Konsumgesellschaft

Der Begriff Konsumgesellschaft (von lat. consumere gebrauchen, auf etw. verwenden, verbrauchen, aufbrauchen) dient über seinen alltagssprachlichen Gebrauch hinaus in der Soziologie und den Sozialwissenschaften der Beschreibung der Gesellschaft. Dabei wird Konsum als relevantes Element der gegenwärtigen Postmoderne betrachtet.

Das folgende Wiki bietet einen Überblick über einige Aspekte, Perspektiven und Gedanken zur Konsumgesellschaft. Die Darstellung der Ansätze ist daher weder erschöpfend noch soll sie es sein. Es handelt sich dabei vielmehr um eine - wenn man so will - willkürliche Auswahl einiger Texte.

Begriffserklärung

Das deutsche Rechtschreib- und Bedeutungswörterbuch Duden definiert die Konsumgesellschaft als eine „in ihrem ganzen Lebensstil vorwiegend auf die Sicherung und Steigerung des Konsums ausgerichtete Gesellschaft mit relativ hohem Wohlstand breiter Bevölkerungskreise“1), wobei als Konsum zum einen Verbrauch, Verzehr und Genuss, aber auch wirtschaftliche Konsumtion verstanden wird2). Jedoch lässt diese Definition unberücksichtigt, dass „Konsumgesellschaft“ eine Antwort auf die Frage sein kann, was Gesellschaft eigentlich sei, und wird somit tautologisch. Zudem handelt es sich hierbei freilich nicht um eine wissenschaftliche oder gar soziologische Definition.

In älteren Wörterbüchern findet man die Begriffe „Konsum“ oder „Konsumgesellschaft“ nur selten3). Lediglich in neueren soziologischen Wörterbüchern wird auf den Begriff eingegangen. So bietet das „Lexikon der Soziologie“ (Fuchs-Heinritz et al.) eine ganze Reihe von Begriffen an, die im Kern den Terminus „Konsum“ enthalten. Dieser wird dort wie folgt definiert:

„ökonomisch, Verbrauch von produzierten Gütern und Diensten, a) als produktiver K. in der Herstellung von Waren und Diensten (z.B. in Form von Rohstoffen, Energie, Vorprodukten, Arbeitsleistungen, b) als (unproduktiver) Endverbrauch der privaten Haushalte, des Staates und der Nicht-Erwerbsorganisationen, die definitionsgemäß nicht zu einem Warenangebot auf dem Markt führen. Nach ökonomischer Theorie ist der Endverbrauch oder die Endnachfrage das Ziel der Wirtschaftstätigkeit, jene kann jedoch nur wirksam sein, wenn sie, wie Marx sagt, zahlungskräftig ist, also ihr Einkommen aus Arbeit in Form von Löhnen bzw. Steuern vorausgeht“ (Wienold 2011: 368).

Konsumgesellschaft wird hier definiert als:

„[1] Begriff der Kritik an der vorherrschenden Lebenshaltung vor allem in Westdeutschland seit den 1950er Jahren: Gebunden an einen Statuswettbewerb mittels Konsumverhalten und Konsumstil und geleitet durch Werbung und Absatzstrategien (Konsumzwang) seien viele Menschen weder an den öffentlichen Dingen interessiert noch zu einer lebendigen und erfahrungsneugierigen Existenz in der Lage.
[2] In Studien über die modernen Formen des Konsums und ihre Bedeutung für bzw. Entsprechung zu gesellschaftlichen Bedingungen, im Allgemeinen oft neutraler als [1] verwendet, vor allem zur Skizzierung derjenigen sozialstrukturellen Momente, die über eine hergebrachte Arbeitsorientierung der Lebensführung, über die Industrie- bzw. Arbeitsgesellschaft hinausweisen“ (Fuchs-Heinritz 2011: 367).

Theorien des Konsums (bzw. der Konsumgesellschaft) hingegen bevorzugen - wie folgend klar werden wird - eine komplexere Definition des Begriffs.

Ansätze zur Konsumgesellschaft

Bedürfnisgenerierung als Aspekt der Konsumgesellschaft

Ein bedeutsamer Aspekt, der in vielen Schriften und Theorien zu einer konsumorientierten Gesellschaftsdarstellung thematisiert wird, ist die künstliche Erzeugung von Bedürfnissen. Ernest Dichter hat dabei in seinem Buch Strategie im Reiche der Wünsche gezeigt, welche Bedeutung psychologische Aspekte für die Kaufentscheidung der Konsument*innen haben und darauf basierend psychoanalytische Ansätze für die Marktforschung aufbereitet. Im Anschluss daran hat Vance Packard in Die geheimen Verführer (Orig. The hidden persuaders) ausführlich gezeigt und analysiert wie Wirtschaftsunternehmen mit Hilfe tiefenpsychologischer Methoden die Kund*innen dazu bewegten, Käufe zu tätigen. Zusätzlich veröffentlichte Packard in Die große Verschwendung (Orig. The Waste Makers) eine Analyse darüber, wie das Phänomen des „Wirf-es-weg“ und das stete Interesse an einer steigenden Produktion diesen Aspekt bereicherten. Für Packard ist die Verschwendung nicht nur ein Charakteristikum der gegenwärtigen Gesellschaftskonzeption, sondern ein stabilisierender Faktor für die Wirtschaftsordnung. Genauso betrachtet auch Norbert Bolz die Generierung künstlicher Bedürfnisse als notwendig zum Erhalt des Wirtschaftssystems an (siehe dazu: „Das Drei-Stufen-Modell des Konsums“ weiter unten). Der Grundannahme einer durch die Produktionsunternehmen geleiteten Wirtschaft stimmt auch Peter Hunziker zu, der von einer Erziehung zum Überfluß spricht. Er hält fest: „Der Bereich des Konsums wird von den Produktionsorganisationen gestaltet. Sie erziehen die Individuen zu jenem Konsumverhalten, das ihren Absatzzielen dient“ (Hunziker 1972: 7) und das obwohl Konsum den Individuen die Möglichkeit biete, sich frei verantwortlich zu entscheiden und selbstzuentfalten. In Anlehnung an Marx sieht Hunziker, dass die Menschen mit ihrer Arbeit nicht der Befriedigung ihrer eigenen privaten und individuellen Bedürfnisse nachkämen, sondern die gesellschaftlichen Bedürfnisse und somit die Bedürfnisse der Anderen zu befriedigen suchten (Hunziker 1972: 13). Hunziker wendet zusätzlich die Massenkommunikationstheorie auf die Manipulation an, bei der der*die Konsument*in als „Konsumentenpersönlichkeit“ angesprochen, die „Empfänger“ seien, die die von den Produzierenden („Sender“) gesendeten Botschaften (= Konsumgüter) über eine Herrschaftsbeziehung erhielten.

