Inhaltsverzeichnis
Übersicht über die Bedeutungen von Diversität in den Bereichen Biologie, Recht, Soziologie und Wirtschaft
Die vorliegende Seite fasst zum einen tabellarisch die Merkmale der Diversitätsverständnisse der Bereiche Biologie, Recht, Soziologie und Wirtschaft zusammen.
Zum anderen findet sich hier auch ein Fazit der Untersuchung.
Tabellarische Übersicht
Eine genauere Übersicht über die einzelnen Untersuchungen findet sich auf den jeweiligen Unterseiten.
Bereich | 1. Merkmal | 2. Merkmal | 3. Merkmal |
Biologie - Biodiversität | Biodiversität ist die Grundlage des Lebens. | Biodiversität ist etwas Gutes und Schützenswertes. | Der Begriff Biodiversität ist aufgrund seiner Uneindeutigkeit in Fachkreisen und seinem Potenzial, Hierarchien zu reproduzieren, diskussionswürdig. |
Recht - Diversität im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz | Diversität wird im Individuum verortet. | Diversität ist schützenswert und unterliegt verschiedenen Schutzansprüchen in unterschiedlichen Bereichen. | Diversität lässt sich anhand der sechs Kategorien ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Identität, Alter, Behinderung und Religion oder Weltanschauung bestimmen. |
Soziologie - Diversität als Forschungsansatz | Diversität ist der ‚Normalzustand‘. Fehlende Vielfalt ist ein Ergebnis von gesellschaftlichen Entwicklungen. | Diversität hinterfragt Machtverhältnisse und Strukturen. | Diversität lässt sich nicht auf einen (Forschungs-)Kontext eingrenzen. |
Wirtschaft - Diversität im Personalmanagement | Diversität ist eine verwertbare Ressource. | Diversität ist etwas Gutes, kann aber auch zu Konflikten führen. | Diversität trägt zum Erfolg eines Unternehmens bei. |
Fazit
Das vorliegende Wiki hat das Diversitätsverständnis in vier Bereichen untersucht und konnte damit den ersten Teil der These von Vertovec „Ambiguität, Vielstimmigkeit und Banalität sind Schlüsselmerkmale des Diversitätsdiskurses“1) (Eigene Übersetzung) zeigen.
Die Vielstimmigkeit geht aus der tabellarischen Übersicht der Untersuchungsergebnisse hervor.
Die Banalität zeigt sich in Aussagen wie ‚Diversität ist etwas Gutes‘ (Personalmanagement und Biodiversität).
Die Ambiguität wird zum Beispiel in der Kontrastierung der Diversitätsverständnisse im Forschungsansatz und im Personalmanagement deutlich, wenn ersterer Diversität als Werkzeug, um ‚Machtverhältnisse und Strukturen zu hinterfragen‘ und zweiterer Diversität als ‚eine verwertbare Ressource‘ beschreibt.
Zu klären ist noch, ob auch der zweite Teil von Vertovecs Hypothese die Schlüsselmerkmale „stärken die Verbreitung und Akzeptanz des Begriffes, statt sie zu schwächen“2) (Eigene Übersetzung) zutrifft. Dies erfolgt am Beispiel des Forschungsansatzes, da es dort die Kritik gibt, unpolitische Verwendungen schwächen den Begriff.
Die verschiedenen Verwendungen sind eine Stärke für den Forschungsansatz
Abschließend soll an dieser Stelle argumentiert werden, dass die verschiedenen Verwendungen gerade die Stärke des Diversitätsbegriffs ausmachen und deshalb für den Forschungsansatz ein Interventionspotenzial bieten.
Diversität zu kennen, ist unabhängig von der Bildung
Diversität ist kein Begriff aus dem akademischen Kosmos, der sich von dort in der Gesellschaft ausbreitet, sondern er zirkuliert in verschiedenen Kontexten. Diversität hat deshalb das Potenzial - unabhängig von der Bildung einer Person - von jede:m:r verstanden zu werden, was das ein machtkritisches Element des Werkzeugs ist.
Diversität baut nämlich nicht auf einer intensiven Textlektüre, langen Erörterungen oder einer akademischen Bildung, um bekannt zu sein. Damit wirkt der Begriff gegen die Diskriminierungslinie der ‚Klasse‘ bzw. der sozialen Herkunft, die mit der Bildung und den Möglichkeiten, einen politischen Begriff zu prägen, verbunden ist.
Hinzukommt, dass nicht nur das Kennen des Begriffs machtkritisch und sensibel für den Einfluss von Bildung auf die politische Einflussnahme ist, sondern das auch auf das Konzept selbst zutrifft. Einer der Kritikpunkte an Diversität als Forschungsansatz war, dass Diversität keine theoretische Einbettung hat.
