfend werden Erklärungen für die Nostalgie, die vielen ehemaligen DDR-Bürger*innen innewohnt, beleuchtet sowie eine (mögliche) Transgenerationalität des Phänomens reflektiert.
Mau, Steffen 2020: Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung. Bonn.
Kitschkrieg. 2017. “TRETTMANN - GRAUER BETON (prod. KITSCHKRIEG) (OFFICIAL VIDEO)”. Youtube-Video, 3:55, 23.08.2017. https://www.youtube.com/watch?v=hHT_hEuTtxg.