Das Verständnis eines Wirtschaftskreislaufs, in dem die Produzierenden die Konsument*innen dazu brächten, Produkte zu kaufen, gliedert sich darin ein, was John K. Galbraith den revidierten Ablauf nennt. Für Galbraith zeigt sich, dass die klassische und anerkannte Struktur des*der durch sein*ihr Kaufverhalten den Markt beeinflussende*n Konsument*in an Allgemeingültigkeit verloren habe und an diese Stelle eine Struktur getreten sei, in der Produzent*innen durch Angebot, Werbung und Marketing die Kaufinteressen der Konsumierenden aktiv beeinflussten. Dieser Analyse stimmt Jean Baudrillard in seiner Theorie des Konsums zwar grundlegend zu, kritisiert jedoch, dass es völlig utopisch sei, wie Galbraith anzunehmen, dass das menschliche Streben zur Bedürfnisbefriedigung eigentlich auf ein harmonisches Ziel abstellt, würden die Mechanismen der Bedürfnisweckung nicht einschreiten. Er sieht den Konsum in einem größer angelegten Zusammenhang auch als bedeutsam für Prozesse sozialer Differenzierung.

Einen anderen Ansatz verfolgt hingegen Herbert Marcuse, der in Der eindimensionale Mensch darlegt, dass Arbeitswelt und Gesellschaft dem Individuum Bedürfnisse aufzwängen, die es unfrei machten (Marcuse 1967: 22). Somit würden Bedürfnisse eine relevante Kategorie im Verhältnis von Freiheit und Herrschaft. Die „totalitäre Gesellschaft“ Marcuses kennzeichnet sich daher durch die „Manipulation von Bedürfnissen durch althergebrachte Interessen“ (Marcuse 1967: 23). Durch diese repressive Verwaltung der Gesellschaft sei das Freiheitskonzept der modernen Industriegesellschaft vor allem vom Begriff der negativen Freiheit4), weil sie auf die Negation der Herrschenden Wert legte. Dadurch bekommen die Bedürfnisse eine prominente Stellung im Kampf gegen die totalitäre Herrschaft. Marcuse stellt fest:

„Die wirksamste und zäheste Form des Kampfes gegen die Befreiung besteht darin, den Menschen materielle und geistige Bedürfnisse einzuimpfen, welche die veralteten Formen des Kampfes ums Dasein verewigen“ (Marcuse 1967: 24).

Die Bedürfnisse unterscheidet Marcuse demnach in falsche Bedürfnisse und wahre Bedürfnisse, wobei „»[f]alsch« [diejenigen seien], die dem Individuum durch partikuläre gesellschaftliche Mächte, die an seiner Unterdrückung interessiert sind, auferlegt werden“ (Marcuse 1967: 25). In diesem Sinne sei auch der Konsum zu verstehen. Diese Unterscheidung könne jedoch immer nur das Individuum treffen. Zur Befreiung stellt Marcuse schließlich fest:

„Alle Befreiung hängt vom Bewußtsein der Knechtschaft ab, und das Entstehen dieses Bewußtseins wird stets durch das Vorherrschen von Bedürfnissen und Befriedigungen behindert, die in hohem Maße die des Individuums geworden sind. […] [D]ie sozialen Kontrollen [erzwingen] das überwältigende Bedürfnis nach Produktion und Konsumtion von unnützen Dingen“ (Marcuse 1967: 27).

Damit bedeute Befreiung die Ersetzung der falschen durch wahre Bedürfnisse.

Die Konsumgesellschaft bei Baudrillard

→ Siehe: Konsumgesellschaft (Baudrillard)

Jean Baudrillard (1929-2007) legt in seiner Publikation „Die Konsumgesellschaft“ seine Theorie des Konsums dar und skizziert damit eine Perspektive postmoderner Gesellschaft, die sich durch Konsum und Entfremdung auszeichnet. Der Ansatz bedient sich dabei Marx' "Kritik der politischen Ökonomie" und gestaltet diese zeichenbezogen aus. Außerdem beleuchtet er J. K. Galbraiths Ausführungen zur Überflussgesellschaft kritisch.

Baudrillard zeigt dabei, dass der Konsum weder seiner Selbst willen getätigt werde noch komplett auf der künstlichen Erzeugung von Absatzmärkten durch die Industrie beruhe. Zwar erkennt Baudrillard an, dass es Strategien zur Anregung von Konsum durch die Produzierenden gebe, vielmehr aber ist der Konsum für ihn Ausdruck eines Wettkampfes um sozialen Aufstieg. Für ihn dienten die Konsumobjekte somit als Signifikationsfelder. Dies erkläre, warum die Bedürfnisse nie gestillt werden, sondern immer noch mehr Bedürfnis und Kauf generierten. Über dieses System des Konsums werde zusätzlich die Integration der Gruppe sichergestellt, da der Konsum Bedeutungen ordne. Gleichzeitig sei es nicht möglich sich dem zu entziehen, da dies einem Verlust oder dem Verpassen von relevanten Genüssen gleich käme. Dies alles führe schließlich zu einer Isolation, da Konsum als Handlung stets die Handlung der Einzelnen sei, und damit zu einer Quasi-Unmöglichkeit für Solidrität und Klassenbewusstsein. Zusätzlich entstehe auch eine Entfremdung, da der Mensch nicht mehr fähig sei, seine Bedürfnisse zu begreifen oder die Produkte seiner Arbeit zu begegne, während die Logik der Ware gleichzeitig alle Lebensbereiche an sich reiße (d.h. alles müsse konsumierbar werden).