Aber: Diversität ist ein Konzept, dessen theoretische Einordnung durch seine praktische Anwendung entsteht und der sich deshalb als Analysetool und praktisches Werkzeug ständig dieser Schere beweisen muss. Diese Bedingung führt gleichzeitig dazu, dass die Konzeptprägung nicht klassistisch ist, also nur studierte Personen in akademischen Positionen den Begriff prägen, sondern potenziell allen zugänglich ist.
Die verschiedenen Verwendungen bieten Interventionspotenzial für den Forschungsansatz
Außerdem kann der Forschungsansatz durch die verschiedenen Verwendungen von Diversität in unterschiedlichen Bereichen pointiert intervenieren.
Beispiel: Personalmanagement
Die Verwendung im Personalmanagement bietet einen Ansatzpunkt, um zielgenau die kapitalistischen Verwicklungen und Verwertungen zu benennen und zu kritisieren. Das wurde zum Beispiel im Wiki anhand der vermeintlichen unterschiedlichen Führungsstile verschiedener Geschlechter gezeigt.
Beispiel: Biodiversität
Auch die Begriffsgleichheit mit der Biodiversität bietet einem Ansatzpunkt, um quasi durch ‚die Hintertür‘ einen weiteren Diskussionsstrang zu eröffnen, der im Rahmen der biologischen Verwendung des Begriffes nicht mitgedacht bzw. bisher nicht mitdiskutiert wurde. Im Zuge des Klimawandels und der damit einhergehend Verlust der Biodiversität entstehen wichtige Themenfelder für den Forschungsansatz Diversität. Da Biodiversität kein eindeutiger Begriff ist und über einen großen Interpretationsspielraum verfügt, lässt er sich aneignen und mit zusätzlichem kritischen Potenzial füllen.
Zum einen kann der Gegensatz zwischen Tier/Pflanze/Pilz (Natur) und Mensch (Kultur) egalisiert und der falsche Binarismus verworfen werden, denn der Mensch ist Teil der Biodiversität, Teil der Natur und ein Rückgang der Biodiversität wirkt sich auch auf den Mensch aus.
Zum anderen ermöglicht eine Intervention der Diversity Studies in den Biodiversitätsbegriff es die Diversitätsdimensionen des Klimawandels zu benennen und zu kritisieren. Zum Beispiel erklärt UN-Women Deutschland: „Naturkatastrophen unterscheiden nicht zwischen den Geschlechtern. Es gibt jedoch deutliche Unterschiede dabei, wie Frauen und Männer die Auswirkungen des Klimawandels erfahren. Frauen und Kinder sterben bei einer Katastrophe mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer, unter anderem weil sie später gewarnt werden, seltener schwimmen können und sich auf der Flucht um Angehörige kümmern.“3)
Diversität (als Forschungsansatz) beschreibt, was Diversität meint
Aus den oben genannten Gründen wäre es eine Schwächung des Konzeptes, wenn statt von Diversität zum Beispiel von ‚kritischer Diversität‘ oder ‚Intersektionalität‘ gesprochen werden würde. Damit würde nämlich die Fluidität des Konzeptes, die es ermöglicht, viele Menschen anzusprechen, und die Entwicklung des Konzeptes in einem Wechsel zwischen Theorie und Praxis verloren gehen.
Auch das Ersetzen von Diversität durch ein Synonym ist keine Lösung, da die etymologische Bedeutung von Diversität genau das beschreibt, was Diversität meint.
Zum Beispiel bedeutet die Vorsilbe ‚viel‘ von Vielfalt „eine große Menge oder Anzahl, zahlreich, sehr, bedeutend,“4) während die Nachsilbe ‚falt‘ „falten, verschränken, sich umbiegen.“5)
Diversität hingegen beschreibt etymologisch genau die Verschiedenheit von Menschen6) und um die geht es in dem Konzept.
Der Begriff der Diversität ist als Forschungsansatz stark, weil er alle Menschen thematisiert* und nicht nur thematisiert, sondern allen die Chance anbietet, sich in seine Konzeption einzubringen und dieses Potenzial darf nicht unterschätzt noch durch einen anderen Begriff untergraben** werden.
Quellen
- Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. „divers“. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Letzter Abruf 11. September 2022. https://www.dwds.de/wb/Vielfalt#etymwb-1.
- Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. „Vielfalt“. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Letzter Abruf 12. September 2022. https://www.dwds.de/wb/divers#etymwb-1.
- UN-Women Deutschland. „Klima und Gender.“ Letzter Abruf 12. September 2022. https://unwomen.de/klima-und-gender/.
- Vertovec, Steven. „‚Diversity‘ and the Social Imaginary“. European Journal of Sociology 53, Nr. 3 (Dezember 2012): 287 - 312. https://doi.org/10.1017/S000397561200015X.
Steven Vertovec, „‚Diversity‘ and the Social Imaginary“, European Journal of Sociology 53, Nr. 3 (2012): 287, https://doi.org/10.1017/S000397561200015X.
Steven Vertovec, „‚Diversity‘ and the Social Imaginary“, European Journal of Sociology 53, Nr. 3 (2012): 287, https://doi.org/10.1017/S000397561200015X.