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Postmodern* – Eine Einführung



Postmodern, nachmodern, nachindustriell oder reflexiv – dies alles sind Begriffe, die die Zeit in der wir heute leben, charakterisieren sollen. Die Postmoderne umfasst nicht nur eine wissenschaftliche Perspektive, sondern auch eine gesellschaftliche, künstlerische oder zeitliche. Obwohl sich sozialwissenschaftliche Theoretiker*Innen nicht auf einen bestimmten Terminus festlegen wollen, so gilt doch gemeinhin als Übereinkunft, dass die Postmoderne eine Weiterentwicklung des historischen und politischen Begriffs der Moderne darstellt. Ein Entwicklungsprozess, welcher nicht einfach nur teleologisch an das anknüpft, was durch moderne Ideale wie Rationalisierung, technischer Fortschritt, Aufklärung, Ordnung und Universalität proklamiert wurde, sondern diese vielmehr thematisiert, problematisiert und kritisiert. So wie der Einzug der Rationalität durch die europäische Aufklärung als ‚Entzauberung der Welt‘ gedeutet wurde, so könnte man nun die Postmoderne als Analogie eben jenes de-konstruktivistischen Prozesses ansehen. Hervorgehoben wird nun die Kehrseite moderner Zielsetzungen. Einer proklamierten Emanzipation stehen Herrschaftsansprüche gegenüber und dem technischen Fortschritt die Zerstörung unserer Umwelt.

In den Fokus soziologischer und sozialwissenschaftlicher Theorie rückte so zunehmend der ambivalente Charakter dieser Moderne:

„Die Ambivalenz und möglicherweise auch die Tragik der Moderne scheint darin zu bestehen, daß Marktgesetz, technisch-wissenschaftlicher-Fortschritt, Rationalisierung und Säkularisierung die Entfaltung der Demokratie, den Wohlstand und die individuelle Freiheit einerseits ermöglichen, andererseits gefährden“ (Zima 2016:52).

Da die Postmoderne keinen grundsätzlichen Gegenentwurf zur Moderne darstellt, sondern wie Christina Thürmer-Rohr (1995:92) treffend formuliert: „ein moralisch erledigtes Projekt“ in dieser erkennt, orientieren sich die thematischen Gegenstände ebenfalls an modernen Leitbildern. Ein wichtiger Unterschied ist hierbei jedoch, dass es zu einer Verschiebung des Fokus innerhalb bereits bekannter Themen kommt und so neue Facetten und Perspektiven beleuchtet werden. Da die feministische Theorie eine zentrale Stimme in der Ungleicheitsforschung einnimmt und Herrschaftskritik ebenfalls ein signifikantes Thema der postmodernen Theorien darstellt, ist es sinnvoll, sich den zu untersuchenden Gegenständen durch eben jene Perspektive anzunähern. Es soll keine abschließende Definiton der Postmoderne erfolgen, sondern vielmehr ein erster Überblick gegeben werden über die verschiedenen Themen, Motive und Theorien der feministischen postmodernen Theorie.

Inhaltlicher Zusammenhang der Wikis:

Eine wichtige Kritik der postmodernen sozialwissenschaftlichen Theorie an der Moderne bezieht sich auf ihr Universalisierungs- und Ordnungsprinzip. Problematisch wird eine absolute Universalisierungskritik jedoch dann, wenn durch sie ein herkömmliches wissenschaftliches Vorgehen, nämlich die Klassifizierung bestimmter Kategorien und somit Vereinheitlichung all jener Aspekte, die zu dieser Gruppe hinzugezählt werden, beeinträchtigt wird. Die postmodernen Theoretiker*innen betonen die künstliche Konstruktion eben solch vermeintlicher Einheiten und fokussieren die Differenz und Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen. Da es ebenfalls keinen Konsens darüber gibt, wie die Postmoderne historisch, wissenschaftlich und kulturell zu verorten sei, stellen Definitionversuche und die Entwicklung neuer Methodologien einen Teil postmoderner Erzeugnisse dar.