Das Drei-Stufen-Modell des Konsums (Bolz)

Der deutsche Medienwissenschaftler Norbert Bolz analysiert nach 9/11 in seinem konsumistischen Manifest den zugrundeliegenden Konflikt und verfolgt dabei die These, das dieser vor allem durch einen Kampf von Antiamerikanismus gegen Konsumismus geprägt sei.

Konsumieren ist bei Bolz geprägt von den Polen Comfort und Pleasure: Welten, in die der*die Konsument*in eintaucht und die Stufen der Bedürfnisbefriedigung darstellten: „Comfort ist die Welt des zufriedenen Kunden. […] Pleasure ist die Welt des begeisterten Kunden“ (Bolz 2002: 90). Das Risiko ist hierbei ein wichtiger Bestandteil, dessen, was Bolz self-fashioning nennt: Die Ästhetisierung des Lebens. Leben werde zum Selbstversuch, in dem sich die Konsument*innen sogar sogenannte consumption skills (bspw. lesen, Tennis, Surfen etc.) aneigneten, um besser konsumieren zu können. Dabei sieht Bolz, das Konsumieren über den eigenen Bedarf als bedeutsam für die gesamte kapitalistische Wirtschaftsordnung an:

„Wenn die Menschen nur einkaufen würden, weil sie etwas brauchen, und wenn sie nur kaufen würden, was sie brauchen, wäre die kapitalistische Wirtschaft längst zusammengebrochen“ (Bolz 2002: 97).

Die Kund*innen, die jedoch nur beschränkte Bedürfnisse und Konsumkapazitäten hätten, würden dabei zur knappen Ressource. In diesem Zusammenhang erkennt Bolz die Strategien der Produzierenden an, den Absatz und Vertrieb ihrer Produkte an die Konsument*innen zu steigern, kritisiert jedoch Vance Packard, der in seinem Buch Die geheimen Verführer vor den Manipulationsstrategien warnte, dahingehend, dass die Kritik am Konsum nicht zielführend sei. Vielmehr sieht Bolz im Konsum die Funktion erfüllt, die früher einmal Religionen, Nationen oder Familien hatten: „Der Konsum integriert die postmaterialistische Gesellschaft durch Verführung“ (Bolz 2002: 98). Konsum wird somit zum stabilisierenden und sinnstiftenden Element von Gesellschaft.

Davon ausgehend entwirft Bolz sein Drei-Stufen-Modell des Konsum. Bolz: Das Drei-Stufen-Modell des Konsums

  1. Auf der ersten Stufe handele es sich um ein „System der Bedürfnisse“: Die Konsumierenden entwickelten Bedürfnisse, die dann gestillt werden müssten. Ein darüber hinausgerichtetes Konsumstreben gebe es nicht.
  2. Die zweite Stufe hingegen spricht von einer Wunschökonomie. Das Mantra der Konsumierenden laute hier „Verführe mich!“. Bolz stellt dabei klar, dass Wünsche prinzipiell nicht erfüllbar seien. „Es geht primär um das Wünschen, nicht um die Wünscherfüllung“ (Bolz 2002: 100f).
  3. Auf der dritten Stufe verlange der*die Konsument*in schließlich „Verändere mich!“, ob es durch den Konsum letztlich dazu komme sei irrelevant. Hier gehe es darum, „was man glaubt wünschen zu sollen“ (Bolz 2002: 100). Dabei ist „[d]er Konsum […] heute das Medium einer Kultur des Selbst“ (Bolz 2002: 102).

Das Drei-Stufen-Modell verhalte sich damit analog zu Maslow's Bedürfnispyramide. Es gehe prinzipiell um einen Aufstieg, in der Pyramide wie auf den Stufen. Oben angekommen, stellt Bolz fest, sei das Erlangen der Güter aufgrund ihres Charakters schließlich nicht mehr möglich, sodass der*die clevere Produzent*in die Güter mit den Produkten gedanklich verknüpfen müsse, wobei klar sei, dass der Erwerb des Produkts nicht mit dem Erbwerb des Gutes gleichzusetzen sei und es jemanden dem Gut auch nicht näher bringe. Im Idealfall bildeten sich sogar Marken heraus, die sich mit diesem Label profilierten.

„Nirgendwo kann man die verblüffenden Wendungen, die der Konsumismus in den Registern der second order desires und des Luxus zweiter Ordnung nimmt, besser studieren als auf den Märkten der Sorge. […] Traditionell sorgt man sich um die Kinder und die Alten; das grüngefärbte Bewußtsein sorgt sich um “ die Natur„; das schlechte soziale Gewissen sorgt sich um „die Armen“ der Welt; die Unpolitischen, denen Kinder oder Senioren zu anstrengend und soziale oder Umweltprobleme zu komplex sind, sorgen sich um Haustiere“ (Bolz 2002: 103). „Folgerichtig arbeiten die Unternehmen heute an einem Kapitalismus mit gutem Gewissen, der sich selbst auch Caring Capitalism nennt. Idealismus verkauft sich nämlich gut. Waschmittel sollen ethischen Standards entsprechen; an die Stelle von Ausbeutung soll der Fair Trade mit Entwicklungsländern treten. Grüner Punkt und das Siegel „umweltfreundlich“ genügen nicht mehr - es entstehen „Ethik-Marken“. So tritt etwa Body Shop auf, als sei es kein Unternehmen, das Waren verkaufen will, sondern eine Philosophenschule, die uns das wahre Leben lehrt“ (Bolz 2002: 106; Herv. i. O.).

Dies verknüpft mit dem Kampf um die Aufmerksamkeit des*der Kund*in, der*die in der Flut der Informationen über Produkte den Überblick verliere, ließe die Entstehung von Markenstellungen einfacher werden.

Drei Idealtypen (Bauman)

Zygmunt Bauman legt in Leben als Konsum seine Konzeption der Bedeutung von Konsum in der Gesellschaft vor. Laut Bauman kennzeichne sich die „Konsumgesellschaft“ (oder was man so nennt) vor allem dadurch, dass „alle zwischenmenschlichen Beziehungen nach dem Muster und Vorbild der Beziehungen zwischen Konsumenten und ihren Konsumobjekten umgestaltet“ (Bauman 2009: 19) würden. Die Regeln des Marktes würden zu den Regeln der Gesellschaft:

„Erstens: Die eigentliche Bestimmung aller feilgebotenen Waren ist, dass sie von Käufern konsumiert werden. Zweitens: Den Wunsch, Güter zum Zweck des Konsums zu erwerben, werden Käufer dann und nur dann verspüren, wenn deren Konsum die Befriedigung ihrer Bedürfnisse verspricht. Drittens: Der Preis, den ein interessierter Konsument auf der Suche nach Befriedigung für die angebotenen Waren zu zahlen bereit ist, hängt von der Glaubhaftigkeit dieses Versprechens und der Intensität der Bedürfnisse ab“ (Bauman 2009: 19).

Somit würden die Prinzipien von Konsum und Markt bedeutsam für alle Felder menschlichen Zusammenlebens. Diese veranschaulicht Bauman insbesondere am Beispiel des (Online-)Datings. Dort sieht Bauman ein weiteres Merkmal der Konsumgesellschaft besonders deutlich: „die Verwandlung von Konsumenten in Waren“ (Bauman 2009: 21).

Für Bauman kann niemand Subjekt der Konsumgesellschaft werden, ohne zunächst selbst zur Ware geworden zu sein. Interessanterweise gibt Bauman anders als beispielsweise Baudrillard oder Packard dabei den Subjektcharakter (soll hier heißen: die freie Wahl nach den Objekten) des Individuums nicht auf. Auch wenn die neue Gesellschaftsform diese Grenzen verwische, gebe es weiterhin „Dinge, die zur Wahl stehen, und jene, die auswählen“ (Bauman 2009: 21; Herv. i. O.).

Im Rekurs auf Karl Marx beobachtet Bauman, dass der marxistische Warenfetischismusimmer mehr einem Subjektivitätsfetischismus weiche. Der Umstand, dass die Ökonom*innen seiner Zeit die zwischenmenschlichen Interaktionen hinter dem Warenverkehr versteckten, ist bei Marx grundlegender Baustein seiner Kritik. Dass, wie Karl Polanyi feststelle, die menschliche Arbeit ebenfalls zur Ware werde, sei ein weiterer Schritt in dieser Denkrichtung (vgl. Bauman 2009: 23). Bauman folgert, dass das Äquivalent zum Warenfetischismus ein Subjektivitätsfetischismus sei:

„Wenn es das Schicksal des Warenfetischismus war, den menschlichen, allzu menschlichen Kern der Gesellschaft von Produzenten zu verbergen, so ist jetzt der Subjektivitätsfetischismus dazu bestimmt, die kommodifizierte, allzu kommodifizierte Realität der Gesellschaft von Konsumenten zu verschleiern„ (Bauman 2009: ???; Herv. i. O.)

Somit habe sich die Gesellschaft also von einer Gesellschaft der Produzierenden zu einer Gesellschaft der Konsumierenden gewandelt. Die Erhebung der Subjektivität zu einem Fetisch sei Grundlage für diese Entwicklung. Analog zur Ware stellt Bauman für die Subjektivität fest: „Im Fall der Subjektivität in der Gesellschaft von Konsumenten ist es das Kaufen und Verkaufen von symbolischen Zeichen zur Konstruktion von Identität, das in der Erscheinungsform beseitigt wird“ (Bauman 2009: 24). Basis der Subjektivität sei zudem nicht nur die Kaufentscheidung des Subjekts, sondern auch die des*der möglichen Käufer*in desselben.

Auf dieser Analyse basierend entwickelt Bauman drei Idealtypen, die die Erkenntnisperspektiven erweitern sollen, die eine Untersuchung der Konsumgesellschaft bereithält, nämlich Konsumismus, Gesellschaft von Konsument*innen und Kultur des Konsumismus.

Konsumismus

„Der »Konsumismus« […] ist eine Art gesellschaftliches Arrangement, das daraus resultiert, dass alltägliche, ständig vorhandene und gewissermaßen »systemneutrale« menschliche Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte zur entscheidenden Antriebs- und Triebkraft der Gesellschaft recycelt werden, zu einer Kraft, die die Reproduktion des Systems, die gesellschaftliche Integration, die Ausbildung sozialer Schichten und die Entwicklung menschlicher Individuen koordiniert und darüber hinaus eine wichtige Rolle im Prozess der Ausbildung der Identität von Einzelnen oder von Gruppen sowie in der Auswahl und Umsetzung individueller Lebensstrategien spielt“ (Bauman 2009: 41; Herv. i. O.).

Während in der Gesellschaft der Produzent*innen5) große, schwere und sperrige Luxusobjekte mit einer peniblen Vorsicht und Achtsamkeit behandelt wurden, da sie Ausdruck des sozialen Status waren, gilt es in der Gesellschaft der Konsument*innen, die Konsumobjekte möglichst schnell zu verbrauchen. Der Wunsch nach Sicherheit kann hier keinen Bestand haben, wenn der Konsumismus nahelegt, dass „Glück weniger mit der Befriedigung von Bedürfnissen […], als mit einer ständigen Zunahme und Intensivierung von Wünschen, was wiederum den sofortigen Gebrauch und die baldige Ersetzung der Objekte impliziert, von denen man sich ihre Erfüllung erwartet und erhofft“ einhergeht. Bauman sieht den Konsumismus durch eine Raum-Zeit-Struktur geprägt, die er nach Michel Maffesoli pointillistische Zeit nennt. Im Zusammenhang mit der euklidischen Geometrie, die Punkten keinerlei Höhe, Breite oder Länge beimisst, erklärt Bauman Augenblicke zu vorraumzeitlichen Ereignissen (Bauman 2009: 46ff). Jeder Zeit-Punkt berge das Potential für einen „Urknall“ unabhängig vom vorhergehende Zeit-Punkt. Fortschritt sei somit keine Kategorie mehr, da auf jedem Zeit-Punkt aufgebaut werden könne, statt in einem Kontinuum. Unter anderem daher könne sich Sinn immer erst im Nachhinein erschließen. Die flüchtigen Potentiale dieser Punkte müssten ergriffen werden ehe das Potential verpuffe und die gebotene Eile dränge wiederum zu einem ständigen Konsum von einem Konsumobjekt zum nächsten.

Die im Konsumismus herrschende Tendenz zum exponentiellen Wachstum der Güterproduktion stelle den auswählenden Menschen (homo eligens) vor das Dilemma eines Übermaß an Information, wodurch er grundsätzlich „melancholisch“ sei. Melancholie, so Bauman, dabei verstanden als das Bewusstsein für die Existenz zahlreicher Optionen ohne eine Bindung an eine derselben. Das Versprechen des Konsumismus, glücklich zu sein, ist jedoch nur schwerlich einzuhalten, zumal der*die Konsument*in nur solange dem verführerischen Versprechen der Befriedigung folgen will, wie seine Bedürfnisse nicht restlos erfüllt seien. Wo diese „echten“ oder „realistischen“ Bedürfnissen befriedigt würden, ende der Konsum, weshalb es das paradoxe Ziel der Konsumgesellschaft sei, eine immer bessere Bedürfnisbefriedigung und zugleich eine Nicht-Erfüllung der Bedürfnisse zu erreichen:

„Die Konsumgesellschaft floriert, solange sie erfolgreich dafür sorgt, dass die Nicht-Befriedigung ihrer Mitglieder (und damit, in ihren eigenen Begriffen, ihr Unglücklichsein) fortwährend ist“ (Bauman 2009: 64; Herv. i. O.).

Daher müssten Konsumprodukte nachdem sie in die Welt gekommen seien, wieder entwertet werden oder weitere Bedürfnisse wecken. Die Unzufriedenheit mit dem System sei außerdem eine relevante Stütze dafür, da es daraus seine Reproduzierbarkeit und Ordnung erhalte. Dabei sei der Trend der Individualisierung nicht nur deshalb bedeutsam, weil der Konsumgütermarkt immer weitere Möglichkeiten biete, sich zu individualiseren und selbstdarzustellen, sondern weil er zudem die Subsidiarisierung der Aufgaben bewirke. Dadurch widerum entstehe ein Kampf gegeneinander, in dem Hilfe von anderen nur dann erwünscht wäre, wenn sie zum „Neutralisieren“ hilfreich sei (Bauman 2009: 69).

Die Gesellschaft von Konsument*innen

Für Bauman ist die Gesellschaft von Konsument*innen „eine Gesellschaft, die […] ihre Mitglieder primär in ihrer Eigenschaft als Konsumenten »interpelliert« oder »anruft«“(Bauman 2009: 71). Soll heißen: Der Konsum wird zum Mantra einer ganzen Gesellschaft von Konsument*innen. Er werde als (einzig akzeptierte) Lebensstrategie propagiert und eine Wahlalternative gebe es zumindest theoretisch nicht. Ziel dieser Gesellschaft sei aber vor allem, den*die Konsument*in in den Status einer (ver)käuflichen Ware zu heben (Bauman 2009: 77); davon hänge die Mitgliedschaft in dieser Form des Zusammenlebens ab.

Der Mensch der Konsumgesellschaft wird von Bauman als homo eligens bezeichnet: Individualität und Selbstbeherrschung seien Merkmale des Subjekts in der Konsumgesellschaft, das die Möglichkeit habe zwischen verschiedenen Optionen und Alternativen (des Konsums) zu wählen (Bauman 2009: 82). Dieser Status grenze ihn somit vom Menschen der disziplinären Gesellschaft der Produzent*innen ab, in der Hierarchie, Ordnung und Zwang den Zweck erfüllen sollten, die Handlungs- und Wahloptionen des Individuums zu beschränken und so soziale Kontrolle auszuüben.

Das Prinzip des Marktes herrsche über die Realität der Konsumgesellschaft: Gesellschaftliche Teilhabe sei dann erwünscht, wenn der Bedarf bestehe. Dies gelte sowohl für Produkte wie auch für Dienste, Menschen und Zuwanderung. Der Staat gebe somit seine Souveränität an die Konsumgütermärkte ab, die nunmehr klassifizierten, wer inkludiert und exkludiert werden solle. Die Gruppe verliere somit an Bedeutung. Vielmehr wählt Bauman für die Beschreibung der postmodernen Gemeinschaft den Begriff des Schwarms, der sich kollektiv bewegt und konsumiert. Doch obwohl das Konsumieren zur kollektiven Aktivität des Schwarms und der Menschen in der Gesellschaft werde, bleibe Konsum für Bauman eine Tätigkeit der Einsamkeit (Bauman 2009: 102), da

„[d]ie Aktivität des Konsumierens […] keine dauerhaften Bindungen entstehen [lässt.] Die Bindungen, die im Rahmen einer Konsumhandlung eventuell geknüpft werden, können die Handlung überdauern, vielleicht aber auch nicht; sie mögen Schwärme für die Dauer eines Fluges zusammenhalten (das heißt, bis zum nächsten Wechsel des Ziels), aber sie sind zugegebenermaßen situationsgebunden und im Übrigen schwach und instabil, sodass sie, wenn überhaupt, wenig Einfluss auf dei weiteren Bewegungen der Einheiten haben und ihre Geschichte kaum oder gar nicht erhellen“ (Bauman 2009: 103).

Kultur des Konsumismus

Unter der Kultur des Konsumismus versteht Bauman die Konfiguration, die sich aus dem Umbruch von Beständigkeit hin zu Vergänglichkeit ergebe: „Beim »konsumistischen Syndrom« dreht sich alles um Geschwindigkeit, Überschuss und Abfall“ (Bauman 2009: 113; Herv. i. O.???). Neben Individualisierungsdruck und Identitätssuche sei in der Kultur des Konsumismus das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung durchaus relevant. Sei die Notwendigkeit zum gesellschaftlichen Zwang noch bei Hobbes und Løgstrup mit dem bellum omium contra omnes beziehungsweise mit der ethischen Herausforderung aus der Existenz der Anderen begründet worden, so verlören diese wesentlichen Begründungen in der Konsumgesellschaft an Bedeutung, „denn die katastrophalen Folgen des Aufgebens oder der Auszehrung gesellschaftlich verordneter, normativer Vorschriften, die in diesen Begründungen als praktisch unausweichlich vorhergesagt wurden, [seien] ausgeblieben“ (Bauman 2009: 118).

„Die Begriffe »Verantwortung« und »verantwortliche Entscheidung«, die einst auf dem semantischen Feld der ethnischen Pflicht und moralischen Sorge um den Anderen angesiedelt waren, haben sich verlagert beziehungsweise sind in den Bereich der Selbstverwirklichung und der Kalkulation von Risiken verschoben worden. Dabei ist der oder die »Andere« als Auslöser, Ziel und Messlatte einer Verantwortung, die man erkennt, übernimmt und erfüllt, fast vollständig aus dem Blickfeld verschwunden, verdrängt oder überschattet vom eigenen Selbst des Akteurs. »Verantwortung« bedeutet jetzt vor allem Verantwortung gegenüber sich selbst (»Das bist du dir schuldig«, »Das hast du dir verdient«, wie diejenigen es ausdrücken, die »Entlastung von Verantwortung« verkaufen), und »verantwortliche Entscheidungen« sind vor allem jene Schritte, die den Eigeninteressen dienen und die Wünsche des Selbst befriedigen“ (Bauman 2009: 121; Herv. i. O.).

Somit sei die Wandlung zur Konsumgesellschaft mit dem Wandel von der Verantwortung für Andere zur Verantwortung für sich selbst verbunden.

Weiterhin stellt Bauman fest: „Die Kultur des Konsumismus ist geprägt vom permanenten Druck, jemand anders zu sein“ (Bauman 2009: 130; Herv. i. O.). Dabei werde ein ständiger Identitätswandel durch die Konsumgütermärkte untersützt, die dazu die Möglichkeit eröffneten. Das ständige Vergessen und Hinter-sich-Lassen von Produkten, die veralteten oder durch neues oder besseres ersetzt würden, gebe somit die Möglichkeit, das Selbst immer neu zu erfinden und auszugestalten. „In der flüchtig-modernen Konsumgesellschaft sind Identitäten keine in die Wiege gelegten Geschenke, es wird einem keine »gegeben«, geschweige denn ein für alle Mal und zuverlässig gegeben“ (Bauman 2009: 144). Dabei nennt Bauman zwei besondere Instrumente, die bei der Identitätssuche helfen sollen: Zum einen sogenannte cloakroom communities, bei denen man durch die bloße Anwesenheit zu einem Zeitpunkt an einem Ort die Moden der Anderen begutachte und zum Andern ein wachsender Hobbymarkt:

„Als potentiell Besitzende werden sie Langeweile und Überdruß empfinden an: Ihrer Arbeit, Ihren Freunden, Ehepartner, Liebhabern am Blick aus Ihrem Fenster, an Mobiliar oder Tapeten Ihres Zimmers, an Ihren Gedanken, an sich selbst. Dementsprechend werden Sie versuchen, sich Fluchtwege auszudenken. Abgesehen von dem erwähnten Instrumentarium zur Selbstbelohnung greifen Sie vielleicht zu folgenden Maßnahmen: Wechsel von Job, Wohnung, Umgang, Land, Klima; Sie mögen es probieren mit Promiskuität, Alkohol, Reisen, Kochstunden, Drogen, Psychoanalyse“ (Brodsky 1998: 210; zit. n. Bauman 2009: 147).

Für Bauman ergibt sich diese Suche dabei sinnhaft aus der pointillistischen Zeit, in der jeder Augenblick eine Chance sei, die es zu ergreifen gelte.

"Der Prosument" (Toffler)

Anders bewertet Alvin Toffler die Konsumentwicklungen: Für ihn zeigt sich in diversen Phänomenen eine Verschiebung der Produktionssektoren, durch die die Figur des*der Konsument*in oder des*der Produzent*in nicht mehr hinreichend sei, sondern vielmehr der*die Prosument*in (quasi eine Rückkehr). Für Toffler ist der*die Prosument*in ein Mensch, der konsumiert, was er selbst produziert (Toffler 1980: 273). Was zunächst den Anschein von Subsistenzwirtschaft erweckt, beschreibt Toffler als die Aufhebung der Grenze zwischen den beiden Sektoren der Produktion. So spricht Toffler von einem Sektor A, der „unsichtbaren Ökonomie“, in dem eben jenes Produzieren für den Eigenkonsum liege. Sektor B hingegen sei die Produktion für den Markt. An zahlreichen Beispielen illustriert Toffler wie die Produkte des Marktes modifiziert und prosumiert würden: zum Beispiel Medizinprodukte, mit denen Patient*innen ihre Gesundheit selbst überwachen könnten oder die Do-it-yourself-Bewegung, bei der die Prosument*innen nicht mehr die Anwesenheit von Personal bräuchten, sondern sich von diesem emanzipierten über SB-Tankstellen, Bankautomaten, Einkaufswägen oder Hotlines. Toffler stellt so fest, dass die Unterscheidung von Arbeits- und Freizeit hinfällig werde, weil die Freizeit daraus bestünde, zu prosumieren. Den Konsum wie ihn andere Theoretiker*innen sehen (s.o.) sieht Toffler so nicht (mehr).

Zur Aktualität Tofflers

Auch Hellmann widmet sich Tofflers Theorie des Prosumenten und stellt diese in Bezug zu der fortschreitenden Technologisierung und das Zeitalter des Internets. Was Toffler vor etwa 30 Jahren hervorsagte trat in viele Bereichen ein. Hellmann zeigt dies an dem rasanten Aufstieg von Open Source, Internetökonomie und der Do-it-yourself-Bewegung. Die Konsument*innen und Kunden von Produkten werden selbst aktiv und vermitteln Unternehmen und Produzenten neue Ideen und Innovationen (Hellmann 2013:116). Im Bereich der Internetökonomie werden immer mehr Menschen produktiv und erstellen so beispielweise Erklärvideos auf YouTube verkaufen Waren auf Ebay oder schreiben Artikel auf Wikipedia.

„Offenbar bewirkt das Internet eine Art Emanzipation der Konsumenten. Es eröffnet neue Spiel- und Handlungsräume und erzieht zu einer gewissen Selbstständigkeit und Eigeninitiative, was sich insbesondere in einer gesteigerten Anspruchshaltung gegenüber den Unternehmen niederschlägt. Diese Haltung ist charakterisiert durch deutlich mehr Responsivität, Dialog und Interaktivität“ (Hellmann 2013: 117).

Eng hiermit verbunden ist auch die Do-it-yourself-Bewegung. Noch nie war die Nachfrage nach unterschiedlichsten Anleitungen größer. Dieser Aufschwung lässt sich sicherlich auch durch die einfachere Kommunikation und den damit einfacheren Austausch von Ideen bergründen. Inzwischen ist das soziale Netzwerk Pinterest eine der bekanntesten und meist genutzten Austauschbörsen der Do-it-yourself-Bewegung.

Der*die Prosument*in könnte in Zukunft die Organisation der Konsumgesellschaft vor neue Herausforderungen stellen. Interessant wird hier, wie sich das Verhältnis und vor allem die Grenze zwischen Unternehmen, Markt und Kund*innen entwickelt.

Die Marke (Hellmann)

Marken spielen eine große Rolle in der Konsumgesellschaft. Im Bereich der Werbung wird der Marke eine besondere Bedeutung und Funktion zugeordnet. Die Soziologie von Marken analysierte der deutsche Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann in vielen seiner Werke. In seinem Buch „Fetisch des Konsums“ (2011) spricht Hellmann von der Marke als „Eigenwert“, als Ergebnis eines iterativen Prozesses und bedient sich dabei der Erkenntnisse des österreichischen Physikers Heinz von Förster und Niklas Luhmann.

Definition

Zur Definition des Markenbegriffs orientiert sich unter anderem an der Fetischismusthese von Karl Marx und dem Artikel „The Product and the Brand“ (1955) von Burleigh B. Gardner und Sidney J. Levy:

„In similar fashion, a brand name is more than the label employed to differentiate among the manufacturers of a product. It is a complex symbol that represents a variety of ideas and attributes. It tells the consumers many things, not only by the way it sounds (and its literal meaning if it has one) but, more important, via the body of associations it has built up and acquired as a public object over a period of time“ (Gardner/Levy 1955: 35)

Die Marke sei somit ein komplexes Symbol aus Eigenschaften und Assoziationen, welches sich in der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum bildet. Dies sei auch der Unterschied zum Produkt, „das ja meist fix und fertig hergestellt und ausgeliefert wird“ (Hellmann 2011: 74), und sich schließlich auch in seiner Funktion unterscheidet.

Geschichte

Die Entwicklung des Markenwesens unterteilt Hellmann in drei Phasen:

  1. Markenartikel entstehen bei klassischen (Alltags-)Konsumgütern. „Hierzu zählen (…) Maggi’s Suppenwürze von 1886, Dr. Oetkers Backpulver von 1892, Lingners Mundwasser Odol von 1893, das Waschmittel Persil von 1907 oder Nivea Creme von 1912“ (Hellmann 2011:10; Herv.i.O.)
  2. Nach dem zweiten Weltkrieg gelangt das Markenwesen auch in den Dienstleistungssektor. Es gründen sich Marken wie etwa ALDI, Quelle, Sixt oder TUI.
  3. Ab den 1990er Jahren erscheinen Marken auch außerhalb des damaligen klassischen Konsumsektors. Sportvereine (u.a. Manchester United, Real Madrid…), Sportevents (Olympia, Formel 1…), Personen (Michael „Air“ Jordan, Claudia Schiffer…), sozial engagierte Institutionen, ganze Regionen und Nationen werden zur „Marke“.

Marken sollen auf der Seite der Konsument*innen zur Reduktion der Komplexität des Warenangebots und auf der Seite der betroffenen Organisationen zur Kundenbindung oder zum Gewinn von Spendern, Zuschauern, Mitarbeitern oder Mitgliedern. Die Marke bleibt für die Konsument*innen eine beständige Größe im Wandel der Zeit. Unter den unzähligen Produkten des Warenangebots sticht sie hervor. Durch ihre Beständigkeit sorgt die Marke für Glaubwürdigkeit und schafft so Vertrauen bei den Konsument*innen.

Eigenwert durch Warenästhetik

Anhand der Analyse der drei (Erfolgs-) Marken Coca-Cola, Maggi und Nivea zeigt Hellmann wie sich der Eigenwert einer Marke oft auch über Aussehen und Ästhetik bildet. Die für die Konsument*innen wichtige Beständigkeit zeigt sich so auch in der Produktkommunikation. Je nach Produkt sind Flasche, Geschmack und Aussehen über Jahrzehnte fast gleichgeblieben. Sie das bei Coca-Cola die geschwungene Flaschenform, bei Maggi die gelbrote Farbzusammensetzung oder bei Nivea die kaum veränderte blaue Dose. Wichtig für den Erfolg einer Marke sei aber nicht nur gelungene Warenästhetik:

„Vielmehr gibt es noch eine zweite Ebene, auf der nicht bloß solche Zeichen, sondern bestimmte Bedeutungen des Produkts eine vergleichbare Form von Wiederholung im Produktkommunikationsprozess erfahren, Mit Rolf Lindner (1977: 93) könnte man von „Warensymbolik“ sprechen, die eine Produktdifferenzierung aufgrund der werbekommunikativen Verknüpfung bestimmter Sach- oder Dienstleistungen mit eigens darauf bezogenen Bedeutungsmustern anstrebt (Jhally 1990)“ (Hellmann 2011: 61).

So spielen auch die Bedeutungen, die den Marken jeweils zugeschrieben werden eine große Rolle. Besonders in der Werbung sei das Thema „Storytelling“ zur Identifikation und Inklusion ein wichtiger Bestandteil. Storytelling schafft oft so eine emotionale Bindung und Bedeutung mit den, und für die Konsument*innen.

Fans – oder: Der fanatische Konsument

Mit dem Begriff der Marke entsteht auch eine neue „Form“ von Konsument*innen – die Fans. Den Fan, als fanatische Konsument*innen, definiert Hellmann so:

„(Fans sind) Personen, die eine längerfristige und leidenschaftliche Beziehung zu einem für sie externen, öffentlichen Objekt eingehen, sei es eine prominente Person, Gruppe oder Organisation, sei es ein Artefakt oder Symbol, für das sie vergleichsweise viel Zeit, Geld und Aufmerksamkeit aufbringen“ (Hellmann 2011: 157)

Hierbei gibt es aber deutliche Unterschiede in der Intensität und Art dieser Beziehungen. Ein sehr bekanntes Beispiel sind hier beispielsweise Fußballfans. Hellmann bezeichnet Fans auch als devotionale Konsument*innen und unterscheidet dabei in vier Ausprägungen, nämlich zweckrationale, wertrationale, traditionale und affektuelle Konsument*innen. Sie alle richten ihr Leben mehr oder weniger nach dem „geliebten Fanobjekt“, unterscheiden sich hierfür aber in ihren Gründen. Des Weiteren bilden sich (Marken-)Fannetzwerke, Hellmann spricht hier von „brand communities“ und definiert diese wie folgt:

„A brand community is a specialized, non-geographically bound community, based on a structured set of social relationships among admires of a brand. It is specialized because at ist center is a branded good or service. Like other communities, it is marked by a shared consciousness, rituals and traditions and a sense of moral responsibility. Each of these qualities is, however, situated within a commercial and mass-mediated ethos, and has ist own particular expression. Brand communities are participants in the brand’s larger social construction and play a vital role in the brand’s ultimate legacy.“ (Muñiz/O’Guinn 2001: 412; zit. n. Hellmann 2011: 159)

Oftmals treffen sich die Fannetzwerke und veranstalten „Conventions“ um sich zu treffen und auszutauschen. Marken oder „Konsumbereiche“, welche sich besonders durch ihre Fankultur auszeichnen sind unter anderem Automobilhersteller (Porsche, BMW…), Sportvereine, Computerspiele oder Technologieunternehmen (Apple, Samsung…).

Literatur

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  • Baudrillard, Jean. 2015. Die Konsumgesellschaft. Ihre Mythen, ihre Strukturen. Wiesbaden: Springer VS.
  • Bauman, Zygmunt. 2007. Leben in der flüchtigen Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Bauman, Zygmunt. 2009. Leben als Konsum. Hamburg: Hamburger Edition.
  • Bolz, Norbert. 2002. Das konsumistische Manifest. München: Fink.
  • Brewer, John und Frank Trentmann, Hrsg. 2006. Consuming Cultures, Global Perspectives. Historical Trajectories, Transnational Exchanges. Oxford, New York: Berg.
  • Duden. 2017. Konsumgesellschaft. http://www.duden.de/rechtschreibung/Konsumgesellschaft (Zugegriffen: 29. August 2017).
  • Duden. 2017. Konsum. http://www.duden.de/rechtschreibung/Konsum_Konsumierung (Zugegriffen: 29. August 2017).
  • Fuchs-Heinritz, Werner. 2011. Konsumgesellschaft. In Lexikon zur Soziologie, 5. überarbeitete Auflage, Hrsg. Werner Fuchs-Heinritz, Daniela Klimke, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Urs Stäheli, Christoph Weischer, und Hanns Wienold, 368. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Springer VS.
  • Fuchs-Heinritz, Werner, Daniela Klimke, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Urs Stäheli, Christoph Weischer, und Hanns Wienold, Hrsg. 2011. Lexikon zur Soziologie. 5. überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Springer VS.
  • Galbraith, John Kenneth. 1970. Gesellschaft im Überfluß. München: Droemer Knaur.
  • Galbraith, John Kenneth. 1973. Die moderne Industriegesellschaft. München: Droemer Knaur.
  • Gardner, Burleigh, B. and Sidney J. Levy. 1955. The Product and the Brand. Harvard Business Review. März-April. 33-39
  • Hellmann, Kai-Uwe. 2008. Räume des Konsums. Über den Funktionswandel von Räumlichkeit im Zeitalter des Konsumismus. Wiesbaden: Springer VS.
  • Hellmann, Kai-Uwe. 2011. Fetische des Konsums. Studien zur Soziologie der Marke. Wiesbaden: Springer VS.
  • Hellmann, Kai-Uwe. 2013. Der Konsum der Gesellschaft. Studien zur Soziologie des Konsums. Wiesbaden: Springer VS.
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  • Kleinschmidt, Christian. 2008. Konsumgesellschaft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Kneer, Georg. 2001. Überflußgesellschaft. In Klassische Gesellschaftsbegriffe der Soziologie, Hrsg. Georg Kneer, Armin Nassehi, und Markus Schroer, 422-444. München: Fink.
  • Koch, Volker. 2011. Konsumismus. In Lexikon zur Soziologie, 5. überarbeitete Auflage, Hrsg. Werner Fuchs-Heinritz, Daniela Klimke, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Urs Stäheli, Christoph Weischer, und Hanns Wienold, 369. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Springer VS.
  • Marcuse, Herbert. 1965. Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Marcuse, Herbert. 1967. Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Neuwied, Berlin: Luchterhand.
  • Marx, Karl. 2011. Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. 7., verbesserte Auflage. Stuttgart: Kröner.
  • Packard, Vance. 1959. Die Geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewussten in Jedermann. Düsseldorf: Econ.
  • Packard, Vance. 1966. Die große Verschwendung. Düsseldorf, Wien: Econ.
  • Slater, Don. 1997. Consumer culture and modernity. Cambridge: Polity Press.
  • Strehle, Samuel. 2012. Zur Aktualität von Jean Baudrillard. Einleitung in sein Werk. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Toffler, Alvin. 1980. Die Zukunftschance. Von der Industriegesellschaft zu einer humaneren Zivilisation. München: Bertelsmann.
  • Wienold, Hanns. 2011. Konsum. In Lexikon zur Soziologie, 5. überarbeitete Auflage, Hrsg. Werner Fuchs-Heinritz, Daniela Klimke, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Urs Stäheli, Christoph Weischer, und Hanns Wienold, 368. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Springer VS.
3)
vgl. hierzu auch Kleinschmidt 2008
4)
zum Begriff der negativen Freiheit vgl. Berlin, Isaiah. 1995. Freiheit. Vier Versuche. Frankfurt am Main: S. Fischer. S. 197ff.
5)
Sinnvoll ist die Überlegungen, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Gesellschaft der Produzent*innen handelt oder ob die Gesellschaft von Produzenten nicht vielleicht angemessener ist. Diese geschlechtlich-historische Komponente soll hier jedoch nicht ausführlich diskutiert werden. Hier und im Folgenden wird von der Gesellschaft der Produzent*innen die Rede sein.
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