Wie bereits im Vorhergehenden erwähnt, ist Ambivalenz ein weiteres Stichwort der Postmoderne. Ambivalenz ist eine logische Folge von Sprache und daher omnipräsent [Zygmunt Bauman]. Durch Ambivalenz entsteht Unsicherheit. So wird in Frage gestellt, was als gesichert, feststehend und unveränderlich galt. Unsicherheit widerspricht ebenfalls dem Ordnungsgedanken der Moderne, denn was eingeordnet, definiert und klassifiziert werden kann, ist bekannt. Dieser Effekt erweitert, ja akzentuiert, die zuvor künstlich reduzierte Komplexität des zu untersuchenden Gegenstandes. Dies wird auch veranschaulicht durch die de-konstruktivistische Vorgehensweise vieler postmoderner Autor*Innen. Das ‚Unbekannte‘ gerät somit in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.
Hierzu gehört auch, dass nicht nur das zu untersuchende Objekt analysiert werden soll, sondern vor allem auch das spezifische Verhältnis zwischen dem*der Beobachter*In und dem*der*des Beobachteten. Eine Strategie hierbei ist es die verschiedenen sozialen Positionierungen durch ‚Maps‘ ( siehte hierzu: Sitzung 4 und Sitzung 10 ) zu ermitteln. Einbezogen werden hierdurch nicht nur menschliche, sondern auch nicht-menschliche Akteur*Innen, die für das Auftreten einer bestimmten sozialen Situation wichtig sind. Die Beziehungen der einzelnen Elemente zueinander, über verschiedene soziale Ebenen hinweg, sind hier von besonderer Aussagekraft (siehe auch Sitzung 11 ). Akzentuiert wird so ebenfalls, dass verschiedene soziale Postionen bereits mit spezifischen Herrschafts- und Machtverhältnissen verknüpft sind, welche es zu benennen und kritisieren gilt. Die Reproduktion solcher Ungleichheitsverhältnisse sollte auf epistemischer Ebene vermieden werden, da Wissen und Wissenschaft Einflüsse auf die Gesellschaft haben (siehe Situiertes_wissen ). Folglich ist ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Konzeptes die Selbst-Verortung der Autor*Innen und eine Reflexion über die eigene soziale und geopolitische Position. Hierzu gehört auch die Überwindung einer ethnozentrischen (bzw. eurozentrischen) Perspektive und die Öffnung der Wissenschaft für postkoloniale Stimmen. Da Rassismus und Diskriminierung marginalisierter Gruppen im Alltag (Bsp: Ereignis Köln ) gesellschaftliche Realitäten darstellen, sollten auch sie prominentere Positionen im wissenschaftlichen Diskurs einnehmen.
Universalisierung geschieht nicht nur auf gesellschaftlicher, wissenschaftlicher oder kultureller Ebene, sondern auch durch den Einfluss des Marktes auf unser Leben. Die postmoderne Gesellschaft wird durch Konsum und Entfremdung maßgeblich bezeichnet, Kapitalismus wird ebenfalls charakterisiert durch Machtdifferenzen und Ambivalenz.

Wie im Vorhergehenden gezeigt, sind Differenz und Vielfalt zentrale Aspekte der Postmoderne. Diese kennzeichnen nicht nur die unterschiedlichen Untersuchungsgegenstände, sondern auch die Beschaffenheit postmoderner Erzeugnisse.

Welsch (1994:21) resümiert elf unterschiedliche Merkmale der Postmoderne: „Unbestimmtheit, Fragmentisierung, Auflösung des Kanons, Verlust von „Ich“ und „Tiefe“, Nicht-Zeigbares und Nicht-Darstellbares, Ironie, Hybridisierung, Karnevalisierung, Performanz und Teilnahme, Konstruktcharakter [und] Immanenz.“

Es gilt hervorzuheben, was nicht der Norm, also dem Bekannten bzw. dem als bekannt (und gut) festgelegten, entspricht, sondern das ‚Andere‘, ‚Unbekannte‘ und ‚Marginalisierte‘. So sollen Denkhorizonte erweitert werden. Dies führt jedoch teilweise auch zu einer absoluten Uneindeutigkeit bzw. Undeutbarkeit und Komplexität postmoderner Schriften. ‚Substanzlosigkeit‘ und ‚Fragmentierung‘ werden als Stilmittel eingesetzt (siehe hierzu Technofeminism und Donna Haraway ), um das Geschriebene so zu verdeutlichen. Diese Eigenschaft wird oft von Kritikern des ‚postmodernen Projektes‘ aufgeführt, da Absurdität und Ironie in einem herkömmlich-humanistischen und rationalen Wissenschaftsverständnis keinen Platz haben. Daher gilt es den Spagat zwischen absoluter Relativierung und absoluter Universalisierung zu bewältigen. Durch Benennung erfolgen immer Einteilung, Kategorisierung und Konstruktion, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie sich von etwas 'Anderem' abgrenzen:

„Das Problem besteht darin, daß sowohl extreme Partikularisierung (radikaler Pluralismus) als auch extreme Universalisierung (Einheitsdenken) in Indifferenz als Austauschbarkeit umschlagen können“ (Zima 2016:57).

Literatur: